Ex-Wirecard-Vorstand Marsalek ist nicht der einzige Topmanager auf der Flucht

Seite 2/2

Gerhard Bruckermann: Das biedere Phantom

Gerhard Bruckermann gilt als Hauptverantwortlicher für das Scheitern der Immobilienbank Hypo Real Estate in der Finanzkrise 2008. Seitdem ist er verschwunden.

Der Jurist aus dem Rheinland ist kein klassischer Bösewicht. Er sei charmant, überzeuge mit Empathie statt Bestleistung und könne Menschen für sich einnehmen. So beschreiben ihn frühere Bekannte. Er verwandelte einst die solide Pfandbriefbank Depfa in eine Aktiengesellschaft und machte aus ihr eine der profitabelsten Banken Europas. Das Geschäft ging auf. Mit einer Eigenkapitalrendite von über 30 Prozent stellte sie andere deutsche Großbanken in den Schatten – ein Verdienst Bruckermanns. Die wenigen Skeptiker ließ er abprallen, auf Kritik ging er nicht ein. Doch sein Erfolg währte nicht ewig. Als die Rendite zu schrumpfen begann, verkaufte er die zum Scheitern verurteilte Depfa an die Hypo Real Estate (HRE). Das Geschäft brachte ihm 100 Millionen Euro ein – und dem Staat ebenso viele Milliarden Verluste. Als die HRE 2008 zusammenzubrechen drohte, nicht zuletzt und vor allem wegen der Risiken aus der Fusion mit der Depfa, war Bruckermann verschwunden. Noch einmal macht er leise Schlagzeilen, als er Mikrokredite an mittellose Frauen in Entwicklungsländern vergab. Sein Aufenthaltsort ist jedoch bis heute unbekannt. Die Spur führt um die Welt, unter anderem nach London, Florida, Kambodscha und Südspanien. Letztlich bleibt er ein Phantom.

Thomas Middelhoff: Sprung aus dem Fenster

Thomas Middelhoff hat alles verloren. So zumindest präsentierte sich der geläuterte Karstadt-Chef in einem Vortrag vor Studenten. Der einstige Top-Manager und Chef des Medienkonzerns Bertelsmann übernahm 2005 die Führung des angeschlagenen Karstadt-Quelle-Konzerns. Nach umfangreichen Sanierungen wurde der Konzern in Arcandor umbenannt. 2009 musste er Insolvenz anmelden. Was war passiert?

Die Staatsanwaltschaft warf dem einstigen Top-Manager vor, den Konzern zu Unrecht mit Kosten in Höhe von 800 Millionen Euro belastet zu haben. Dabei ging es vor allem Privatflüge, die er teilweise über Arcandor abrechnete. 2014 wurde er zu drei Jahren Haft verurteilt und wegen angeblicher Fluchtgefahr noch im Gerichtssaal abgeführt. Middelhoff hatte die Vorwürfe entschieden zurückgewiesen und kam 2017 vorzeitig frei – privat und wirtschaftlich ruiniert und gesundheitlich durch eine Autoimmunerkrankung geschwächt. Er fühle sich moralisch schuldig, sagte er später, schrieb ein Buch und hielt Vorträge über das Scheitern und Wiederaufstehen. Geflohen ist er nur vor Reportern: Nach einem Gerichtstermin sprang er aus einem Fenster und haute ab.

Stephan Schäfer: Wie der Partykönig sich das Bein brach

Stephan Schäfer führte ein Luxusleben der Extraklasse. 240 Millionen Euro vertrauten Anleger den Gründern des Immobilienunternehmens S&K an. Ihre Geschäftsidee: Immobilien aus Zwangsversteigerungen kaufen und sie zu höheren Preisen wieder auf den Markt bringen. Das fiel nach der Finanzkrise 2008 auf fruchtbaren Boden. Banken vergaben Niedrigzinsen und die beiden smarten, jungen Männer versprachen Renditen von 20 Prozent. Da waren einige Anleger bereit, ihre Altersvorsorge aufzulösen, um in S&K zu investieren.

Doch Schäfer und Gründungsmitglied Jonas Köller verwendeten die Millionen nicht für das Immobiliengeschäft, sondern finanzierten damit ihr Luxusleben. Bei Razzien fand man Autos, Uhren, Schmuck, Münzvorräte und Luxuskarossen im Wert von mehreren Millionen Euro. Die Party zu Schäfers 30. Geburtstag gilt als legendär – bis die WirtschaftsWoche Vorwürfe der Veruntreuung von Anlagegeldern und des Betrugs öffentlich machte. Das Ermittlungsverfahren zog sich, Geständnisse blieben aus. 2017 wurden Schäfer und Köller schließlich verurteilt. Da half auch der Sprung aus dem Fenster während eines Gerichtstermins nichts. Weglaufen konnte Schäfer mit gebrochenen Beinen jedenfalls nicht mehr.

Mehr zum Thema
Der Zahlungsdienstleister Wirecard ist insolvent. Rund zwei Milliarden Euro fehlen, die es wohl nie gab, ein bedeutender Teil des Umsatzes könnte vorgetäuscht sein. Wirtschaftsprüfer, Aufseher und Investoren haben über Jahre Alarmsignale ignoriert.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%