Als Freund unverblümter Äußerungen ist er ohnehin bekannt. Doch kurz vor Weihnachten wandte sich Hartmut Mehdorn mit Aussagen an die Öffentlichkeit, die selbst für seine Verhältnisse ungewöhnlich deutlich waren: Eine „Inquisition“ veranstalte der Aufsichtsrat des Flughafens BER. Es regiere eine „Misstrauenskultur“, warf der Vorstandschef den Eigentümern des Skandalflughafens in einem zweiseitigen Brief vor.
„Ihren Hinweis auf einen guten Geist und gute Zusammenarbeit empfinden wir als Zynismus und völlige Unkenntnis des Unternehmens und seiner angespannten Lage“, zitiert die „Bild am Sonntag“ aus dem Schreiben Mehdorns, der kurz darauf im „Tagesspiegel“ noch mal nachlegte: „Ein Aufsichtsrat muss Vertrauen in seine Geschäftsführung haben. Entweder er traut seiner Geschäftsleitung, oder er sucht sich eine neue. Dazwischen gibt es nichts.“ Es blieb wohl beim Wunsch – wenige Tage später kündigte Mehdorn.
Mitleid mit dem Mauler Mehdorn wäre vermutlich verfehlt, schließlich stand er ob seiner Performance und seines Führungsstils oft in der Kritik – sei es als Vorstandschef von Deutscher Bahn und Air Berlin oder als vermeintlicher Retter des Mammutprojekts Flughafen Berlin.
Zudem die Ergebnisse seines Schaffens nicht durchweg in einem günstigen Verhältnis zu den üppigen Gagen standen, die Mehdorn in der Regel einstrich. Dennoch lässt sich am Verhältnis von Mehdorn zu seinen Berliner Aufsichtsräten nachzeichnen, was viele Top-Manager bewegt: Der Job an der Spitze von Konzernen wird ungemütlicher.
Arbeitsrecht für Vorstände
Geldwerte Vorteile – wie Flüge im Firmenjet – immer vorab durch den Aufsichtsrat bestätigen lassen. Egal, wie niedrig die Summe ist. Ansonsten droht die Enthebung aus dem Vorstandsamt aus wichtigem Grund sowie die fristlose Kündigung des Arbeitsvertrags.
Vorstände sind zu unbedingter Offenheit gegenüber ihrem Aufsichtsrat verpflichtet und sollten stets jeder ihrer Informations- und Mitteilungspflichten nachkommen.
Wer seinen Geschäftsbereich nicht genau definieren lässt, kann für Aufgaben herangezogen werden, die seiner Qualifikation nicht entsprechen. Folge: Das Scheitern wird provoziert. Ebenso wichtig ist, dass man innerhalb seiner eigenen Ressortzuständigkeit tätig bleibt und nicht in das Ressort von Vorstandskollegen eingreift oder dass man andere zuständige Gesellschaftsorgane einbindet. Sonst kann es zur fristlosen Kündigung kommen.
Wer die wechselseitige Überwachungspflicht auf die leichte Schulter nimmt, dem droht Haftung auch für die Fehler der Vorstandskollegen und die fristlose Kündigung. Regelmäßige Jour-fixe-Termine schaffen Überblick.
Will man Vorstände ohne hohe Abfindungszahlungen loswerden, gibt es nur einen Hebel, der auch in jedem dritten Fall funktioniert: Weil jene viel länger und häufiger reisen, rund um die Uhr im Job sind und nur noch wenig Freizeit haben, wird’s mit der Grenzziehung zwischen Privatem und Job oft schwierig. Top-Manager denken irgendwann, sie sind die Firma und entwickeln ein gefährliches Selbstverständnis. Beim geringsten Zweifel: Lieber die Rechnung privat zahlen, gar nicht erst eine Angriffsfläche bieten.
Weil die normale Berufsrechtsschutzversicherung nur den Arbeits-, nicht aber den Vorstandsvertrag abdeckt und in einem Rechtsstreit schnell mittlere fünfstellige Beträge zusammenkommen, bevor die Klage überhaupt zugestellt wird, sollten Vorstände eine Manager-Rechtschutzversicherung abschließen. Ebenfalls zu empfehlen: eine Vorstandsversicherung gegen Strafrechtsschäden.
