Erfolgreiche Anwälte Champagner ist sein zweiter Vorname

Keiner betreut mehr Milliardendeals in Deutschland als Anwalt Maximilian Schiessl. Gerade mischt er bei Linde und Praxair mit. Was den unorthodoxen Juristen und Deutschlands erfolgreichsten Deal-Maker auszeichnet.

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Maximilian Schiessl, Deutschlands erfolgreichster Deal-Maker. Quelle: David Klammer für WirtschaftsWoche

Obwohl Maximilian Schiessl dem Wachmann an der Schranke seine Parkerlaubnis zeigte, verweigerte dieser dem Anwalt die Zufahrt zum Sonderparkplatz bei der Hauptversammlung des Krupp-Konzerns. Wer mit einem älteren kleinen Golf ankomme, gehöre nicht zu den Limousinen der Vorstände. Der Düsseldorfer M&A-Anwalt von der Kanzlei Hengeler Mueller, den der Vorstand seinerzeit für die Fusion mit Hoesch angeheuert hatte, lacht noch heute, 25 Jahre später, darüber: „Mein alter Golf war legendär.“ Und seine Automarotte bewegt immer noch die Gemüter seiner Freunde. Anwälte berichten, dass er monatelang mit abgebrochenem Rückspiegel herumfuhr, der nur mit Klebeband notdürftig befestigt war. Als der Golf dann verreckte, kaufte Schiessl ein Jaguar-Cabrio, das der 56-Jährige heute im 17. Jahr fährt; gerne bei jeder Temperatur mit offenem Verdeck. Das alte Auto auszutauschen gegen jüngere Modelle ist für ihn keine Option. Ebenso wenig wie ein Ersatz für den alten Lederkoffer seines Großvaters, mit dem er bei seinen Mandanten aufkreuzte und in dem er neben Akten auch gleich sein Nachtzeug verstaute.

Die größten Fusionen und Übernahmen weltweit nach Transaktionsvolumen

Schiessl braucht keine Rücksicht auf Gepflogenheiten oder das Gerede der anderen nehmen. Als Rainmaker bei Hengeler – „Regenmacher“ nennt man die Umsatzbringer in Kanzleien – zählt Schiessl zu den Topleuten seiner Branche: Kollegen nennen ihn neben Ralph Wollburg von Linklaters und Schiessls Partner Hans-Jörg Ziegenhain als einen der Top Drei der deutschen M&A-Anwälte. Bei den Übernahmen der Aktiengesellschaften über die vergangenen zehn Jahre steht Schiessl mit knapp 78 Milliarden Euro Transaktionsvolumen im Ranking des Analyseunternehmens Mergermarket an der Spitze. Die Liste der Industrienamen, die ihn bei Firmendeals beauftragen, ist lang. Aktuell steht Linde darauf, das mit US-Konkurrent Praxair fusionieren will. Gelänge der Deal, käme Schiessl auf mehr als 100 Milliarden Transaktionsvolumen. Auch der französische Autokonzern PSA hat beim Kauf von Opel Schiessl angeheuert.

Mit der "Bunten" beim Italiener

Schiessls Durchbruch waren Transaktionen wie die Daimler/Chysler-Fusion, die Schaeffler-Übernahme von Continental oder die Voicestream-Übernahme der Telekom. Auf dem Regal in seinem Büro ist kein Platz mehr für noch mehr Tombstones, Trophäen, die Unternehmen den Dealbeteiligten zur Erinnerung schenken. Rund 60 stehen da, aber so gar nicht ordentlich in Reih und Glied; mit jenem in Form eines Spielzeugautos dürfen Besucherkinder spielen.

Sein Büro will Schiessl eigentlich nicht zeigen. Passt es doch nicht ins Schema moderner, entmenschlichter Büros. Stattdessen sieht es so richtig nach viel Arbeit aus. Nach jemandem, der sich nicht unterordnen und keinem gefallen muss: Auf dem Boden verteilt stehen zig Aktenordner. Kein anderer Anwalt würde sich trauen und wohl auch nicht die Zeit nehmen, sich Donnerstagsmittags beim Italiener mit der jeweils neuen „Bunten“ hinzusetzen und einen Teller Nudeln zu essen. „Meine Klienten kommen doch auch ab und zu da drin vor“, sagt er.

