Das Thema Diversität ist ein neuer Dauerbrenner in deutschen Chefetagen. Zum einen suchen die 100 größten deutschen börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen nach talentierten Frauen, um die Quote für Aufsichtsräte von 30 Prozent zu erreichen. Zum anderen ist der Business Case zunehmend offensichtlich. Nur wer von 100 Prozent Talent profitiert, ist heute noch wettbewerbsfähig.
Da schaut man dann auch mal über den Atlantik, mit welchen Programmen die amerikanischen Kollegen die Herausforderung angehen. Immerhin geben US-Unternehmen, wie eine Studie von McKinsey zeigt, 14 Milliarden Dollar im Jahr für „Leadership Development“ – gerade auch für Frauen – aus. Und „Lean In“, das Buch von Facebook-Managerin Sheryl Sandberg, empfiehlt Frauen, sich etwas mehr zuzutrauen, selbstsicherer aufzutreten und auch mal auf den Tisch zu klopfen, wenn die Beförderungsrunde wieder an ihnen vorbeigezogen ist.
Stereotypen überwinden ist schwer
Das ist alles gut so. Nur müssen sich Frauen bewusst sein, dass normative Rollenbilder fest in unseren Köpfen verankert sind – wer sie verletzt, wird dafür bestraft. Nach wie vor erwarten wir von Frauen mehr Kooperationsbereitschaft und Empathie als von Männern und stehen forschen weiblichen Führungspersonen skeptisch gegenüber. In unseren Köpfen ist Führung männlich besetzt. Stereotypen zu überwinden ist unheimlich schwer. Eine deutsche Studie, in der Personalverantwortliche, Manager/-innen und Expert/-innen in Deutschland, Österreich und der Schweiz 2014 befragt wurden, kam sogar zum ernüchternden Schluss, dass Frauenförderprogramme daher manchmal mehr schaden als nutzen.
Zur Person
Iris Bohnet ist Harvard-Professorin und Autorin von „What Works: Gender Equality By Design“, das im März 2016 bei Harvard University Press erscheint.
Was also tun?
Das Personalwesen, eine der letzten Hochburgen der Intuition, wird zurzeit im Sturm von „Big Data“ oder, wie dies bei Personalentscheidungen gern genannt wird, „People Analytics“ erobert. Und es ist höchste Zeit.
Was Big Data im Personalwesen kann
Ein Großhandelsunternehmen nutzt für eine interne HR-Analytse Daten und Modelle über Stärken und Schwächen im Management und warum die Leistung der Mitarbeiter in den unterschiedlichen Niederlassungen unterschiedlich ist. Zusammen mit einem Überblick über die Kontrollreichweite der einzelnen Managementeinheiten und den unterschiedlichen Vergütungsvarianten aller Abteilungen und Teams im Unternehmen lässt sich darstellen, wo im Unternehmen sich Talente bewegen. Ob sie das Unternehmen verlassen oder wo die Mobilität der Talente in höhere Positionen gut oder weniger gut ausgeprägt ist. Das gibt der Unternehmensführung Erkenntnisse darüber, wann sie Organisationsprozesse konsolidieren oder erweitern und wann sie neue Führungskräfte fördern oder dort Strukturen reorganisieren sollen.
Quelle: Cornerstone OnDemand
Xerox konnte die eigene Mitarbeiterfluktuationsrate in allen seinen Callcentern um etwa 50 Prozent reduzieren, nachdem es Big Data im Rahmen der Überprüfung der Bewerbungen einsetzte. Das Unternehmen hatte bisher Personen basierend auf deren Praxiserfahrungen eingestellt. Doch die Daten zeigten, dass die Persönlichkeit eine größere Rolle spielt als die Praxiserfahrung. Während kreative Menschen meist für mindestens sechs Monate im Unternehmen bleiben, so dass das Unternehmen wenigstens die Investitionen in deren Ausbildung erwirtschaften kann, verlassen wissbegierige Menschen das Unternehmen.
In einem anderen Unternehmen war das Team der HR Analytiker aus ihrer ursprünglichen Aufgabe, der Personalplanung, herausgewachsen. Nach mehr als drei Jahren Analysen hatte das Team Rekrutierungs-Modelle entwickelt, die in der Lage waren, Arbeitsmarktdaten, Gehaltsdaten und Informationen über Fähigkeiten externer Personen miteinander zu korrelieren, um auf diese Weise lokale Rekrutierungsstrategien in der ganzen Welt zu entwickeln.
