In den IT-Abteilungen der deutschen Unternehmen bleiben viele Schreibtische verwaist. Mehr als 40 Prozent aller Unternehmen suchen nach Entwicklern jeglicher Couleur - finden aber keine. Das ist das Ergebnis des aktuellen IT-Recruiter-Reports von Stack Overflow, einer Plattform für Entwickler und Programmierer mit rund 50 Millionen Mitgliedern.
Gesucht: Entwickler, die alles können
Demnach suchen Unternehmen in Deutschland - unabhängig von der Branche - vor allem Full-Stack-Webentwickler Java: 47,1 Prozent der Firmen brauchen diese eierlegenden Wollmilchsäue, die nicht nur Back-, sondern auch Frontend perfekt programmieren können. Also das, was der Kunde vorne sieht, zum Beispiel die Website, und das, was der Mitarbeiter des Unternehmens mit Inhalten füllt.
Doch auch die Einzelspezialisten sind gefragt: Wer schon keinen findet, der beides beherrscht, braucht eben zwei Profis - einen fürs Backend (43,87 Prozent suchen Webentwickler Backend) und einen fürs Frontend (37,42 Prozent).
Die begehrtesten IT-Fachkräfte 2016
28,4 Prozent der Unternehmen, die einen Bedarf an IT-Experten haben, suchen Software-Entwickler, Software-Architekten und Programmierer. Im vergangenen Jahr war der Bedarf mit 29,8 Prozent noch ein wenig höher.
Quelle: Dekra-Arbeitsmarktreport
Auf Platz zwei folgen IT-Fachleute, Informatiker und Systemadministratoren mit 24,4 Prozent (2015: 22,4 Prozent).
Platz drei geht an IT-Berater und IT-Analysten. 15,6 Prozent der Stellenanzeigen richten sich an sie (Vorjahr: 11,5 Prozent)
Mit 12,1 Prozent landen die Wirtschafts- sowie Fach-Informatiker auf Platz vier. Im vergangenen Jahr war der Bedarf mit 10,6 Prozent noch geringer.
7,9 Prozent (2015: 7,8 Prozent) der Stellenanzeigen richten sich an SAP-Entwickler und andere SAP-Fachleute. Macht Platz fünf im Ranking der meistgesuchten IT-Experten.
Auch Cloud-Experten sind bei gut einem Viertel der Betriebe gefragt. Schließlich will jeder seine eigene, kleine, sichere Wolke. Die gute Nachricht: 64 Prozent der Entwickler in Deutschland bezeichnen sich als Webentwickler. Nur: Auf Jobsuche sind davon lediglich neun Prozent.
"Es ist eine Herausforderung, die richtigen Entwickler schnell zu finden und zu binden – unsere Projektlast ist hoch und wir würden gern noch viel mehr einstellen", bestätigt Romy Stolz. Sie ist für das Recruiting bei der PSI Software AG zuständig und eine der von Stack Overflow befragten IT-Recruitern und HR-Profis.
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Für den Report standen Personalexperten wie Stolz Rede und Antwort, wie sie nach den heißbegehrten Entwicklern suchen und auf welchen Wegen sie dabei Erfolg haben. Gleichzeitig wurden die Entwickler, die sich auf der Plattform tummeln, befragt, worauf sie bei einem Arbeitgeber Wert legen und mich welchen Methoden Recruitern bei ihnen Erfolg haben - oder auch nicht. Aus den Antworten beider Parteien lässt sich ableiten, was Unternehmen tun müssen, um erfolgreich nach Kandidaten für ihre Vakanzen zu suchen.
Die deutsche Entwicklerlandschaft in Zahlen
In Deutschland gibt es derzeit (Stand Aug. 2016) 709.033 Softwareentwickler. Der durchschnittliche Entwickler ist männlich, zwischen 25 und 29 Jahre alt und hat circa 6,5 Jahre professionelle Programmiererfahrung.
Quelle: Stack Overflow
59,6 Prozent der Entwickler in Deutschland sind sogenannte Full-Stack Entwickler. Sie sind also Generalisten, anstatt Fachgenies. Konkret heißt das: Sie sind Web-Entwickler, die sich sowohl mit Server-, Netzwerk- und Hosting-Umgebungen als auch Datenmodellierung, der Geschäftslogik, Datenbanken und HTML und Javascript auskennen.
Für Smartphones und Tablets programmieren gerade mal 5,3 Prozent. Diejenigen, die es tun, programmieren für Android-Geräte: 24.683 Android-Entwickler stehen 13.223 iOS-Entwicklern gegenüber.
Die am weitesten verbreitete Programmiersprache in Deutschland ist Java: 13,7 Prozent der Entwickler (in Zahlen: 96.068 Entwickler) nutzen diese Sprache. Auf Platz zwei folgt Python mit 12,8 Prozent beziehungsweise 90.929 Experten.