Compliance-Regelungen machen immer ausgefeiltere Kontrollsysteme nötig, die regelmäßig weiterentwickelt und überwacht werden müssen. Sonst droht wegen einer Pflichtverletzung die außerordentliche Kündigung. Oder – wie im Falle des Ex-Siemens-Vorstands Neubürger – eine Millionen-Schadensersatzforderung, wenn kein Whistleblowing-System eingerichtet wird.
Scheinbar kleine Verstöße – etwa keine ausreichende Zustimmung durch den Aufsichtsrat oder geringfügige Handlungen außerhalb der Geschäftsordnung einzuholen – können schwere Konsequenzen haben: sofortige Abberufung des Vorstands und fristlose Kündigung seines Anstellungsvertrags.
Nur wer jederzeit die nötigen Unterlagen zur Hand hat, kann den Vorwurf von Pflichtverletzungen rasch entkräften.
Betriebsrat und Sprecherausschuss können langfristig wichtige Verbündete zur Absicherung der eigenen Position sein.
Gestiegener Druck für Vorstände und Aufsichtsräte
Insbesondere das Verhältnis zwischen Vorständen und Aufsichtsräten verkompliziert sich: Die einen fühlen sich von immer mehr Anfragen nach Zahlen und Fakten, von Eingriffen ins Tagesgeschäft oder juristischer Bevormundung in die Enge getrieben. Die anderen sehen nur, dass sich ihre Aufsichtspflichten verschärft haben – und glauben, entsprechend handeln zu müssen.
Die Folge: Bei einer Panel-Befragung exklusiv für die WirtschaftsWoche von der Personalberatung Lab & Company bestätigten 94 Prozent der Vorstände den gestiegen Druck durch zunehmende Haftungsrisiken. Mehr als jeder zweite beklagte höheren Druck von Aufsichtsräten.
Der Druck auf Vorstände steigt auch, weil Banken Kredite an Unternehmen restriktiver vergeben. Letztere mussten daher verstärkt über Kapitalerhöhungen neue Aktien verkaufen oder durch Anleihen Kredit aufnehmen. Schwankt der Preis dieser börsennotierten Wertpapiere stark, bringt das Manager gegenüber Aktionären schnell in Erklärungsnot.
„Der Kapitalmarkt bewertet ein Unternehmen permanent, der Druck auf das Management hat erheblich zugenommen“, sagt Ingo Speich, der als Fondsmanager bei Union Investment mit vielen Dax-Größen zu tun hat.
Darauf sollten Sie im Arbeitsvertrag achten
Die meisten Arbeitgeber sträuben sich dagegen, Aufgaben vertraglich festzuhalten, weiß Arbeitsrechtsexperte Marc Repey: „Wenn der Arbeitgeber sich flexibel halten will, wird er das nicht definieren wollen.“ Oder er setzt eine allgemeine Formulierung durch, die ihm viel Spielraum lässt. Ansonsten hilft dem Arbeitgeber auch die sogenannte Versetzungsklausel, um dem Mitarbeiter trotzdem neue Funktionen zuzuweisen oder alte zu entziehen.
Um die Funktion oder den Einsatzort von Mitarbeitern zu ändern, braucht es die Versetzungsklausel. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht, Marc Repey, empfiehlt, diese weder zu verändern noch sie aus dem Vertrag streichen zu lassen. Denn eine individuelle Änderung der Verlagsklausel erschwert es Arbeitnehmern, erfolgreich vor Gericht gegen eine Versetzung vorzugehen. Nach einer beidseitigen Aushandlung gelten schließlich nicht mehr die gesetzlichen Regelungen für allgemeine Geschäftsbedingungen, die den Arbeitnehmern in der Regel in die Hände spielen. Eine Streichung der Versetzungsklausel durchzusetzen, ist jedoch auch keine Lösung, da sich das bei betriebsbedingten Kündigungen rächen kann. „Die Arbeitgeber muss die Versetzung dann als milderndes Mittel einsetzen, bevor es zur Kündigung kommt“, erklärt Repey. Eine andere Stelle ist schließlich besser, als seinen Job zu verlieren.