Anzahl und Volumen der M&A Deals weltweit und mit deutscher Beteiligung

Zum Partner wurde Schiessl mit 30 Jahren, nachdem er für RWE die Übernahme von Vista Chemical durchzog. Der Vorstandschef hatte bei Hengeler angerufen, damit Seniorpartner Klaus Böhlhoff in Essen antrete. Die Amerikaner waren vor Ort, und die Verhandlungen liefen schon. Aber weder Böhlhoff noch ein anderer Partner war greifbar. Also stellte sich Schiessl dort vor.

Es war die Zeit, als sich alles veränderte in der Anwaltswelt: als Kanzleien Standorte in mehreren Städte erlaubt wurden, als erste angelsächsische Law Firms und Investmentbanken auf den deutschen Markt kamen, Kanzleien erstmals Börsengänge berieten, sich ganz neue Arbeitsfelder für Anwälte auftaten.

Begnadeter Verhandler

Damals wussten Unternehmen wenig über einzelne Kanzleien. Transparenz durch Anwaltsrankings konnte man sich nicht mal vorstellen. Nur wenige Kanzleien gewannen in den Neunzigerjahren Profil, allen voran Hengeler mit Schiessl. „Viele sagten, die seien sektenähnlich“, formuliert es ein Konkurrent und lästert über den seltsamen Zusammenhalt dort. Als sich Schiessl beim Fußballspielen beim Kanzleitreffen in Lissabon einen Kreuzbandriss einhandelte, trug ihn sein Partner Thomas Schmidt-Kötters huckepack vom Hotel ins Flugzeug.

Das sind die dicksten Deals 2016
Platz 12: Microsoft kauft LinkedInDas soziale Netzwerk LinkedIn richtet sich hauptsächlich an professionelle Kunden, die Geschäftsbeziehungen pflegen oder knüpfen möchten. Im Juni erklärte Microsoft, das Unternehmen für 25 Milliarden Euro kaufen zu wollen.Quelle: Dealogic Quelle: dpa
Platz 11: Abbott Laboratories kauft St Jude MedicalDas große Fusionsfieber in der Pharmabranche scheint etwas abgeflaut. Die Übernahme von St. Jude Medical durch Abbott Laboratories für 27,1 Milliarden Dollar zählt dennoch zu den größten Deals 2016. St. Jude stellt medizinische Geräte für Krankheiten des Herzens und des Nervensystems wie Herzschrittmacher oder implantierte Defibrillatoren her. Benannt ist das Unternehmen nach dem Apostel Judas Thaddäus, dem Schutzpatron der hoffnungslosen Fälle. Quelle: REUTERS
Platz 10: Softbank kauft ARM HoldingsIm Juli wurde die Übernahme angekündigt, im September war sie perfekt: Für 28,7 Milliarden Euro übernahm der japanische Mobilfunkriese Softbank den britischen IT-Konzern ARM Limited. ARM soll als eigenständiges Unternehmen allerdings bestehen bleiben, auch das Personal soll aufgestockt werden. Quelle: REUTERS
Platz 9: General Electric kauft Baker HughesAm Ende war der Widerstand zu stark: Im Mai 2016 scheiterte die 28 Milliarden Euro schwere Fusion der Öldienstleister Halliburton und Baker Hughes am Widerstand US-amerikanischer und europäischer Kartellbehörden. Im Oktober kündigte dann der US-Industrieriese General Electric an, Baker Hughes für 29,3 Milliarden Euro zu übernehmen und sein Öl- und Gasgeschäft mit dem Ölfeldausrüster zusammenzulegen. Eine Entscheidung gegen den Trend: Die Energiebranche steckt angesichts niedriger Ölpreise bereits seit 2015 in einer Dauerkrise. Quelle: AP
Platz 8: Centurylink kauft Level 3 CommunicationsIm Oktober 2016 gab der US-Telekomkonzern Centurylink bekannt, den Telekomdienstleister Level 3 Communications für 30,6 Milliarden Euro zu übernehmen. Level 3 betreibt ein Glasfasernetz von 120.000 Kilometern Länge, mehrere Backbones und vier transatlantische Verbindungen von Europa nach Nordamerika. Im Rahmen der NSA-Affäre geriet das Unternehmen in Verdacht, Daten deutscher Nutzer an US-Geheimdienste weitergegeben zu haben, dementierte die Vorwürfe jedoch. Quelle: AP
Platz 7: Enbridge kauft Spectra EnergyDer kanadische Konzern Enbridge ist der größte Pipelinebetreiber der Welt. Im September kündete das Unternehmen an, den US-Rivalen Spectra Energy übernehmen zu wollen. Die Finanzplattform Dealogic misst dem Deal einen Wert von 38,5 Milliarden Euro zu. Quelle: REUTERS
Platz 6: Chemchina kauft SyngentaChinesische Staatskonzerne gerieten 2016 in einen regelrechten Kaufrausch, auch in Deutschland gingen die Asiaten auf Shoppingtour. Mit dem ersten Megadeal des Jahres fuhr Chemchina allerdings gleich mal einem deutschen Industriegiganten in die Parade: Anfang Februar kündigte die China National Chemical Corporation die Übernahme des Agrochemiekonzerns Syngenta an – und schnappte die Schweizer damit BASF unter der Nase weg. Dealogic bewertet den Deal mit 43 Milliarden Euro. Quelle: REUTERS

