Fast zu jeder Tätigkeit wollten die Unter-25-Jährigen Feedback erhalten, ein „Retro-Gespräch“ führen: Sehr zeitaufwendig, kommentiert eine Nutzerin bei der Karriereplattform LinkedIn unter einem Beitrag der WirtschaftsWoche. „Feedback geben = anstrengend“, schreibt ein anderer, das könne er bestätigen. Und fügt in Klammern hinzu, dass Führungskräfte bloß kein negatives Feedback geben sollten. Ein weiterer Nutzer klagt, die Gen Z möchte kaum Verantwortung übernehmen – und lege stattdessen viel Wert auf eine Work-Life-Balance.
Anlass für die Reaktionen ist eine aktuelle Titelgeschichte der WirtschaftsWoche. Sie beschreibt, wie die Generation Z die Macht auf dem Arbeitsmarkt übernimmt und dabei Führungskräfte herausfordert.
Es sind nicht mehr nur polternde Unternehmer wie Europa-Park-Chef Roland Mack, die sich scharfzüngig gegen die Generation Z wenden: „Da kommen 25-Jährige und wollen nur drei Tage arbeiten – dabei haben die das ganze Leben noch vor sich, könnten hier etwas werden, Verantwortung übernehmen, Karriere machen.“ So klagte Mack kürzlich in der „Basler Zeitung“ sein Leid. Vielmehr sind es die Führungskräfte zahlreicher Unternehmen, die sich an eine fordernde Generation anpassen und dabei deutlich mehr Zeit aufwenden müssen, um Feedback zu geben oder das „warum“ hinter einer Tätigkeit zu erklären.
Die Gen Z stellt zu hohe Anforderungen an Führungskräfte
Eine Umfrage unter 2500 Personen, die das Meinungsforschungsinstitut Civey für die WirtschaftsWoche durchgeführt hat, zeigt: Mack ist mit seiner Meinung nicht alleine. Sowohl Arbeitnehmer als auch Entscheider zeichnen darin das Bild einer Generation, die zu hohe Ansprüche stellt. So denken etwa 57 Prozent der Erwerbstätigen, dass die Generation Z zu viel Wert auf eine gute Work-Life-Balance legt. Fast zwei Drittel der Entscheider sehen das genauso.
Etwa 44 Prozent der Erwerbstätigen und rund 47 Prozent der Entscheider glauben, dass die Generation Z zu hohe Anforderungen an Führungskräfte stellt.
Die Generationen auf dem Arbeitsmarkt
Die Baby-Boomer (1946 – 1964) sind die älteste Generation auf dem Arbeitsmarkt. Diese Jahrgänge verzeichneten die höchste Geburtenrate, daher rührt auch der Name.
Die Jahrgänge der Generation X (1965 – 1979) haben einiges miterlebt: Wirtschaftskrisen, Techniksprünge, Arbeitslosigkeit, Umweltkatastrophen. Sie gilt als eine, die vor allem Wert auf ein gutes Einkommen und einen sicheren Arbeitsplatz legt.
Die Generation Y, auch Millennials genannt, wurde zwischen 1980 und 1995 geboren. Sie sind die erste Jahrgangskohorte, die als Digital Natives gelten.
Sie treten seit einigen Jahren in den Arbeitsmarkt ein: Die Generation Z, geboren von 1996 bis 2010. Sie sind von klein auf mit dem Internet aufgewachsen, digitale Medien haben ihr Leben von Beginn an geprägt.
Noch drastischer allerdings fallen die Ergebnisse aus, wenn es um Rückmeldungen zur Arbeit geht. Circa 63 Prozent der Erwerbstätigen und rund 65 Prozent der Entscheider halten die Generation Z für nicht kritikfähig.
Soziologe erklärt: Die Gen Z ist Kritik nicht mehr gewöhnt
Woran das liegen könnte, erklärt der renommierte Soziologe Klaus Hurrelmann so: Viele Menschen unter 25 seien an Kritik nicht gewöhnt, kennen sie weder von zu Hause noch aus der Schule. Kleiden Führungskräfte Rückmeldungen nicht in Wohlwollen und Feingefühl ein, werte die Gen Z Kritik gar als Angriff.
Auch der Führungskräftetrainer und Psychologe Michael Lorenz stellt engmaschiges und wohlwollendes Feedback heraus: „Führungskräfte müssen darauf achten, wie viel Kritik die Beschäftigten vertragen.“ Nicht nur kennen jüngere Menschen kaum noch Kritik, vielmehr erfahren sie auch ständig Lob und Bestätigung, nicht zuletzt über die sozialen Netzwerke. Auch seien die behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen bei den Studierenden in den vergangenen fünf Jahren gravierend gestiegen.
Eine am Freitag veröffentlichte Umfrage der Versicherung Swiss Life rückt ebenfalls junge Generationen in den Mittelpunkt, wenn es um psychische Erkrankungen geht. Sie leiden häufiger an Depressionen als die ältere Generation der Babyboomer. In der Altersgruppe 55+ hat demnach ein gutes Drittel (34 Prozent) schon einmal unter einer Depression gelitten, wie das Umfrageinstitut YouGov im Auftrag des Unternehmens ermittelt hat. In den jüngeren Altersgruppen von 18 bis 54 hingegen bejahten das jeweils zwischen 38 und 40 Prozent. YouGov befragte im Juni 2865 Männer und Frauen ab 18 Jahren. Die Ergebnisse sind dem Unternehmen zufolge repräsentativ.
Unternehmen reagieren darauf beispielsweise, indem sie einfachen Zugang zu Therapiestunden ermöglichen. Ein Beispiel dafür ist der Onlineshop für Second-Hand-Kleidung Vinted. Das Start-up aus Litauen bietet 15 Therapiestunden, die Beschäftigte per App buchen können.
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