Die Rhein-Ruhr-Region gilt als eine der wichtigsten und attraktivsten Metropolregionen Europas. Entsprechend zieht es dort auch die Entwickler hin: 93.920 von ihnen gibt es in Dortmund, Essen, Duisburg, Bochum, Gelsenkirchen, Oberhausen, Düsseldorf, Neuss, Mönchengladbach, Wuppertal, Köln, Bonn und Leverkusen. Die Mehrheit (59,5 Prozent) sind Generalisten, also Full-Stack Entwickler. Die übrigen Programmierer beherrschen die Sprachen Java (13,9 Prozent), PHP (12,3 Prozent) und Python (10,8 Prozent).
Alle 20 Minuten wird in Berlin ein Start-up gegründet. Das zieht IT-Experten an. In der Hauptstadt arbeiten 81.868 Entwickler, das macht Platz zwei der größten Entwickler-Regionen in Deutschland. Die am weitesten verbreiteten Sprachen dort sind Python (14,7 Prozent), Ruby (12,9 Prozent) und NodeJS (12,3 Prozent). Besonders an der Region Berlin ist die hohe Dichte an Mobile-Entwicklern: Ihr Anteil beträgt 6,1 Prozent im Gegensatz zu 5,3 Prozent im deutschen Durchschnitt.
München gilt als Europas Nummer eins im ITK-Bereich und wird auch als „Isar Valley“ bezeichnet. In der Metropole leben 65.178 Entwickler, davon 57,7 Prozent Full-Stack-Entwickler. Die Übrigen verteilen sich auf die Sprachen Python (14,7 Prozent), Java (14 Prozent) und NodeJS (7,9 Prozent). München ist somit neben Berlin die einzige der sechs untersuchten Regionen, in der Java nicht Spitzenreiter der Technologien ist.
Frankfurt am Main ist der viertgrößte Entwicklerstandort und beherbergt 47.551 Entwickler, davon sind 57,6 Prozent Full-Stack-Entwickler. Die übrigen verteilen sich auf Java (15,9 Prozent), .NET (11,1 Prozent) und Python (8,3 Prozent).
Die Region Stuttgart/Karlsruhe zählt 39.823 Entwickler, davon 59,7 Prozent Generalisten. Was hier besonders auffällt: Neben Spezialisten für Java (15,4 Prozent), Python (14,2 Prozent) und NodeJS (8,8 Prozent) gibt es hier eine hohe Zahl an Grafikprogrammierern. Obwohl die Region „nur“ der fünftgrößte Entwicklerstandort ist, ist sie als Gründerstandort nicht zu unterschätzen: Bei den Unternehmensgründungen aus dem ITK-Bereich liegt Karlsruhe deutschlandweit nach Hamburg auf dem zweiten Platz.
Obwohl Hamburg mengenmäßig die kleinste der betrachteten Entwickler-Regionen ist, gilt die Hansestadt als IT-Hochburg, denn die IT Branche ist einer der bedeutendsten Wirtschaftsfaktoren: 37.839 Entwickler haben hier ihren Wohnsitz. Neben den 63,3 Prozent Full-Stack-Entwicklern teilt sich das Sprachenspektrum auf Java (13,3 Prozent), PHP (11,9 Prozent) und Ruby (11,6 Prozent) auf.
Jobbörsen sind jedenfalls nicht sonderlich effektiv, wie der Report belegt. Nur 14 Prozent der Entwickler haben ihren derzeitigen Job über Jobbörsen gefunden. Und noch etwas entmutigendes für Unternehmen auf der Suche: Laut Stack Overflow-CEO Joel Spolsky haben sich die besten Entwickler der Welt in ihrem ganzen Leben nur viermal auf einen Job beworben. Sich zurückzulehnen und zu warten, bis Bewerbungen auf die Stellenanzeige im Netz eingehen, kann sich also niemand leisten - auch Unternehmen mit einem tollen Image nicht.
Lassen Sie Spezialisten nach Spezialisten suchen
Grundsätzlich sollten diejenigen, die nach IT-Spezialisten suchen, auch spezielle IT-Recruiter sein. Sonst laufen Betriebe Gefahr, dass Personaler stur nach Lebenslauf gehen und entscheiden: "Gesucht war ein Full-Stack-Webentwickler Java, also genügt ein Full-Stack-Webentwickler nicht den Anforderungen."
Tatsächlich setzen mittlerweile über die Hälfte aller befragten Unternehmen spezielle IT-Recruiter ein, die sich ausschließlich mit der Suche von Entwicklern befassen. So sagt auch Edda Rettinger, Head of Active Sourcing & Partner Management, bei der Swisscom AG: "Bei Swisscom ist jeder und jede Talent Acquisition Manager auch IT-Recruiter beziehungsweise Recruiterin."
