Erik Petraschek Vom Berater zum Macher

80-Stunden-Woche im stets gleichen Trott, darauf hatte Erik Petraschek keine Lust mehr. Das geht vielen Beratern so. Doch anders als seine Kollegen kaufte er eine alte Gießerei. Das Porträt einer ungewöhnlichen Karriere.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Erik Petraschek kaufte und sanierte die mittelständische Druckgiesserei Heuschkel. Quelle: Simeon Johnke für WirtschaftsWoche

Erik Petraschek begutachtet im dunklen Anzug eine Maschine, die im Sekundentakt Rohlinge für Gartenscheren ausspuckt. Eine Kelle befördert flüssiges Aluminium nach oben und gießt das heiße Metall in Förmchen. Mit lautem Zischen verdichtet die Maschine die dampfende Masse. Spezielle Gase sorgen dafür, dass das Material aushärtet. Es riecht unangenehm chemisch.

Dann fallen die halbfertigen Scheren auf ein Förderband und machen sich unter lautem Geklapper auf den Weg zur nächsten Station, an der mit Druckluft die schartigen Gießränder entfernt werden. Petraschek, den Blaumann lässig über den Arm geworfen, steht in der zugigen, lauten Werkhalle und strahlt. "Es ist laut, schmutzig, da kommt eine Flamme und dann fallen dort die fertigen Teile raus", sagt er und schaut fasziniert der Maschine bei der Arbeit zu. "Das war schon irgendwie ein Bubentraum."

Den sich der gebürtige Wiener allerdings erst recht spät erfüllte. Heuschkel Druckguss, das Unternehmen, in dessen Werkshalle Petraschek die Gießmaschinen bei der Arbeit betrachtet, gehört ihm seit Januar 2015.

Die ursprünglichen Besitzer, die das 106 Jahre alte Unternehmen in vierter Generation führten, hatten keine Nachfolger, die den Betrieb übernehmen wollten.

Über Heuschkel Druckguss

Allerdings ist der Neuunternehmer weder Gießereimechaniker, noch Verfahrensmechaniker oder Werkstoffprüfer, der sich den Traum vom eigenen Unternehmen erfüllt hat. Petraschek ist Betriebswirt und Unternehmensberater. 15 Jahre lang arbeitete er als Unternehmensberater, unter anderem bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG.

Sein Schwerpunkt: Unternehmenssanierung und Restrukturierung. Danach wurde er Restrukturierungsmanager bei einer börsennotierten Industrieholding. Aber Unternehmer sein, das habe er schon immer gewollt, erzählt er. Und schlug damit aus der Art. "In meiner Familie finden sich vor allem Techniker und Ingenieure. Ich habe da schon mit der kaufmännischen Ausbildung Neuland betreten", erinnert er sich und schmunzelt.

Vom Berater in die Selbstständigkeit in die Werkshalle

2007 verwirklichte er seinen Traum von der Selbstständigkeit und gründete die Turnaround-Beratungsgesellschaft Auxeos. Unternehmen in Schieflage zu beraten, das hatte er schließlich von der Pieke auf gelernt: Sanierung, Restrukturierung, das war sein Geschäft. Und nun steht er hier, in der Halle an der Eibacher Hauptstraße 139 in Nürnberg und spricht über Verätzungen, die sich Mitarbeiter bei nicht ausreichendem Arbeitsschutz bei heißem Zink zuziehen könnten, Automatisierung und Warenlagerung. Er weicht Mitarbeitern aus, die auf dem Gabelstapler durch die Werkshalle fahren, er nickt und grüßt und prüft.

Dass er einmal Aluminium- und Zinkteile herstellen und verkaufen würde, hätte Petraschek vor ein paar Jahren nicht gedacht. Aber irgendwann reichte ihm das Beraterdasein trotz Selbstständigkeit nicht mehr. "Als Berater bereiten Sie Entscheidungen vor, können sie aber nicht umsetzen. Sie können die Ergebnisse Ihrer Arbeit auch nicht langfristig begleiten", sagt er. Genau das wollte er aber: Planen, gestalten und selbst umsetzen.

