
Als Freund unverblümter Äußerungen ist er ohnehin bekannt. Doch kurz vor Weihnachten wandte sich Hartmut Mehdorn mit Aussagen an die Öffentlichkeit, die selbst für seine Verhältnisse ungewöhnlich deutlich waren: Eine „Inquisition“ veranstalte der Aufsichtsrat des Flughafens BER. Es regiere eine „Misstrauenskultur“, warf der Vorstandschef den Eigentümern des Skandalflughafens in einem zweiseitigen Brief vor.
„Ihren Hinweis auf einen guten Geist und gute Zusammenarbeit empfinden wir als Zynismus und völlige Unkenntnis des Unternehmens und seiner angespannten Lage“, zitiert die „Bild am Sonntag“ aus dem Schreiben Mehdorns, der kurz darauf im „Tagesspiegel“ noch mal nachlegte: „Ein Aufsichtsrat muss Vertrauen in seine Geschäftsführung haben. Entweder er traut seiner Geschäftsleitung, oder er sucht sich eine neue. Dazwischen gibt es nichts.“ Es blieb wohl beim Wunsch – wenige Tage später kündigte Mehdorn.
Mitleid mit dem Mauler Mehdorn wäre vermutlich verfehlt, schließlich stand er ob seiner Performance und seines Führungsstils oft in der Kritik – sei es als Vorstandschef von Deutscher Bahn und Air Berlin oder als vermeintlicher Retter des Mammutprojekts Flughafen Berlin.
Zudem die Ergebnisse seines Schaffens nicht durchweg in einem günstigen Verhältnis zu den üppigen Gagen standen, die Mehdorn in der Regel einstrich. Dennoch lässt sich am Verhältnis von Mehdorn zu seinen Berliner Aufsichtsräten nachzeichnen, was viele Top-Manager bewegt: Der Job an der Spitze von Konzernen wird ungemütlicher.
Arbeitsrecht für Vorstände
Geldwerte Vorteile – wie Flüge im Firmenjet – immer vorab durch den Aufsichtsrat bestätigen lassen. Egal, wie niedrig die Summe ist. Ansonsten droht die Enthebung aus dem Vorstandsamt aus wichtigem Grund sowie die fristlose Kündigung des Arbeitsvertrags.
Vorstände sind zu unbedingter Offenheit gegenüber ihrem Aufsichtsrat verpflichtet und sollten stets jeder ihrer Informations- und Mitteilungspflichten nachkommen.
Wer seinen Geschäftsbereich nicht genau definieren lässt, kann für Aufgaben herangezogen werden, die seiner Qualifikation nicht entsprechen. Folge: Das Scheitern wird provoziert. Ebenso wichtig ist, dass man innerhalb seiner eigenen Ressortzuständigkeit tätig bleibt und nicht in das Ressort von Vorstandskollegen eingreift oder dass man andere zuständige Gesellschaftsorgane einbindet. Sonst kann es zur fristlosen Kündigung kommen.
Wer die wechselseitige Überwachungspflicht auf die leichte Schulter nimmt, dem droht Haftung auch für die Fehler der Vorstandskollegen und die fristlose Kündigung. Regelmäßige Jour-fixe-Termine schaffen Überblick.
Will man Vorstände ohne hohe Abfindungszahlungen loswerden, gibt es nur einen Hebel, der auch in jedem dritten Fall funktioniert: Weil jene viel länger und häufiger reisen, rund um die Uhr im Job sind und nur noch wenig Freizeit haben, wird’s mit der Grenzziehung zwischen Privatem und Job oft schwierig. Top-Manager denken irgendwann, sie sind die Firma und entwickeln ein gefährliches Selbstverständnis. Beim geringsten Zweifel: Lieber die Rechnung privat zahlen, gar nicht erst eine Angriffsfläche bieten.
Weil die normale Berufsrechtsschutzversicherung nur den Arbeits-, nicht aber den Vorstandsvertrag abdeckt und in einem Rechtsstreit schnell mittlere fünfstellige Beträge zusammenkommen, bevor die Klage überhaupt zugestellt wird, sollten Vorstände eine Manager-Rechtschutzversicherung abschließen. Ebenfalls zu empfehlen: eine Vorstandsversicherung gegen Strafrechtsschäden.
Compliance-Regelungen machen immer ausgefeiltere Kontrollsysteme nötig, die regelmäßig weiterentwickelt und überwacht werden müssen. Sonst droht wegen einer Pflichtverletzung die außerordentliche Kündigung. Oder – wie im Falle des Ex-Siemens-Vorstands Neubürger – eine Millionen-Schadensersatzforderung, wenn kein Whistleblowing-System eingerichtet wird.