Sonderzahlungen sind immer ein großes Streitthema, weiß Arbeitsrechtsexperte Marc Repey. Diese werden in Verträgen in einer Klausel über das Fixgehalt, sowie einer zusätzlichen variablen Vergütung, festgehalten. Damit keine Unklarheiten entstehen, sollten Arbeitgeber und Angestellte zu Beginn jeden Jahres eine Zielvereinbarung treffen. „Dabei sollte sich niemand auf eine mündliche Zusage verlassen, sondern die Zielvereinbarung schriftlich festhalten“, rät Repey. Darin sollten beide Seiten auch bestimmen, wie hoch die Prämie jeweils ausfällt, wenn der Mitarbeiter einen gewissen Prozentsatz des Ziels erreicht hat. Manche Chefs schieben diese Zielvereinbarung jedoch gerne auf die lange Bank und lassen sie unter den Tisch fallen. Dann müssen Mitarbeiter dran bleiben und ihr Nachhaken schriftlich festhalten, rät Rechtsanwalt Sebastian Frahm von der Stuttgarter Kanzlei Naegele: „Sollte es am Ende trotzdem nicht zur Zielvereinbarung kommen, bekommen die Mitarbeiter dann 100 Prozent der Prämie.“
Jeder Mitarbeiter hat einen Anspruch auf eine betriebliche Altersvorsorge. Diese sollte er auch wahrnehmen, sagt Anwalt Marc Repey. „Indem der Arbeitgeber einen Teil des Gehalts für die Altersvorsorge zurück behält sinkt, das Bruttogehalt und somit auch die Steuern, die darauf zu zahlen sind“, erklärt Repey. Zwar werden die eingesparten Steuern später bei der Auszahlung im Rentenalter fällig - allerdings fallen sie dann niedriger aus. „Der Vorteil liegt darin, dass Pensionäre niedriger besteuert werden.“
Der gesetzliche Kündigungsschutz gilt erst nach sechs Monaten – ob eine Probezeit vereinbart wird, ist dabei egal. „Das ist vielen Menschen nicht klar“, sagt Rechtsanwalt Marc Repey. In den ersten sechs Monaten beträgt die gesetzliche Kündigungsfrist zwei Wochen, nach sechs Monaten sind es vier Wochen. Anders sieht es aus, wenn Firma und Arbeitnehmer vertraglich andere Fristen vereinbart haben.
Wer vor Dienstantritt seinen Job verliert, steht mit leeren Händen da. „Wir empfehlen unseren Mandanten das vertraglich auszuschließen“, sagt Marc Repey von der Kanzlei Abeln. Ein Schlupfloch haben Arbeitgeber dann allerdings trotzdem noch, um frisch eingestellte schnell wieder los zu werden: Sie können Mitarbeitern schlichtweg am ersten Tag kündigen, mit der jeweiligen Kündigungsfrist.
Das Wettbewerbsverbot besagt, dass ein Arbeitnehmer nicht auch bei einem Konkurrenten arbeiten darf. Solange der Arbeitsvertrag läuft, unterliegt jeder Angestellter gesetzlich automatisch diesem Regelung. In manchen Verträgen schreiben Arbeitgeber auch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vor. „Das bedeutet jedoch eine starke Einschränkung für den Arbeitnehmer und ist an viele gesetzliche Auflagen geknüpft“, sagt der Fachanwalt für Arbeitsrecht, Marc Repey. So darf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot höchstens zwei Jahre gelten und der Arbeitgeber muss seinem Ex-Angestellten solange monatlich eine sogenannte Karenzentschädigung zahlen. Diese beträgt die Hälfte der alten Vergütung.
Die Freistellungklausel besagt, dass der Chef den Mitarbeiter nach Hause schicken kann und das Gehalt weiter zahlt. Das geschieht meist, nachdem der Chef eine Kündigung ausgesprochen hat, sagt der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht, Sebastian Frahm: „Die meisten Arbeitgeber möchten, dass Mitarbeiter ihre Urlaubsansprüche in der Freistellungsphase abbauen.“ Wenn Chefs ihre Mitarbeiter ohne Kündigung freistellen, dann meist um sie schlichtweg aus dem Unternehmen zu ekeln. Dann hält der Berliner Rechtsanwalt Marc Repey die Freistellungsklausel für unwirksam: „Jeder hat das Recht, außer Geld zu verdienen, auch zu arbeiten und sich selbst zu verwirklichen.“ Schließlich bewirbt sich niemand in einem Unternehmen um letztlich gar nichts zu machen. Zudem schädigen Freistellungen den Ruf bei Kollegen und Kunden. „Jemand muss sich schon wie die Axt im Walde benommen haben, um eine Freistellung zu rechtfertigen“, sagt Repey.
