Diversity Digitalisierung klappt nur mit gemischten Teams

Inklusion, Integration von Flüchtlingen, schwul-lesbische Arbeitskreise: In Konzernen gehört Diversity-Management zum Alltag. Denn Vielfalt ist ein Wirtschaftsfaktor. Und die beginnt im Kopf der Manager.

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Diversity ein zentraler Treiber zur erfolgreichen Implementierung der Digitalisierung. Quelle: Fotolia

„Vielfalt statt Einfalt – Kulturelle Kompetenz für wirtschaftlichen Erfolg“: Um über dieses Thema zu sprechen, trafen sich vergangenen Dienstag rund 100 Führungskräfte der 15 größten Wirtschaftsunternehmen in Nordrhein-Westfalen: von Bayer, über die Deutsche Post und die Telekom über die großen Energieunternehmen E.On und Innogy bis Henkel, den TÜV Rheinland und Vodafone. Sie alle sind Mitglieder der Charta der Vielfalt, einer Unternehmensinitiative, die Diversity-Management in der deutschen Wirtschaft verankern will. Schirmherrin der bundesweiten Initiative ist Kanzlerin Angela Merkel.

Dass die Initiative wie auch der deutsche Diversity-Tag nötig sind, zeigt sich immer dann, wenn die aktuellen Arbeitsmarktzahlen oder die Ausbildungsstatistik veröffentlicht werden. Während auf der einen Seite viele Bewerber immer noch aufgrund von Aussehen, Geschlecht oder Alter aussortiert werden, klagen dieselben Personaler über Fachkräftemangel. Gesucht: digitalaffine, junge Talente, die alles auf den Kopf stellen. Anforderungsprofil: Kann alles, weiß alles und tickt genau wie der Günther aus der Buchhaltung.

Diversity ist kein Frauenthema

Diversity wird in Deutschland oft als Frauenthema verstanden. Doch das ist es nicht. Bei dem Energieunternehmen Innogy sieht das auch der Vorstand so. „2017 ist eines der sechs übergeordneten Fokusthemen, auf die sich der Vorstand von Innogy konzentriert, Diversity. Das haben wir im Vorstand so festgelegt“, bestätigt Innogy-Personalvorstand und Arbeitsdirektor Uwe Tigges.

Innogy Quelle: Presse

Junge Menschen mit einer Behinderung bekommen einen Ausbildungsplatz, auch wenn die Zahl der Plätze eigentlich schon voll ist. Flüchtlinge bekommen nicht mehr nur Kurz- sondern Jahrespraktika, damit sie die Sprache am Arbeitsplatz lernen. Eine Übernahme nach einem Jahr nicht ausgeschlossen. Natürlich werden auch Frauen gefördert, sind aber nicht alleiniger Gegenstand des Kulturwandels.

„Jeder Mitarbeiter soll wertgeschätzt werden, egal woher er kommt, wie er aussieht, welches Alter und Geschlecht und welche sexuelle Orientierung er hat“, sagt Andrea Dorsch-Kellermann, Diversity-Managerin bei Innogy. Sie ist überzeugt, dass Unternehmen im globalen Wettbewerb nicht bestehen können, wenn sie Vielfalt als persönliches Problem der Mitarbeiter verstehen. „Unterschiedliche Teams zusammenzustellen, ist Führungsaufgabe“, sagt sie.

Vielfältige Kunden, vielfältige Mitarbeiter

Das sieht auch Personalvorstand Tigges so. „Diversity auf eine Folie zu schreiben, ist das eine. Wenn es funktionieren soll, muss man das auch vorleben“, sagt er. Schon allein, um die Wünsche der Kunden verstehen und erfüllen zu können, brauche ein Unternehmen viele verschiedene Typen innerhalb der Belegschaft. „Wir haben 23 Millionen Kunden und die sind sehr vielfältig. So vielfältig sollte auch die Belegschaft sein.“

Als er 1984 ins Berufsleben einstieg, sah die Welt noch anders aus, wie er erzählt. So habe er damals an einem Kongress mit dem Titel „EWMW - Energiewirtschaft Männerwirtschaft“ teilgenommen. Wegen des gesellschaftlichen und demografischen Wandels, aber auch wegen der Globalisierung kann sich kein Unternehmen mehr erlauben, Fachkräfte abzulehnen, nur weil dem Personaler die Nase nicht passt. Wer international tätig ist und mit der Konkurrenz aus Shenzhen, Kairo oder Austin genauso umgehen muss, wie mit der aus Berlin und Frankfurt, der braucht auch eine internationale Belegschaft. „Internationale Teams bringen bessere Ergebnisse“, so Tigges.