Denn: Die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen lässt sich eher finden, wenn wir nicht jeden Grashalm einzeln umdrehen müssen, sondern einen kleinen Metalldetektor zu Hilfe nehmen. Zu oft führt uns unsere Intuition auf Abwege, und wir stellen Leute ein, die das gleiche Hobby haben oder denselben Sportverein unterstützen.
Lauren Rivera, eine Soziologin an der Kellogg School of Management in Chicago, befragte Unternehmensberater/-innen, Bankangestellte und Anwält/-innen, auf was sie in einem Bewerbungsgespräch speziell Wert legten. Die überwiegende Mehrheit in allen Berufsgattungen suchen Mitarbeitende, die „passen“. Carlos, ein Anwalt, etwa meinte: „Man schaut sich selbst an, um zu beurteilen, ob jemand passt. Das ist alles, was man zur Verfügung hat.“ So bleiben dann Zahlenmenschen unter Zahlenmenschen, Ingenieure unter Ingenieuren – oder eben Männer unter Männern.
Gemischte Teams schneiden besser ab
Uns selbst als Maßstab zu nehmen kann kaum ein Rezept dafür sein, um die besten Mitarbeitenden zu finden. Die „kollektive Intelligenz“ eines Teams kann genauso gemessen werden wie individuelle Intelligenz, und da schneiden diverse Teams eindeutig besser ab. Komplementarität ist gefragt, nicht Replikation.
Eine besonders schöne Feldstudie, die es uns erlaubt, die Validität von Interviews zu testen, fand vor ein paar Jahren eher unfreiwillig in Texas statt. Da stellte der Staat Texas fest, dass es dort nicht genügend Ärzte und Ärztinnen gab. Er forderte daher seine medizinischen Fakultäten auf, mehr Bewerberinnen und Bewerber aufzunehmen – und zwar spät im akademischen Jahr, nachdem sich die Universitäten bereits für ihre Favorit/-innen entschieden hatten. Während die medizinische Fakultät der Universität von Texas in Houston etwa bereits 150 Studierende ausgelesen hatte, musste sie im Mai noch 50 von den ursprünglich Abgelehnten aufnehmen. Das waren denn auch Leute, die im Evaluationsverfahren schlecht abgeschnitten hatten und auf der Rangliste die Plätze von 700 an aufwärts besetzten.
Interviews sind weniger verlässlich
Waren die ersten 150 Studierenden tatsächlich talentierter als die letzten 50? Kein Unterschied! Weder während des Studiums noch danach. Die Interviews brachten also nichts oder, schlimmer, verwässerten das Verfahren nur.
Obwohl unstrukturierte Vorstellungsgespräche längst diskreditiert sein sollten, sind Interviews nach wie vor eines der beliebtesten Instrumente in unseren Firmen. Wir vertrauen unserer eigenen Intuition mehr als Daten oder einem Algorithmus, der aufgrund vieler Beobachtungen eine Vorhersage macht.
Die härtesten Fragen im Vorstellungsgespräch
Diese Frage sollte ein Bewerber auf die Stelle des Senior Recruiting Managers bei Amazon beantworten. Hier soll die Kreativität abgeklopft werden. Die Personaler wollen wissen, ob man in der Lage ist, sich in eine andere Lage hinein zu versetzen. "Ich würde zum Beispiel erzählen, wie erstaunt ich als Mars-Mensch von den Problemen auf der Erde bin, da wir auf dem Mars schon viel weiter sind", schlägt Bewerbungsexperte Jürgen Hesse vom Berliner Büro für Berufsstrategie vor.
Auch solche mathematisch-logischen Fragen kommen immer wieder vor. Diese Aufgabe sollte ein Business Operations-Praktikant bei Facebook lösen. Hier muss man Aufmerksamkeit beweisen. Die Antwort ist "N Schlaufen" - es sind so viele Schlaufen, wie Seile. Denn wenn "keine losen Enden mehr übrig" sein dürfen, muss man einen Ring bilden. Hilfreich bei so einer Aufgabe ist es, sich eine kleine Skizze zu malen.