Es geht nicht ohne gutes Arbeitgeberimage
Aber auch wenn die Personaler genau wissen, wen sie suchen und interessante Kandidaten nicht wegen eines Tippfehlers in der Bewerbung aussortieren, gibt es Fettnäpfchen. Nämlich bei der Kontaktaufnahme zu den IT-Profis, die wie gesagt, nicht auf Jobsuche sind. Gefragt danach, wie sie angesprochen und umworben werden möchten, sagten die Entwickler gegenüber Stack Overflow, dass sie am liebsten per E-Mail (53 Prozent) angesprochen werden. Karriereportale wie Xing oder LinkedIn halten nur 24 beziehungsweise 17 Prozent für einen guten Weg der Kontaktaufnahme.
Und nur 13 Prozent werden gerne von Headhuntern angerufen. 53 Prozent sagen sogar, dass sie diese Art der Kontaktaufnahme hassen. Wenn Personaler aktiv auf mögliche Kandidaten zugehen wollen, dann also am besten nicht per Telefon.
Womit Sie die Talente anlocken
66,3 Prozent der befragten Entwickler gaben an, sich unterbezahlt zu fühlen. Im Zweifelsfall können Unternehmen einzelne Kandidaten also mit einem fürstlichen Gehalt von sich überzeugen. Denjenigen, die sich das nicht leisten können, sei aber gesagt: das Gehalt steht auf der Prioritätenliste der meisten Entwickler erst auf Platz vier.
Was verdienen Entwickler in Deutschland?
Höhere Spezialisierungsgrade sind immer auch mit höheren Gehältern verbunden. So verdienen DevOps Entwickler oder Data Scientists besser als die weitverbreiteten Webentwickler. Für Mobilentwickler variieren die Gehälter innerhalb Deutschlands am stärksten nach Region.
Über alle Fachrichtungen hinweg liegt das Durchschnittsgehalt in Ostdeutschland (inklusive Berlin) bei 49.200 Euro brutto im Jahr, in Norddeutschland bei 45.000 Euro und im Süden der Bundesrepublik bei 50.000 Euro brutto im Jahr.
Quelle: Entwickler-Report 2017 von Stack Overflow
Durchschnittlicher Bruttojahreslohn (Medianwert): 54.933 €
Durchschnittlicher Bruttojahreslohn (Medianwert): 51.584 €
Durchschnittlicher Bruttojahreslohn (Medianwert): 51.550 €
Durchschnittlicher Bruttojahreslohn (Medianwert): 51.312 €
Durchschnittlicher Bruttojahreslohn (Medianwert): 51.246 €
Durchschnittlicher Bruttojahreslohn (Medianwert): 48.850 €
Durchschnittlicher Bruttojahreslohn (Medianwert): 46.612 €
Durchschnittlicher Bruttojahreslohn (Medianwert): 46.326 €
Durchschnittlicher Bruttojahreslohn (Medianwert): 45.162 €
Durchschnittlicher Bruttojahreslohn (Medianwert): 45.024 €
Durchschnittlicher Bruttojahreslohn (Medianwert): 43.695 €
Durchschnittlicher Bruttojahreslohn (Medianwert): 43.096 €
Durchschnittlicher Bruttojahreslohn (Medianwert): 39.019 €
Gefragt danach, worauf sie bei der Bewertung einer Stelle achten, sagten die Entwickler:
- fachliche Weiterentwicklungsmöglichkeiten
- Programmiersprachen, Frameworks und Technologien, mit denen sie arbeiten werden
- das Büro, von dem aus sie arbeiten würden
- das Gehalt und die Zusatzleistungen
- der Projektmanagementstil des Unternehmens
Wer in all diesen Punkten überzeugen kann, muss eigentlich nur noch eines tun: darüber reden. Doch beim Arbeitgeberimage tun sich die Unternehmen schwer, wie der Report zeigt. 96 Prozent der Entwickler sagen, ein gutes Arbeitgeberimage ist ihnen wichtig, 76 Prozent davon sagten sogar, es sei ihnen sehr wichtig. "Employer Branding – das bedeutet schlicht und einfach: zunächst mal ein guter Arbeitgeber für Entwickler werden – und dann möglichst viel darüber reden. Gerade weil Entwickler ein Überangebot an Jobs erhalten ist es wichtig, seine Arbeitgebermarke herauszustellen und im Wettbewerb zu überzeugen", bestätigt Stefan Schwarzgruber, der bei Stack Overflow für den deutschsprachigen Raum zuständig ist.
Und: wer im Wettbewerb als Arbeitgeber herausstechen möchte, sollte nicht nur auf der schwäbischen Alb nach Entwicklern suchen, sondern international. Tatsächlich suchen jedoch nur 14 Prozent der Unternehmen EU-weit und nur 24 Prozent international. Außerhalb Deutschlands sind besonders die kleinen Unternehmen mit unter 250 Mitarbeitern auf Suche. Und sind nicht-deutschsprachigen Kandidaten gegenüber offener als in größeren Betrieben. 26 Prozent der größeren Unternehmen haben Englisch als Teamsprache, um für Entwickler aus der ganzen Welt attraktiv zu sein. Dagegen heißt es bei 44 Prozent der kleineren Unternehmen "We speak English".