Scheinbar kleine Verstöße – etwa keine ausreichende Zustimmung durch den Aufsichtsrat oder geringfügige Handlungen außerhalb der Geschäftsordnung einzuholen – können schwere Konsequenzen haben: sofortige Abberufung des Vorstands und fristlose Kündigung seines Anstellungsvertrags.
Nur wer jederzeit die nötigen Unterlagen zur Hand hat, kann den Vorwurf von Pflichtverletzungen rasch entkräften.
Betriebsrat und Sprecherausschuss können langfristig wichtige Verbündete zur Absicherung der eigenen Position sein.
Gestiegener Druck für Vorstände und Aufsichtsräte
Insbesondere das Verhältnis zwischen Vorständen und Aufsichtsräten verkompliziert sich: Die einen fühlen sich von immer mehr Anfragen nach Zahlen und Fakten, von Eingriffen ins Tagesgeschäft oder juristischer Bevormundung in die Enge getrieben. Die anderen sehen nur, dass sich ihre Aufsichtspflichten verschärft haben – und glauben, entsprechend handeln zu müssen.
Die Folge: Bei einer Panel-Befragung exklusiv für die WirtschaftsWoche von der Personalberatung Lab & Company bestätigten 94 Prozent der Vorstände den gestiegen Druck durch zunehmende Haftungsrisiken. Mehr als jeder zweite beklagte höheren Druck von Aufsichtsräten.
Der Druck auf Vorstände steigt auch, weil Banken Kredite an Unternehmen restriktiver vergeben. Letztere mussten daher verstärkt über Kapitalerhöhungen neue Aktien verkaufen oder durch Anleihen Kredit aufnehmen. Schwankt der Preis dieser börsennotierten Wertpapiere stark, bringt das Manager gegenüber Aktionären schnell in Erklärungsnot.
„Der Kapitalmarkt bewertet ein Unternehmen permanent, der Druck auf das Management hat erheblich zugenommen“, sagt Ingo Speich, der als Fondsmanager bei Union Investment mit vielen Dax-Größen zu tun hat.
Darauf sollten Sie im Arbeitsvertrag achten
Die meisten Arbeitgeber sträuben sich dagegen, Aufgaben vertraglich festzuhalten, weiß Arbeitsrechtsexperte Marc Repey: „Wenn der Arbeitgeber sich flexibel halten will, wird er das nicht definieren wollen.“ Oder er setzt eine allgemeine Formulierung durch, die ihm viel Spielraum lässt. Ansonsten hilft dem Arbeitgeber auch die sogenannte Versetzungsklausel, um dem Mitarbeiter trotzdem neue Funktionen zuzuweisen oder alte zu entziehen.
Um die Funktion oder den Einsatzort von Mitarbeitern zu ändern, braucht es die Versetzungsklausel. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht, Marc Repey, empfiehlt, diese weder zu verändern noch sie aus dem Vertrag streichen zu lassen. Denn eine individuelle Änderung der Verlagsklausel erschwert es Arbeitnehmern, erfolgreich vor Gericht gegen eine Versetzung vorzugehen. Nach einer beidseitigen Aushandlung gelten schließlich nicht mehr die gesetzlichen Regelungen für allgemeine Geschäftsbedingungen, die den Arbeitnehmern in der Regel in die Hände spielen. Eine Streichung der Versetzungsklausel durchzusetzen, ist jedoch auch keine Lösung, da sich das bei betriebsbedingten Kündigungen rächen kann. „Die Arbeitgeber muss die Versetzung dann als milderndes Mittel einsetzen, bevor es zur Kündigung kommt“, erklärt Repey. Eine andere Stelle ist schließlich besser, als seinen Job zu verlieren.
Sonderzahlungen sind immer ein großes Streitthema, weiß Arbeitsrechtsexperte Marc Repey. Diese werden in Verträgen in einer Klausel über das Fixgehalt, sowie einer zusätzlichen variablen Vergütung, festgehalten. Damit keine Unklarheiten entstehen, sollten Arbeitgeber und Angestellte zu Beginn jeden Jahres eine Zielvereinbarung treffen. „Dabei sollte sich niemand auf eine mündliche Zusage verlassen, sondern die Zielvereinbarung schriftlich festhalten“, rät Repey. Darin sollten beide Seiten auch bestimmen, wie hoch die Prämie jeweils ausfällt, wenn der Mitarbeiter einen gewissen Prozentsatz des Ziels erreicht hat. Manche Chefs schieben diese Zielvereinbarung jedoch gerne auf die lange Bank und lassen sie unter den Tisch fallen. Dann müssen Mitarbeiter dran bleiben und ihr Nachhaken schriftlich festhalten, rät Rechtsanwalt Sebastian Frahm von der Stuttgarter Kanzlei Naegele: „Sollte es am Ende trotzdem nicht zur Zielvereinbarung kommen, bekommen die Mitarbeiter dann 100 Prozent der Prämie.“
Jeder Mitarbeiter hat einen Anspruch auf eine betriebliche Altersvorsorge. Diese sollte er auch wahrnehmen, sagt Anwalt Marc Repey. „Indem der Arbeitgeber einen Teil des Gehalts für die Altersvorsorge zurück behält sinkt, das Bruttogehalt und somit auch die Steuern, die darauf zu zahlen sind“, erklärt Repey. Zwar werden die eingesparten Steuern später bei der Auszahlung im Rentenalter fällig - allerdings fallen sie dann niedriger aus. „Der Vorteil liegt darin, dass Pensionäre niedriger besteuert werden.“
Der gesetzliche Kündigungsschutz gilt erst nach sechs Monaten – ob eine Probezeit vereinbart wird, ist dabei egal. „Das ist vielen Menschen nicht klar“, sagt Rechtsanwalt Marc Repey. In den ersten sechs Monaten beträgt die gesetzliche Kündigungsfrist zwei Wochen, nach sechs Monaten sind es vier Wochen. Anders sieht es aus, wenn Firma und Arbeitnehmer vertraglich andere Fristen vereinbart haben.