Das wurde ein Personaler bei Twitter gefragt. Hier gilt das gleiche wie bei Fragen nach den Stärken und Schwächen. "Fragt man im Bewerbungstraining nach Schwächen, sieht man auf der Stirn gleich, dass demjenigen sofort mindestens drei Schwächen einfallen", erzählt Hesse. Was wir nicht können, fällt uns meist leichter auf als unsere Stärken. Solche Antworten sollte man sich im Voraus überlegen. Hier kann es auch helfen, Freunde und Familie zu fragen, die vielleicht schneller und ganz andere Stärken sehen, als man bei sich selbst finden würde. Bei der Frage, warum man eben nicht eingestellt werden sollte, kann man sich charmant herauslavieren und etwa antworten: "Bitte haben Sie Verständnis, dass ich Ihnen das jetzt nicht sagen kann - damit würde ich mich ja selbst schlecht dastehen lassen." Dann sollte man schnell wechseln und viele Gründe für eine Einstellung aufzählen.
Als Praktikant bei Microsoft muss man sich auf solche Fragen gefasst machen. "Hier haben wir wieder eine Kreativitätsfrage", erklärt Hesse. In die gleiche Kategorie fällt die Frage "Sie wollen ein Telefon für Taubstumme entwickeln. Wie gehen Sie vor?", die ein Produkt-Manager bei Google beantworten sollte. Die Personaler wollen sehen, dass man Fantasie besitzt, außerhalb der festgefahrenen Bahnen denken kann und auch auf ungewöhnliche Fragen nicht patzig oder unhöflich reagiert. "Man lernt den Bewerber so noch einmal von einer anderen Seite kennen".
Das wurde ein Sales Associate beim Unternehmen Pacific Sunwear gefragt. Jürgen Hesse erklärt: Hier handelt es sich um eine Psycho-Frage. Sie soll den Bewerber aus der Ruhe bringen. Doch auch die metaphorische Ebene sollte man bei solchen Fragen beachten: Wer hier "Stoppschild" antwortet, sammelt sicher Minuspunkte - wer braucht schon Bremser im Team. Charmanter wäre zum Beispiel ein Autobahn-Schild. Es weist die Richtung zu einem schnelleren Weg.
Diese Frage sollte einen Investment-Praktikanten bei AIG aus dem Konzept bringen. Eigentlich ist die Lösung total einfach, man vermutet in der Formulierung nur eine Gemeinheit. Wer hier nervös wird und einen Blackout bekommt, sollte sich ein Blatt Papier und einen Stift zu Hilfe nehmen. Man malt einfach einen Kreis und macht zwei Kreuze durch - da sind die acht Stücke.
Ein Operations-Analyst bei Goldman Sachs Operations-Analyst bei Goldman Sachs sollte diese Frage beantworten. Wer hier sagt "zehn Tonnen" oder "zehn Megatonnen", der liegt gehörig daneben. Solche Schätz-Fragen sollen die Allgemeinbildung abklopfen - niemand erwartet eine exakte Zahl. In die gleiche Kategorie fallen Fragen wie "Was glauben Sie, wie viele Menschen in Deutschland haben ein Handy?". Man kann sich helfen, indem man sich an die Lösung herantastet und das laut ausspricht. Etwa: "Es gibt rund 82 Millionen Deutsche, wenn man Babys, sehr alte und arme Menschen abzieht, sind es vielleicht rund 60 Millionen."
Diese Aufgabe bekam ein Technischer Ingenieur bei Tesla Motors gestellt. Der Fachmann wird wohl wissen, was ein Dynamometer ist - mit der Forderung, es kindgerecht zu erklären, soll der Job-Anwärter auch sein Gefühl für Worte beweisen und zeigen, dass er sich Mühe gibt, komplizierte Sachverhalte einem Laien geduldig zu erklären.
"Eine klare Psycho-Frage", urteilt Hesse. So eine Frage nach dem Glauben ist eigentlich nicht erlaubt - eine Ausnahme sind kirchliche Einrichtungen. Ein Merchandiser bei PepsiCo wurde die Frage trotzdem gestellt - man sollte in so einer Situation nun nicht auf stur stellen und gar nicht antworten oder mit erhobenem Zeigefinger "Das dürfen Sie nicht fragen" antworten. Besser: Mit einer Gegenfrage kommen, etwa "Gibt es aufgrund der Tätigkeit einen bestimmten Grund, warum Sie nach meiner Konfession fragen?".
