Einsame Spitze Höllenjob Vorstand

Steigende Haftungsrisiken, Rendite-Erwartungen und Beobachtung durch die Öffentlichkeit erhöhen den Druck auf Vorstände und Aufsichtsräte. Nicht immer zum Wohl der Unternehmen.

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Hartmut Mehdorn Quelle: dpa

Als Freund unverblümter Äußerungen ist er ohnehin bekannt. Doch kurz vor Weihnachten wandte sich Hartmut Mehdorn mit Aussagen an die Öffentlichkeit, die selbst für seine Verhältnisse ungewöhnlich deutlich waren: Eine „Inquisition“ veranstalte der Aufsichtsrat des Flughafens BER. Es regiere eine „Misstrauenskultur“, warf der Vorstandschef den Eigentümern des Skandalflughafens in einem zweiseitigen Brief vor.

„Ihren Hinweis auf einen guten Geist und gute Zusammenarbeit empfinden wir als Zynismus und völlige Unkenntnis des Unternehmens und seiner angespannten Lage“, zitiert die „Bild am Sonntag“ aus dem Schreiben Mehdorns, der kurz darauf im „Tagesspiegel“ noch mal nachlegte: „Ein Aufsichtsrat muss Vertrauen in seine Geschäftsführung haben. Entweder er traut seiner Geschäftsleitung, oder er sucht sich eine neue. Dazwischen gibt es nichts.“ Es blieb wohl beim Wunsch – wenige Tage später kündigte Mehdorn.

Mitleid mit dem Mauler Mehdorn wäre vermutlich verfehlt, schließlich stand er ob seiner Performance und seines Führungsstils oft in der Kritik – sei es als Vorstandschef von Deutscher Bahn und Air Berlin oder als vermeintlicher Retter des Mammutprojekts Flughafen Berlin.

Zudem die Ergebnisse seines Schaffens nicht durchweg in einem günstigen Verhältnis zu den üppigen Gagen standen, die Mehdorn in der Regel einstrich. Dennoch lässt sich am Verhältnis von Mehdorn zu seinen Berliner Aufsichtsräten nachzeichnen, was viele Top-Manager bewegt: Der Job an der Spitze von Konzernen wird ungemütlicher.

Arbeitsrecht für Vorstände

Gestiegener Druck für Vorstände und Aufsichtsräte

Insbesondere das Verhältnis zwischen Vorständen und Aufsichtsräten verkompliziert sich: Die einen fühlen sich von immer mehr Anfragen nach Zahlen und Fakten, von Eingriffen ins Tagesgeschäft oder juristischer Bevormundung in die Enge getrieben. Die anderen sehen nur, dass sich ihre Aufsichtspflichten verschärft haben – und glauben, entsprechend handeln zu müssen.

Die Folge: Bei einer Panel-Befragung exklusiv für die WirtschaftsWoche von der Personalberatung Lab & Company bestätigten 94 Prozent der Vorstände den gestiegen Druck durch zunehmende Haftungsrisiken. Mehr als jeder zweite beklagte höheren Druck von Aufsichtsräten.

Der Druck auf Vorstände steigt auch, weil Banken Kredite an Unternehmen restriktiver vergeben. Letztere mussten daher verstärkt über Kapitalerhöhungen neue Aktien verkaufen oder durch Anleihen Kredit aufnehmen. Schwankt der Preis dieser börsennotierten Wertpapiere stark, bringt das Manager gegenüber Aktionären schnell in Erklärungsnot.

„Der Kapitalmarkt bewertet ein Unternehmen permanent, der Druck auf das Management hat erheblich zugenommen“, sagt Ingo Speich, der als Fondsmanager bei Union Investment mit vielen Dax-Größen zu tun hat.

Darauf sollten Sie im Arbeitsvertrag achten

Prozessbetrug, Körperverletzung, fehlende Eignung?

Nie hätte sich ein Jürgen Fitschen träumen lassen, dass er als Co-Chef der Deutschen Bank eines Tages wegen Prozessbetrugs sogar vor dem Strafrichter landet, wo auch über Rauschgiftdealer und Mörder geurteilt wird. Oder Fraport-Chef Stefan Schulte, dass er wegen Körperverletzung von einem lärmgeplagten Flughafenanwohner angezeigt wird.

Oder Roland Koch, dass sein Wechsel in die Wirtschaft als Chef des Baukonzerns Bilfinger abrupt beendet würde, weil Aufsichtsrat Udo Stark nach mehreren Gewinnwarnungen in Folge an der Eignung des früheren hessischen Ministerpräsidenten für den Top-Management-Posten zweifelte. Vorstände „werden zunehmend für allerlei Misserfolge eines Unternehmens verantwortlich gemacht. Die Bereitschaft, sich von ihnen zu trennen, ist stark gestiegen“, sagt Headhunter Klaus-Peter Gushurst von Strategy&.

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