Eine Ausschlussfrist besagt, dass Mitarbeiter ihre Ansprüche aus einem ausgelaufenen Vertrag ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr geltend machen können - sie also ausgeschlossen sind. Wem also nach einer Kündigung noch Geld zusteht, sollte die Ausschlussfristen im Blick haben.
Prozessbetrug, Körperverletzung, fehlende Eignung?
Nie hätte sich ein Jürgen Fitschen träumen lassen, dass er als Co-Chef der Deutschen Bank eines Tages wegen Prozessbetrugs sogar vor dem Strafrichter landet, wo auch über Rauschgiftdealer und Mörder geurteilt wird. Oder Fraport-Chef Stefan Schulte, dass er wegen Körperverletzung von einem lärmgeplagten Flughafenanwohner angezeigt wird.
Oder Roland Koch, dass sein Wechsel in die Wirtschaft als Chef des Baukonzerns Bilfinger abrupt beendet würde, weil Aufsichtsrat Udo Stark nach mehreren Gewinnwarnungen in Folge an der Eignung des früheren hessischen Ministerpräsidenten für den Top-Management-Posten zweifelte. Vorstände „werden zunehmend für allerlei Misserfolge eines Unternehmens verantwortlich gemacht. Die Bereitschaft, sich von ihnen zu trennen, ist stark gestiegen“, sagt Headhunter Klaus-Peter Gushurst von Strategy&.
Jeder Halbsatz ein Fallstrick
Doch damit nicht genug: Heute müssen Vorstände letztlich bei jedem Halbsatz, den sie schriftlich oder mündlich äußern, mit juristischen Fallen rechnen. Sie sollten unternehmerische Entscheidungen vorab nicht nur auf ihre ökonomischen, sondern vor allem auf ihre juristischen Folgen fürs Unternehmen prüfen lassen. Und sie können nach einer Negativnachricht nicht mehr abgeschottet an einer Pressemitteilung feilen, sondern müssen binnen Minuten reagieren, um einen möglichen Internet-Shitstorm frühzeitig zu unterbinden.
Denn die Front potenzieller Kläger ist gewachsen: Kritische Anteilseigner, Verbraucher und Medien rufen unverzüglich öffentlich den Skandal aus, das Kartellamt ist gegenüber Managern so selbstbewusst wie nie und die Justiz ebenfalls nicht mehr von übertriebener Scheu geplagt, die Herren der Konzernwelt im Zweifel anzugehen. Die Folgen: Manager schweben nicht nur in der Gefahr, das Unternehmen, für das sie arbeiten, in Schieflage zu bringen, sondern auch den privaten Ruin zu riskieren. Und stehen bei all dem unter erhöhtem Wettbewerbsdruck.
Checklisten abhaken
„Statt inhaltlich getriebene, unternehmerische Entscheidungen zu treffen, verbringen manche Vorstände vermehrt ihre Zeit damit, Checklisten abzuhaken, damit alles juristisch abgesichert ist“, sagt Manfred Gentz, Vorsitzender der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex. „Die Gefahr, sich selbst bei einer Entscheidung bei auch nur einer kleinen Pflichtverletzung wirtschaftlich und reputationsmäßig ruinieren zu können, ist heute Vorständen in aller Regel sehr bewusst“.
„Die gestiegene Belastung spürt jeder im Job“, bestätigt der Ex-Chef eines großen Reise-Unternehmens und Multi-Aufsichtsrat. Weniger, weil er sich überlastet fühle. „Sondern weil schnelle Entscheidungen gefragt, aber fast unmöglich sind.“
Oft sichern sich alle Beteiligten durch teure Anwälte- oder Wirtschaftsprüfer-Gutachten ab – damit sie im Zweifelsfall die Schuld weiterreichen können.
„Manchmal werden sogar unsinnige Gutachten bestellt, nur um sich abzusichern. Und dann am besten gleich drei, damit es nicht pari enden kann“, spottet der Vorstand eines MDax-Konzerns, der anonym bleiben will. „Es herrscht eine Rückversicherungsmanie, bei dem jeder Beteiligte ungern etwas riskiert und sich lieber dreifach als doppelt absichert.“
Die erfolgreichsten CEOs börsennotierter Großunternehmen
Unternehmen mit mehr als zwei Milliarden Euro Umsatz.
* die Zahl zeigt an, wie viel Prozent seiner Wettbewerber das Unternehmen 2013 geschlagen hat.