Wer ein Praktikum bei Apple machen will, muss sich auf diese Frage gefasst machen. Hier geht es darum, die Fantasie spielen zu lassen. Spinnen Sie einfach herum - es gibt kein Richtig und Falsch. Wem partout nichts anderes einfällt, als "drauftreten", der sollte vielleicht besser die Gegenfrage stellen, warum die schöne Uhr denn zerstört werden muss.
... Jeder Zwerg sieht nur die kleineren Zwerge vor sich, kann sich aber nicht umdrehen. Der Riese verteilt zufällig schwarze und weiße Hüte auf die Köpfe der Zwerge, ohne dass die Zwerge ihre eigene Hutfarbe sehen. Der Riese sagt den Zwergen, dass er jeden einzelnen nach der Farbe seines Hutes fragen wird, den größten zuerst. Ist die Antwort falsch, frisst der Riese den Zwerg. Jeder Zwerg hört die Antwort seines Hintermanns, aber nicht, ob der Zwerg danach noch lebt. Bevor die Hüte verteilt werden, können die Zwerge sich heimlich beraten. Welche Strategie sollten die Zwerge wählen, um möglichst viele zu retten? Wie viele können mindestens gerettet werden?"
Puh - mit dieser Horror-Aufgabe sah sich ein QA Automation Engineer bei BitTorrent konfrontiert. Wer bei solchen Logik-Fragen nur noch Bahnhof versteht, kann manchmal nur noch die Notbremse ziehen und sagen, dass die Aufgabe in der aktuellen Stress-Situation nicht lösbar ist. Wer dann von den Personalern beharrlich gequält wird, ist vielleicht auch in dem Unternehmen nicht richtig.
Damit sah sich ein Verwaltungsassistent bei Google konfrontiert. "Schreiben" galt dabei nicht als Antwort. Solche Kreativitätsfragen kommen in abgewandelter Form immer wieder vor. Eine Version ist etwa "Was für Bücher gibt es?". Da sei bei vielen schon nach "Krimis" Schluss, erzählt Hesse. Andere können unzählige herunterbeten. Hier hilft das spielerische Üben solcher Brainstormings, zum Beispiel "Welche Automarken gibt es?" oder "Wie viele Farben fallen Ihnen ein?".
Seien Sie ehrlich: Wäre Ihnen mehr eingefallen, als "Windows"? Nicht nur, wer sich als Associate Consultant bei Microsoft vorstellt, sollte sich vorher gut über das Unternehmen, in dem man arbeiten möchte, informieren.
Aversion gegen Technik oder der Konflikt zwischen Mensch und Maschine ist nicht neu. Es gab Zeiten, da trauten wir uns nur in einen Fahrstuhl, wenn dieser von einem Fahrstuhljungen bedient wurde. Und selbstverständlich ist jeder Algorithmus nur so gut wie die Formel, die dahintersteckt. Die Evidenz zeigt aber, dass selbst einfachste Algorithmen, die etwa nur aus einer linearen Kombination von Variablen bestehen, die menschliche Intuition in den allermeisten Fällen übertreffen.
Wer sich nach wie vor nur in der Finanzabteilung oder der Marktforschung von Fakten leiten lässt, sollte dies möglichst schnell ändern und auch die Türen der Personalabteilung für „People Analytics“ öffnen. Neue Softwareprogramme wie etwa Applied, entwickelt vom Behavioral Insights Team in England (wo ich als wissenschaftliche Beraterin tätig bin), macht es Firmen um einiges leichter. So können Bewerbungen etwa anonymisiert werden, sodass Julia, die Personalfachfrau, und Gregor, der Ingenieur, nicht nur nach weiteren „Julias“ und „Gregors“ Ausschau halten, sondern Entscheidungen aufgrund der Qualifikation der Kandidatinnen und Kandidaten treffen.
Frauen profitieren von anonymen Bewerbungen
Ich kann nicht genug betonen, wie sehr uns demografische Charaktereigenschaften in die Irre führen. Die großen Symphonieorchester der USA erfuhren dies am eigenen Leib, als sie in den Siebzigerjahren Musiker und Musikerinnen hinter einem Vorhang vorspielen ließen, sodass der Dirigent und die Auswahlkommission nur die Musik hören, nicht aber die Bewerber/-innen sehen konnten. Damals machten Frauen gerade mal etwa fünf Prozent der Musiker in den Orchestern aus. Selbstverständlich waren die Dirigenten überzeugt, dass sogenannte „blinde“ Auswahlverfahren keine Rolle spielen würden.