Also veränderte er zunächst den Schwerpunkt von Auxeos: Aus der Beratungs- wurde eine Beteiligungsgesellschaft und Petraschek machte sich auf die Suche nach einem Betrieb, den er über Auxeos erwerben könnte. "Es sollte ein wirtschaftlich solides Unternehmen sein, es sollte ein Unternehmen sein, das Entwicklungspotenzial bietet. All das war bei Heuschkel gegeben."

Er schlug zu und übernahm die operative Leitung. "Abseits davon, dass es sehr schwer ist, einen guten Geschäftsführer zu finden, der auch in mein Geschäftsmodell passte: Ich wollte meine Ideen auch selbst umsetzen. Darum bin ich Unternehmer geworden", begründet Petraschek seine ungewöhnliche Entscheidung.

Überzeugungsarbeit bei Familie und Eigentümern

Bis auf seine Frau habe er niemandem von seinen Plänen erzählt – erst acht Wochen vor Vertragsabschluss weihte er auch seinen Vater ein. Petraschek hatte Sorge, dass man ihn nicht ernst nehmen oder seine Idee zerreden könnte. Auch die Eigentümerfamilie Rauch habe er erst von sich überzeugen müssen. Vom ersten Kennenlernen bis zum Vertragsabschluss sei ein Jahr vergangen.

Ein derart historisch gewachsenes Unternehmen übergibt man nicht einfach dem Nächstbesten. Den Eigentümern sei es sehr wichtig gewesen, in wessen Hände ihr Betrieb komme. Auch aus Verantwortungsgefühl den Mitarbeitern gegenüber. "Die jetzt gefundene Nachfolgelösung mit Auxeos stellt sicher, dass die mehr als hundertjährige Geschichte unseres Unternehmens weiterhin erfolgreich fortgeschrieben wird. Auxeos wird das Gute bewahren und die vorhandenen Potenziale ausbauen. Heuschkel Druckguss bleibt damit weiterhin ein führender Marktteilnehmer und bedeutender Arbeitgeber in der Region“, sagte Inhaber Rainer Rauch, als sein Unternehmen an Petraschek überging.

Die Immobilie ist noch heute im Familienbesitz, der Kontakt jedoch eher sporadisch – was Petraschek gut versteht. "Wenn man jemandem etwas überlässt, wo so viel Herzblut drin steckt, kann der Rollenwechsel nur schwer fallen."

Zehn Tipps für die Nachfolgeplanung

Am Anfang sei er ganz euphorisch gewesen. "Ich habe wirklich einen Traum realisiert, den ich schon lange hatte." Doch ganz so einfach, wie er sich das Unternehmertum zunächst vorgestellt hatte, war es dann doch nicht. "Ich habe lernen müssen, in die Rolle des Unternehmers hineinzufinden, die auch davon gekennzeichnet ist, dass er Sorgen und Nöte hat und auch Rückschläge einstecken muss."

Petraschek etablierte die zweite Führungsebene aus teils externen Gießereifachleuten, die in Zukunft das operative Geschäft führen sollen, und stieß ein umfangreiches Investitions- und Modernisierungsprogramm an. Zu modernisieren gibt es in Traditionsbetrieben immer irgendwo etwas, wie Petraschek sagt, als er in der Qualitätskontrolle steht. An langen Tischen stehen viele Stühle, die im Moment verwaist sind. Es ist Mittagspause.

Sonst sitzen hier überwiegend Frauen und überprüfen die Zink- und Aluminiumteile auf kleine Mängel und Fehler. "Die Qualitätskontrolle ist derzeit noch manuell, also per Sichtkontrolle. Das wollen wir in Zukunft automatisieren", beschreibt Petraschek die Pläne für die nähere Zukunft.