CEO: Bill McDermott & Jim Hageman Snabe
Unternehmen: SAP
Gesamtwertung*: 52%
Gewinnentwicklung*: 78%
Aktienkursentwicklung*: 31%
Umsatzentwicklung*: 49%
(Hageman Snabe bis 31.12.2013)
CEO: René Obermann
Unternehmen: Deutsche Telekom
Gesamtwertung*: 53%
Gewinnentwicklung*: 17%
Aktienkursentwicklung*: 79%
Umsatzentwicklung*: 63%
(CEO bis Mai 2014)
CEO: Georg Müller
Unternehmen: MVV Energie
Gesamtwertung*: 55%
Gewinnentwicklung*: 43%
Aktienkursentwicklung*: 58%
Umsatzentwicklung*: 63%
CEO: Frank Appel
Unternehmen: Deutsche Post
Gesamtwertung*: 57%
Gewinnentwicklung*: 53%
Aktienkursentwicklung*: 84%
Umsatzentwicklung*: 33%
CEO: Elmar Degenhart
Unternehmen: Continental
Gesamtwertung*: 57%
Gewinnentwicklung*: 40%
Aktienkursentwicklung*: 88%
Umsatzentwicklung*: 42%
CEO: Wolfgang Reitzle
Unternehmen: Linde
Gesamtwertung*: 57%
Gewinnentwicklung*: 65%
Aktienkursentwicklung*: 43%
Umsatzentwicklung*: 64%
(CEO bis 31.12.2013)
CEO: Bernd Scheifele
Unternehmen: HeidelbergCement
Gesamtwertung*: 58%
Gewinnentwicklung*: 67%
Aktienkursentwicklung*: 67%
Umsatzentwicklung*: 40%
CEO: Dietmar Meister
Unternehmen: Generali Deutschland
Gesamtwertung*: 58%
Gewinnentwicklung*: 63%
Aktienkursentwicklung*: 76%
Umsatzentwicklung*: 36%
CEO: Eckard Heidloff
Unternehmen: Wincor Nixdorf
Gesamtwertung*: 62%
Gewinnentwicklung*: 59%
Aktienkursentwicklung*: 75%
Umsatzentwicklung*: 51%
CEO: Volker Kronseder
Unternehmen: Krones
Gesamtwertung*: 62%
Gewinnentwicklung*: 79%
Aktienkursentwicklung*: 48%
Umsatzentwicklung*: 60%
CEO: Marcelino Fernández Verdes
Unternehmen: Hochtief
Gesamtwertung*: 63%
Gewinnentwicklung*: 68%
Aktienkursentwicklung*: 74%
Umsatzentwicklung*: 47%
CEO: Ralf Dieter
Unternehmen: Dürr
Gesamtwertung*: 63%
Gewinnentwicklung*: 56%
Aktienkursentwicklung*: 89%
Umsatzentwicklung*: 45%
CEO: Thomas Olemotz
Unternehmen: Bechtle
Gesamtwertung*: 64%
Gewinnentwicklung*: 83%
Aktienkursentwicklung*: 65%
Umsatzentwicklung*: 44%
CEO: Jürg Oleas
Unternehmen: GEA
Gesamtwertung*: 64%
Gewinnentwicklung*: 73%
Aktienkursentwicklung*: 72%
Umsatzentwicklung*: 48%
CEO: Claus-Dietrich Lahrs
Unternehmen: Hugo Boss
Gesamtwertung*: 67%
Gewinnentwicklung*: 71%
Aktienkursentwicklung*: 75%
Umsatzentwicklung*: 54%
CEO: Gerold Linzbach
Unternehmen: Heidelberger Druck
Gesamtwertung*: 72%
Gewinnentwicklung*: 65%
Aktienkursentwicklung*: 76%
Umsatzentwicklung*: 75%
CEO: Rüdiger Kapitza
Unternehmen: DMG Mori Seiki
Gesamtwertung*: 74%
Gewinnentwicklung*: 86%
Aktienkursentwicklung*: 76%
Umsatzentwicklung*: 62%
CEO: Thomas Ebeling
Unternehmen: ProSiebenSat.1
Gesamtwertung*: 75%
Gewinnentwicklung*: 57%
Aktienkursentwicklung*: 90%
Umsatzentwicklung*: 79%
CEO: Christoph Vilanek
Unternehmen: Freenet
Gesamtwertung*: 78%
Gewinnentwicklung*: 70%
Aktienkursentwicklung*: 80%
Umsatzentwicklung*: 83%
CEO: Ralph Dommermuth
Unternehmen: United Internet
Gesamtwertung*: 89%
Gewinnentwicklung*: 86%
Aktienkursentwicklung*: 91%
Umsatzentwicklung*: 89%
Quelle: Obermatt
Die Angst unter Aufsichtsräten, haftbar gemacht zu werden