Leonard Bernstein, der Chefdirigent der New York Philharmonie, sprach sich dann auch in den Siebzigerjahren vehement gegen Vorhänge aus, überzeugt, dass man die Musik nicht nur hören, sondern deren Produktion auch sehen musste, um deren Qualität beurteilen zu können.
Er sollte nicht recht behalten. Vorhänge erhöhten die Wahrscheinlichkeit, dass es Musikerinnen in eine weitere Runde schafften, um 50 Prozent. Sie spielten eine entscheidende Rolle darin, dass wir heute in den zehn bekanntesten US-Orchestern beinahe 40 Prozent Musikerinnen haben, die hervorragend spielen. Gut für das Orchester und gut für die Frauen.
Mentale Fähigkeiten testen
Die Berliner Philharmoniker verpflichteten 1982 erstmals eine Frau, die Schweizer Geigerin Madeleine Carruzzo. In Wien dauerte es noch ein paar Jahre länger, bis die Harfenistin Anna Lelkes 1997 in die Wiener Philharmoniker aufgenommen wurde. Heute liegt der Frauenanteil in beiden Orchestern bei ungefähr zehn Prozent, mit ein paar Prozentpunkten mehr in Berlin als Wien.
Gleich heute sollten wir damit aufhören, Passfotos an unsere Bewerbungsunterlagen zu heften. Obwohl Menschen glauben, dass attraktive Leute sowohl begabter als auch vertrauenswürdiger seien, ist dies ganz objektiv nicht der Fall. Die Attraktiven sind etwa genauso vertrauenswürdig wie der Durchschnitt, nicht weniger und nicht mehr.
Zudem sollten Firmen ihre Stellenausschreibungen genauer unter die Lupe nehmen. Adjektive wie „wettbewerbsorientiert“ und „ambitioniert“ sprechen eher Männer an, während sich Frauen eher auf „einfühlsame“ und „engagierte“ Stellenbeschreibungen bewerben. Und wer von 100 Prozent des Talentpools profitieren möchte, sollte auch nicht davon ausgehen, dass Frauen sich „mitgemeint“ fühlen, wenn wir vom Chef oder dem Piloten sprechen, genauso wenig, wie Männer sich mit Krankenschwestern oder Lehrerinnen identifizieren.
Applied oder auch andere neue Softwareprogramme wie etwas GapJumpers oder Unitive erlauben es Firmen aber nicht nur, die Bewerbungen zu anonymisieren, sondern auch von intelligenteren Auswahlverfahren zu profitieren. Welche Tests sind denn tatsächlich zuverlässige Indikatoren für zukünftige Produktivität? Eine groß angelegte Metaanalyse, die mehr als 500 verschiedene Berufsbilder und etwa 32.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen umfasste, kam zum Schluss, dass allgemeine mentale Fähigkeiten ein gutes Prognoseinstrument für die meisten Jobs sind. Kombiniert man sie im Auswahlverfahren mit Tests, die die zu erledigende Arbeit simulieren, kommt man dem idealen Auswahlkriterium sehr nahe. Die gute Nachricht für all diejenigen, die an persönlichen Gesprächen hängen, ist, dass strukturierte (aber nicht unstrukturierte!) Interviews, kombiniert mit mentalen Fähigkeiten, auch gut abschnitten.
Die unterschiedlichen Typen eines Teams
Er übernimmt gerne die Vorbildfunktion, hält das Team zusammen und spornt die anderen an. Außerdem spricht er Bedenken an und präsentiert Lösungen für Probleme. Um ihn zu motivieren, kann der Chef ihm zusätzliche Verantwortung übertragen – sowohl hinsichtlich inhaltlicher Entscheidungen als auch beim Führen der restlichen Mannschaft. Sich immer wieder neu zu beweisen, ist seine zentrale Motivation.
Er kann ständig Höchstleistungen abrufen, liebt Herausforderungen und reagiert schnell auf neue Anforderungen – auch unter Druck. Der Top-Performer erwartet regelmäßige Belohnungen für Erfolge. Diese können sowohl materieller Natur sein, aber auch Lob und Aufstiegschancen motivieren ihn.
