Psychiater Lammers geht sogar noch weiter. Er glaubt, dass sehr selbstbewusste Chefs sogar bei vielen Mitarbeitern gut ankommen, weil sie den Angestellten Sicherheit vermitteln. Das gilt umso mehr in Zeiten, in denen die Digitalisierung ganze Branchen umkrempelt und weltweite Krisen Wachstumsprognosen infrage stellen. „Vorgesetzte, die offen selbstkritisch, nachdenklich oder gar zögerlich agieren, kommen deshalb bei den Mitarbeitern oftmals nicht gut an.“
Dieses Kalkül scheint auch im Kampf um die Kandidatur für die US-Präsidentschaft aufzugehen. Deutsche Beobachter staunen, wenn Immobilienunternehmer Donald Trump vollmundig verkündet, der großartigste Präsident zu werden, den Gott je gesehen habe. Im eigenen Lager kommen die Sprüche des Republikaners gut an. Einer Umfrage zufolge liegt er mit 32 Prozent der Stimmen derzeit vor seinen parteiinternen Konkurrenten. Ob das Verhalten arrogant ist, liegt also nicht am Absender – sondern auch an der Interpretation des Empfängers.
Die 1978 verstorbene Ethnologin Margaret Mead stellte schon in einer Studie in den Fünfzigerjahren fest, dass Briten Amerikaner häufig für Angeber halten. Umgekehrt gelten die Briten bei Amerikanern als hochnäsig. Mead erklärte diese Beobachtung damit, dass US-Jugendliche von Beginn an lernen, ihre Erfolge stolz zu präsentieren. Briten hingegen pflegen das Understatement.
Souveränes Auftreten oder Arroganz?
Im Büro gibt es zwangsläufig solche Missverständnisse, auch ohne kulturelle Unterschiede. „Je weniger Selbstvertrauen der Empfänger hat, umso eher wird er das Verhalten des Senders als arrogant beurteilen“, sagt Frey. Ein selbstbewusster Ansprechpartner interpretiere überhebliches Verhalten vielleicht sogar als souverän, weil er sich davon nicht bedroht fühle.
Wo sich Alphamännchen und -weibchen auf der Arroganzskala befinden, hängt also stark von der Firmenkultur ab. Große Unternehmensberatungen etwa rekrutieren bevorzugt jene Nachwuchselite, die diesen Anspruch auch selbst vor sich herträgt und beim Kunden von Anfang an durch souveränes Auftreten punktet. Würde jemand mit diesem Ego in einer Pflegeeinrichtung anheuern, hätte er schnell den Ruf des arroganten Fatzkes.
Gemeinschaftsgefühl und Zielorientierung gegen Rangkämpfe
Denn dort dominieren Frauen das Geschehen. Sie setzen tendenziell eher auf Gemeinschaftsgefühl und Zielorientierung, während es in der von Männern geprägten Wirtschaft meist um Rangkämpfe geht – zumindest zwischen den Zeilen. Wer in dieser Umgebung nicht regelmäßig demonstriert, dass er mehr drauf hat als der Rest, verliert Ansehen.
Das hat auch der Unternehmensberater Peter Modler erkannt und bietet Arroganz-Trainings für Frauen an. Er hält „situative Arroganz“ für ein legitimes Instrument, um sich beim Gegenüber Gehör zu verschaffen. Das beginnt schon beim Betreten des Konferenzraums: „Verstehen Sie ihn als Bühne. Bleiben Sie kurz stehen, begrüßen Sie die Leute mit fester Stimme.“ Außerdem sollte man permanent den eigenen Rang verdeutlichen, auch wenn es gerade Frauen lächerlich erscheint. Die Machtverhältnisse müssten immer klar sein.