Bereits bevor eine Entscheidung im Vorstand beraten wird, werden viel mehr Beteiligte aus allen möglichen Fachgebieten eingebunden als früher. Grund ist aber weniger der Zwang zur betrieblichen Mitbestimmung oder gar der Wunsch, ein Potpourri an Meinungen in eine möglichst abgewogene Entscheidung einfließen zu lassen. Sondern die Angst, vor allem unter Aufsichtsräten, haftbar gemacht zu werden, weil sie nicht jeden Gesichtspunkt berücksichtigt haben. Etwa ob Manager in die eigene Tasche gewirtschaftet haben könnten. Hinzu kommen Investoren oder Aufsichtsräte, die am Ende mehr an kurzfristige Erfolge und ihre eigene Karriere denken als an das langfristige Wohl des Unternehmens. „Jeder hält uns die schlanken Prozesse der Mittelständler als leuchtendes Beispiel vor die Nase, fordert schnelle und unternehmerische Entscheidungen“, bestätigt der Ex-Vorstandschef aus der Reisebranche. „Aber nur, wenn er selbst kein Risiko damit eingeht.“
Dabei sind Vorstände eher Typen mit Chuzpe, die sich nicht mit Selbstzweifeln plagen, hart im Nehmen wie im Austeilen sind. Ängste? „Nie“, antwortete Ex-Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke mal. Jemals ans Hinwerfen denken? „Nein.“ Oder, wie Ex-Bahn-Chef Mehdorn seine Rolle als Vorstandschef sieht: bewusst „Angriffsflächen bieten, damit einer die Pfeile auf sich zieht und die anderen ungestört arbeiten könnten“.
Ungebührlicher Druck
Gelegentlich erwachse daraus dennoch persönliche Überforderung, sagt Personalberater Klaus Aden, Chef von Lab & Company. So war es auch im Fall des Finanzvorstands des Schweizer Versicherers Zurich, Pierre Wauthier im August 2013. Der Schweizer beging im Alter von 53 Jahren Selbstmord und warf seinem Vorgesetzten, dem Verwaltungsratspräsidenten und Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, in seinem Abschiedsbrief vor, er habe ihn unter ungebührlichen Druck gesetzt und ein unerträgliches Arbeitsklima geschaffen. Es hatte einen Streit zwischen beiden um eine Formulierung im Quartalsbericht gegeben, bei dem sich Ackermann per Anweisung durchgesetzt hatte. Nach Wauthiers Freitod attackierte seine Familie Ackermann heftig. Der trat, wenn auch ohne Schuld einzugestehen, von seinem Posten zurück.
„Aufsichtsräte haben eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen“, sagt Wirtschaftsstrafverteidiger Jürgen Wessing. „Sie müssen den Vorstand überwachen – je mehr Anhaltspunkte sie haben, dass der Vorstand überfordert ist oder die Gesellschaft in eine Krise gerät, umso höher ist ihre Überwachungspflicht.“
Gestiegener Arbeitseinsatz der Aufsichtsräte
Entsprechend gestiegen ist der Arbeitseinsatz der Aufsichtsräte: Hatten sich viele Kontrolleure selbst mit Mandaten für Dax-30-Konzerne früher oft erst auf der Fahrt zur Aufsichtsratssitzung vorbereitet, sind sie mit ihren Aufgaben heute zweieinhalb Monate im Jahr befasst, schätzt Gesellschaftsrechtler Hans-Ulrich Wilsing von der Kanzlei Linklaters.
Das gilt umso mehr für Aufsichtsräte, die auch Anteile am Unternehmen halten. Beim Technologiekonzern SGL Carbon etwa mischt sich der Aufsichtsrat stark ein, seit Quandt-Erbin und SGL-Carbon-Mehrheitseignerin Susanne Klatten in das Gremium als Vorsitzende eingezogen ist. Sehr schnell reduzierte die BMW-Großaktionärin den Vorstand des Carbonherstellers von fünf auf drei Mitglieder und senkte die Vorstandsgehälter.