Sein bisheriges Modernisierungskonzept ging jedenfalls auf. Binnen der zwei Jahre, die er nun am Ruder ist, ist das Unternehmen von 80 Mitarbeitern und zwölf Millionen Euro Jahresumsatz auf 90 Mitarbeiter und 18 Millionen Euro Umsatz gewachsen. Einige Leiharbeiter verstärken das Team, in Zukunft soll der Betrieb wieder ausbilden. Petraschek ist stolz auf die Entwicklung: "Ich habe es mir und anderen bewiesen, dass ich das, was ich angekündigt habe, tatsächlich machen kann."

So sieht das Reich von Erik Petraschek aus
Ich habe lernen müssen, in die Rolle des Unternehmers hineinzufinden, die auch davon gekennzeichnet ist, dass er Sorgen und Nöte hat und auch Rückschläge einstecken muss. Quelle: Simeon Johnke für WirtschaftsWoche
Die Kunden kommen aus der Automobilbranche, dem Maschinenbau oder der Medizintechnik. Auch ein Hersteller von Gartengeräten ist dabei. Quelle: Simeon Johnke für WirtschaftsWoche
Geschmolzenes Aluminium wird in den Schießkolben gefüllt. In dieser Maschine entstehen Rohlinge für Gartenscheren. Quelle: Simeon Johnke für WirtschaftsWoche
Links davon verflüssigt eine weitere Maschine Zink. Quelle: Simeon Johnke für WirtschaftsWoche
"Das war schon irgendwie ein Bubentraum: Es ist laut, schmutzig, da kommt eine Flamme und dann fallen dort die fertigen Teile raus", sagt Petraschek Quelle: Simeon Johnke für WirtschaftsWoche
Binnen der zwei Jahre, die er nun am Ruder ist, ist das Unternehmen von 80 Mitarbeitern und zwölf Millionen Euro Jahresumsatz auf 90 Mitarbeiter und 18 Millionen Euro Umsatz gewachsen. Einige Leiharbeiter verstärken das Team, in Zukunft soll der Betrieb wieder ausbilden. Quelle: Simeon Johnke für WirtschaftsWoche
Petraschek ist stolz auf die Entwicklung: "Ich habe es mir und anderen bewiesen, dass ich das, was ich angekündigt habe, auch tatsächlich machen kann." Quelle: Simeon Johnke für WirtschaftsWoche

Doch wie bei Beratern üblich: Wenn es gut läuft, widmen sie sich dem nächsten Projekt. Davon kann sich auch Petraschek nicht lösen. "Ich baue gerade aus der zweiten Führungsebene eine Geschäftsführung auf, die in Zukunft das Unternehmen übernehmen soll. Das heißt: Ich werde mich aus der operativen Verantwortung zurückziehen, um mehr Zeit in die Weiterentwicklung von Auxeos zu investieren, um weitere Investitionen tätigen und neue Beteiligungen eingehen zu können", sagt er.

Verkaufen wolle er das Unternehmen nicht. Was er sich allerdings vorstellen könne, sei, weitere Beteiligungen an Unternehmen aus der Druckgussbranche zu kaufen, um Heuschkel Druckguss zu ergänzen. Vielleicht wird sein zweites Unternehmen aber auch etwas ganz anderes. "Einen konkreten Fokus haben wir nicht. Was wir gut finden, ist das typische mittelständische Unternehmen, sehr gerne auch aus Familienhand, aber bezüglich der Branche sind wir grundsätzlich offen eingestellt." So sei es schließlich auch bei Heuschkel gewesen.

Ist Petraschek nun Berater und Modernisierer, der von Unternehmen zu Unternehmen wechselt oder der klassische Unternehmer, der er immer sein wollte? Für ihn macht das keinen Unterschied. "Ich bin ein Unternehmer, der seine Historie in der Beratung hat", sagt er. Und dass er liebt, was er tut. "Generell bin ich jetzt zufriedener und glücklicher, als ich es vorher war."

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%