Problem erkannt - aber noch nicht gelöst

Mit der Erkenntnis steht er nicht alleine da. 65 Prozent der deutschen Unternehmer sagen, dass die Einbindung unterschiedlicher Lebensmodelle, kultureller Perspektiven und Erfahrungen dem eigenen Betrieb Vorteile bringe, wie eine Studie von Ernst & Young (EY) in Zusammenarbeit mit dem Verein Charta der Vielfalt zeigt. Und drei Viertel der Unternehmen erkennen, dass eine vielfältig zusammengesetzte Belegschaft die Offenheit und Lernfähigkeit, und damit auch die Zukunftsfähigkeit sicherstelle. Nur: Wissen heißt nicht handeln. Zwei von drei Unternehmen in Deutschland sind gemäß der Studie auf absehbare Veränderung durch eine vielfältige Arbeitswelt nicht vorbereitet.
Dabei gibt es mehr als genug Maßnahmen, die auch kleine und mittelständische Unternehmen ergreifen können – ganz ohne eigene Abteilung für Diversity-Management und –Manager. Die EY-Studie zeigt, dass ein Drittel der Unternehmen und Institutionen, die aktives Diversity-Management betreiben, auf Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort setzen und die Personalgewinnung und –entwicklung verändern. Den Studienmachern ist das noch zu wenig.


Hinterfragen Sie Ihre Muster

Wenn nicht nur Männer aus dem Schützenverein des Chefs eingestellt werden und neben Susanne Schmidt auch Dilan Ceseroglu zum Bewerbungsgespräch eingeladen wird, ist das aber doch immerhin ein Anfang. „Hans sucht Hänschen“, so die die Erfahrung von Tigges. „Aber wenn Sie erfolgreich sein wollen, müssen Sie Leute suchen, die anders sind, als Sie.“

Wenn dann noch Arbeitsmodelle angeboten werden, die es auch Menschen mit verschiedenen Bedürfnissen ermöglichen, zu arbeiten und ihren privaten Pflichten nachzukommen, ist ein weiterer Schritt getan. Wer das nicht schafft, wird mit der jungen Generation schneller Probleme bekommen, als er Fachkräftemangel sagen kann. Oder wie Tigges zusammenfasst: „Wenn wir die Lebenswelten der Kollegen nicht kennen und ihnen deshalb keine passende Arbeitsumgebung bieten, dann sind wir kein guter Arbeitgeber und werden keine guten Mitarbeiter bekommen.“


Unabhängig von mehr Flexibilität ist Vielfalt in Unternehmen aber vor allem Kopfsache, so Tigges. „Wir brauchen eine Akzeptanz für Menschen.“

Hinterfragen Sie sich selbst: Stimmen diese Klischees über Frauen und Männer im Job?

Die einzuführen, mag schwieriger sein, aber ohne geht es eben nicht, wie auch Jutta Rump anlässlich des Diversity-Tages vor den versammelten Führungskräften sagte. „Das ist nicht mehr nur Sozialklimbim. Wenn Sie Diversitymanagement sagen, ploppen da immer so Vorurteile auf, aber das Thema ist Realität“, so die Professorin für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Hochschule Ludwigshafen und Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen.

„Digitale Transformation funktioniert nicht ohne soziale Transformation. Es geht hier nicht nur um neue Geschäftsmodelle“, ist ihre Botschaft. Und damit soziale Transformation funktionieren kann, müssen Manager nicht nur andere Typen einstellen und (be)fördern, sondern in der Lage und bereit seien, sich selbst zu hinterfragen und Kritik anzunehmen. „Damit es funktioniert, muss man unterschiedliche Meinungen hören wollen und auch aushalten können. Und akzeptieren, dass Menschen unterschiedlich ticken. Und das auch wollen“, sagt Tigges. Denn Pioniergeist und Routine sind Widersprüche in sich.

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