Bei welchen Entscheidungen Vorstände und Aufsichtsräte nicht für Unternehmensschäden haften müssen
Vorstände und Aufsichtsräte müssen nicht für Unternehmensschäden haften, wenn eine unternehmerische Entscheidung vorliegt, die durch Prognosen und damit durch nicht justiziable Einschätzungen gekennzeichnet ist.
Vorstände und Aufsichtsräte müssen nicht für Unternehmensschäden haften, wenn sie auf der Grundlage angemessener Information getroffen wurden. Eine rein formale Absicherung durch Einholung externen Rats reicht nicht.
Vorstände und Aufsichtsräte müssen nicht für Unternehmensschäden haften, wenn sie die Ertragskraft des Unternehmens langfristig stärken und dessen Wettbewerbsfähigkeit sichern wollten. Dies trifft nicht zu, wenn mit der Entscheidung in völlig unverantwortlicher Weise Risiken falsch bewertet und eingegangen werden.
Vorstände und Aufsichtsräte müssen nicht für Unternehmensschäden haften, wenn sie mit der Entscheidung keine eigenen Interessen verfolgt haben.
Vorstände und Aufsichtsräte müssen nicht für Unternehmensschäden haften, wenn der Vorstand in gutem Glauben gehandelt hat – also die Informationsgrundlage nicht evident unzureichend und die Entscheidung nicht objektiv vollkommen unvernünftig und damit offensichtlich ungeeignet war, um das Wohl der Gesellschaft zu fördern.
Operative Vorgaben
Vor allem aber versorgt der SGL-Aufsichtsrat seinen Vorstand mit sehr expliziten operativen Vorgaben: Renditeziele gibt es nicht nur für den Gesamtkonzern, sondern auch für einzelne Produkte. Das eingesetzte Kapital soll sich um stolze 15 Prozent verzinsen – gemessen am Betriebsergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen. „Heute“, bestätigt SGL-Vorstandsvorsitzender Jürgen Köhler, „muss ein Aufsichtsrat schon allein aus Haftungsgründen viel mehr Fragen an das Unternehmen stellen.“
Eine Angst, die für Kontrollgremium wie operative Spitze gilt: Machen Vorstände teure Fehler, haben sie im Hinterkopf, dass sie persönlich zur Kasse gebeten werden. Sehen Aufsichtsräte Fehlern der Vorstände tatenlos zu und verlangen keinen Schadensersatz vom eigenen Management, haften sie selbst.
Haftungsfragen gegen den Vorstand
„Ich werde täglich auf ein Haftungsthema aufmerksam gemacht – entweder von Finanzvorständen oder unseren Anwälten“, erzählt der Vorstandschef eines MDax-Unternehmens. Bei Gerichten seien rund 6000 Prozesse gegen Manager anhängig, rechnet Michael Hendricks, Chef der Spezialberatung für Managerhaftpflichtversicherungen (D & O) Hendricks & Co vor. Dazu kommen die Fälle, die als Schadensfälle nur Versicherern gemeldet sind. Bei zwei bis drei Beteiligten je Fall sind also rund 20 000 Manager derzeit Schadensersatzforderungen ausgesetzt, so Hendricks (siehe WirtschaftsWoche 50/2013). Die Auseinandersetzungen finden meist hinter verschlossenen Türen statt, um keine Imageschäden zu riskieren.
Vorbei sind die Zeiten, in denen ein Aufsichtsrat Haftungsfragen gegen den Vorstand nicht intensiv anging und die Hauptversammlung einband so wie bei Jürgen Schrempp damals bei DaimlerChrysler. Der Vorstandschef hatte durch eine Äußerung vor der Presse, die Fusion mit Chrysler sei tatsächlich eine Übernahme gewesen, dem Konzern einen Schaden von 300 Millionen Dollar eingebrockt, wovon die Managerhaftpflichtversicherer 2007 nur 168 Millionen Euro übernahmen. Gegen Schrempp ging Daimler nicht vor. Der Aufsichtsrat hatte von zwei Kanzleien die Frage von Schrempps Haftung per Rechtsgutachten klären lassen und entschied, keine Entschädigung von ihm zu fordern. Wer die Kanzleien waren, wird nicht preisgegeben. Auf der Tagesordnung der Hauptversammlung landete der Vergleich mit den Versicherern nicht.