Schiessl gilt als begnadeter Verhandler, weil er als emphatisch gilt und eher umgänglich. Er interessiert sich während der Beratung des Übernahmeprozesses vor allem dafür, wo der gemeinsame Nenner beider Parteien liegen könnte. Ist eine Situation verfahren, bringt Schiessl alle wieder auf die Sachebene und liefert die juristische Lösung fürs kaufmännische Problem. Mandanten sind froh, wenn sie von ihm schnell und punktgenau Antworten bekommen statt eines langwierigen zehnseitigen Statements.

Der Typ Streber, mit dem keiner spielen will, war Schiessl dennoch nie. „Mäxchens Geburtstagspartys in seinem Elternhaus waren legendär, selbst der Weinkeller seines Vaters musste dran glauben“, erzählt seine Studienfreundin Ingeborg Neumann, BDI-Vizepräsidentin und Inhaberin der Textilgruppe Peppermint. „Er ist ein sehr konservativer Geist“, beschreibt sie ihn. Und dass er auch austeilen kann und immer die Nummer eins sein will.

Die besten Zeiten kommen noch

Den Spitznamen „Champagner-Schiessl“ hat er sich redlich verdient. „Bei Partys gluckt er nicht bei seinen Hengeler-Kollegen herum, sondern arbeitet sich regelrecht durch den Raum“, sagt ein Düsseldorfer Anwalt. Seine Studienfreunde sprechen unisono von Max’ Leidenschaft für gutes Essen, nennen ihn einen immensen Weinkenner.

Schiessls Markenzeichen ist schon ewig der Strickpulli, den er sich über die Schultern knotet, oft auch im Büro, sagt Textilunternehmerin Neumann. Überhaupt trüge er heute wie damals denselben Mantel, dieselben Schuhe, denselben Schal, dieselbe Jeans.

Sparsamkeit, die nicht nötig wäre. „2016 war ein unfassbar einträgliches Jahr für Schiessl“, sagt ein Brancheninsider. Denn im vergangenen Jahr ging es im M&A-Geschäft nach acht Jahren erstmals wieder hoch her. „Viele Ausländer kaufen deutsche Unternehmen, vor allem Amerikaner, Chinesen und Japaner“, sagt Schiessl.

Seit der Flut der M&A-Deals – ihr Transaktionswert stieg 2016 um 27 Prozent – arbeitet Schiessl jeden Abend zu Hause weiter, sobald die Familie schläft. Aber nur bis Mitternacht. Gar nicht schlafen passt nicht zum entspannten Bild, das er am liebsten von sich zeichnet. Seine Familie hat für Schiessl erste Priorität. Sagt er. Society-Events sehen ihn nicht. Zweite Priorität hat sein Tennis in der Seniorenmannschaft. Schiessl wohnt einen Steinwurf entfernt von seinem Club. Besucht ihn Studienfreundin Neumann, nutzt er die Gelegenheit, zum Tennis abzuhauen und ihr als Patentante die Kinder zu überlassen. Wo sie doch eigentlich mit „Mäxchen“ reden wollte.

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