Er ist neutral und fair gegenüber allen Beteiligten, egal ob Kollegen, Kunden oder Lieferanten. Er hat die Gabe Emotionen und Fakten zu trennen. Dieser Typ fühlt sich besonders in Abteilungen beziehungsweise Betrieben wohl, die ihr Handeln an Unternehmenswerten ausrichten. Auch ihn motiviert eine gewisse Entscheidungsfreiheit, allerdings braucht er Richtlinien, an denen er sich orientieren kann.
Er ist ein langjähriger Mitarbeiter, auf dessen Leistung man sich verlassen kann. Außerdem teilt er sein Wissen gerne, bringt so das gesamte Team voran. Auch der Profi will durch neue Aufgaben gefordert und gefördert werden. Motivieren Sie ihn, in dem Sie ihn als Mentor für neue Mitarbeiter oder Verbindungsmann zwischen verschiedenen Abteilungen einsetzen. Das zeigt, wie sehr Sie seine Erfahrung schätzen.
Die meisten Neuen wollen schnell lernen und sich im Team einfügen. Sie bringen neue Ideen und wertvolles Wissen mit. Mit einem Einarbeitungsplan könnte der Vorgesetzte den Neuankömmling motivieren. Seine Rolle sollte darin ebenso geklärt werden, wie die übergeordneten Geschäftsziele. Regelmäßiges Feedback sind besonders für die Neuen wichtig.
Man sollte allen Bewerbern und Bewerberinnen für eine bestimmte Stelle dieselben Fragen stellen, und zwar in derselben Reihenfolge, und diese, wenn möglich gleich nachdem man die jeweilige Antwort erhalten hat, bewerten. Jede Frage bekäme dann etwa eine Note, etwa auf einer Skala von 1 bis 6. Am Ende des Interviews, nachdem alle diagnostischen Fragen gestellt und die Antworten bewertet wurden, kann dann ein unstrukturierter Teil folgen, in dem Fragen beantwortet werden. Persönliche Gespräche sollen durchaus auch den Arbeitssuchenden eine Gelegenheit geben, den möglichen Arbeitgeber besser kennenzulernen, nur sollte dieser Teil des Gespräches nicht zur Diagnostik dienen.
Finden Sie Ihre Superstars
Wer Personalentscheidungen genauso ernst wie Finanzentscheidungen nehmen will, kann sich bei der Interviewgestaltung wieder von Datenanalysen leiten lassen. Google hat so etwa die optimale Anzahl von Interviews eruiert (4), da danach die Beurteilungen konvergierten, und gemessen, welche Fragen zukünftige Produktivität bei Google am besten vorhersagen. Vielleicht gibt es ja in einer Firma Starinterviewer, deren Prognosen typischerweise ins Schwarze treffen.
Bei Google gibt es da etwa eine Person, die um Welten besser ist als alle anderen und bei schwierigen Fällen entsprechend hinzugezogen werden kann. Niemand hätte das voraussehen können, nicht mal die Person selbst. Ein bisschen Datenanalyse half Google, seinen „Superstar“ zu finden. Es war derjenige Interviewer, dessen Bewertungen am stärksten mit dem Erfolg der neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter korrelierten.
Wer genügend Daten zur Verfügung hat, sollte also von ihnen lernen und Personalentscheidungen objektiv, aufgrund von Fakten, und nicht subjektiv, basierend auf persönlichen Vorlieben, treffen. So weit, so gut. Gleichzeitig sind aber immer noch viele juristische Fragen offen, und die Privatsphäre der sich Bewerbenden muss gewährt bleiben. Glücklicherweise sind sich da die Verhaltensökonomie und die Jurisprudenz einig: Anonymisierte Bewerbungen bringen sowohl mehr Objektivität als auch mehr Privatsphäre für Arbeitnehmer und -nehmerinnen. Und Algorithmen, welche die besten Prognoseinstrumente oder optimale Anzahl an Interviews errechnen, erlauben es einem Unternehmen, Kosten zu sparen als auch die bestgeeigneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch einen fairen Prozess auszuwählen.
Ein bisschen Technologie und ein paar Einsichten in menschliches Verhalten können unsere Unternehmen so verändern, dass sich Männer und Frauen dem Wettbewerb mit gleich langen Spießen stellen und unsere Unternehmen tatsächlich von 100 Prozent Talent profitieren können – in Aufsichtsräten und Kindergärten, Natur- und Sozialwissenschaften, Beratungsfirmen und Anwaltskanzleien.