Jeder gegen Jeden
Inzwischen heißt es auf Deutschlands Chefetagen dagegen: Jeder gegen jeden. Niemand will auf einem Schaden sitzen bleiben, der Übeltäter muss gefunden werden – und wenn es nur darum geht, auf dem Wege an die Versicherungssumme der Managerhaftpflichtversicherung zu kommen.
Jüngstes Beispiel: der Schienenkartellfall. Lieferanten von Eisenbahnschienen wie ThyssenKrupp, Moravia Steel, Voestalpine oder Stahlberg Roensch – heute zum Vossloh-Konzern gehörend – hatten viele Jahre lang illegale Preisabsprachen getroffen. Man traf sich bis zu 20 Mal im Jahr unter Tarnnamen wie „Zahnlücke“, „HB-Männchen“ oder „Schnuffi“. Die Absprachen wurden publik, als Voestalpine sie dem Bundeskartellamt offenbarte, Millionenstrafen waren die Folge. 14 Beschuldigte inklusive Ex-Manager wurden von der Staatsanwaltschaft angeklagt.
Nachdem ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger verkündet hatte, Vergehen von Mitarbeitern nicht zu tolerieren, verklagte der Stahlkonzern prompt Uwe Sehlbach, damals Bereichsvorstand und Spartenchef der konzerneigenen Tochtergesellschaft GfT Gleistechnik. Er soll seinem langjährigen Arbeitgeber 193 Millionen Euro Schadensersatz leisten – für die 191-Millionen-Euro-Buße, die der Konzern ans Bundeskartellamt zahlen musste zuzüglich Folgekosten wie Anwaltshonorare.
Ein Unternehmen kann sich Kartellbußen nicht von Mitarbeitern erstatten lassen
Die Gerichte aber ließen ThyssenKrupp in den ersten beiden Instanzen abblitzen: Kartellbußen könne sich ein Unternehmen nicht von Mitarbeitern erstatten lassen – die Höchstgrenze für persönliche Kartellstrafen liegt bei einer Million Euro. Was ThyssenKrupp nicht davon abhielt, vor wenigen Tagen weitere 100 Millionen Euro von Sehlbach zu fordern. Die wiederum muss der Stahlriese der Deutschen Bahn für den Verkauf überteuerter Schienen erstatten.
„Die Anforderungen an die Kontrollpflichten von Vorständen sind deutlich gestiegen“, sagt Kartellrechtsexpertin Daniela Seeliger von der Großkanzlei Linklaters. Sobald im Konzern ein Verdacht von Preisabsprachen mit Wettbewerbern oder eine Kundenbeschwerde beim Bundeskartellamt aufschlägt, wird die Sache zur Vorstandssache. Die Folge: Es werden Geschäftsräume untersucht, Computer beschlagnahmt, Bücher unter die Lupe genommen. Dem einzelnen Vorstand bleibt in einem solchen Fall kaum mehr Zeit, sich um andere Projekte oder mittelfristige strategische Fragen zu kümmern – die Untersuchungen des Kartellamts ziehen sich oft über Jahre.
Vorstände gegen Aufsichtsräte und gegen Vorstände
Häufige Folge dieser zermürbenden Situation: Statt an einem Strang zu ziehen und sich auf die Beantwortung von Sachfragen zu konzentrieren, schauen sich vor allem auch Vorstände und Aufsichtsräte gegenseitig auf die Finger: Der Aufsichtsrat lässt den Compliance-Vorstand antreten und beauftragt meist eine Kanzlei mit der Aufarbeitung der Vorfälle – in der Regel eine andere als der Vorstand. Nicht selten entfachte das ein internes Hauen und Stechen – gerne auch mithilfe eigener Berater. Schließlich haftet der Vorstand im Falle eines Urteils durchs Kartellamt als Gemeinschaftsorgan.
Ob individuell verwickelt oder unschuldig – jeder Vorstand muss gegebenenfalls mit seinem Privatvermögen für die Fehler der Kollegen geradestehen. Und das eröffnet in vielen Fällen noch eine ganz neue Front: Es heißt dann nicht mehr nur Vorstand gegen Öffentlichkeit, Vorstand gegen Aufsichtsrat oder Vorstand gegen Justiz.
Es heißt dann auch noch: Vorstand gegen Vorstand.