Wer vor Dienstantritt seinen Job verliert, steht mit leeren Händen da. „Wir empfehlen unseren Mandanten das vertraglich auszuschließen“, sagt Marc Repey von der Kanzlei Abeln. Ein Schlupfloch haben Arbeitgeber dann allerdings trotzdem noch, um frisch eingestellte schnell wieder los zu werden: Sie können Mitarbeitern schlichtweg am ersten Tag kündigen, mit der jeweiligen Kündigungsfrist.
Das Wettbewerbsverbot besagt, dass ein Arbeitnehmer nicht auch bei einem Konkurrenten arbeiten darf. Solange der Arbeitsvertrag läuft, unterliegt jeder Angestellter gesetzlich automatisch diesem Regelung. In manchen Verträgen schreiben Arbeitgeber auch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vor. „Das bedeutet jedoch eine starke Einschränkung für den Arbeitnehmer und ist an viele gesetzliche Auflagen geknüpft“, sagt der Fachanwalt für Arbeitsrecht, Marc Repey. So darf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot höchstens zwei Jahre gelten und der Arbeitgeber muss seinem Ex-Angestellten solange monatlich eine sogenannte Karenzentschädigung zahlen. Diese beträgt die Hälfte der alten Vergütung.
Die Freistellungklausel besagt, dass der Chef den Mitarbeiter nach Hause schicken kann und das Gehalt weiter zahlt. Das geschieht meist, nachdem der Chef eine Kündigung ausgesprochen hat, sagt der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht, Sebastian Frahm: „Die meisten Arbeitgeber möchten, dass Mitarbeiter ihre Urlaubsansprüche in der Freistellungsphase abbauen.“ Wenn Chefs ihre Mitarbeiter ohne Kündigung freistellen, dann meist um sie schlichtweg aus dem Unternehmen zu ekeln. Dann hält der Berliner Rechtsanwalt Marc Repey die Freistellungsklausel für unwirksam: „Jeder hat das Recht, außer Geld zu verdienen, auch zu arbeiten und sich selbst zu verwirklichen.“ Schließlich bewirbt sich niemand in einem Unternehmen um letztlich gar nichts zu machen. Zudem schädigen Freistellungen den Ruf bei Kollegen und Kunden. „Jemand muss sich schon wie die Axt im Walde benommen haben, um eine Freistellung zu rechtfertigen“, sagt Repey.
Eine Ausschlussfrist besagt, dass Mitarbeiter ihre Ansprüche aus einem ausgelaufenen Vertrag ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr geltend machen können - sie also ausgeschlossen sind. Wem also nach einer Kündigung noch Geld zusteht, sollte die Ausschlussfristen im Blick haben.
Prozessbetrug, Körperverletzung, fehlende Eignung?
Nie hätte sich ein Jürgen Fitschen träumen lassen, dass er als Co-Chef der Deutschen Bank eines Tages wegen Prozessbetrugs sogar vor dem Strafrichter landet, wo auch über Rauschgiftdealer und Mörder geurteilt wird. Oder Fraport-Chef Stefan Schulte, dass er wegen Körperverletzung von einem lärmgeplagten Flughafenanwohner angezeigt wird.
Oder Roland Koch, dass sein Wechsel in die Wirtschaft als Chef des Baukonzerns Bilfinger abrupt beendet würde, weil Aufsichtsrat Udo Stark nach mehreren Gewinnwarnungen in Folge an der Eignung des früheren hessischen Ministerpräsidenten für den Top-Management-Posten zweifelte. Vorstände „werden zunehmend für allerlei Misserfolge eines Unternehmens verantwortlich gemacht. Die Bereitschaft, sich von ihnen zu trennen, ist stark gestiegen“, sagt Headhunter Klaus-Peter Gushurst von Strategy&.