Apple und Facebook zahlen Frauen künftig das Einfrieren ihrer Eizellen, damit diese erst einmal Karriere machen und später eine Familie gründen können. Das mag ein durchaus streitbares Angebot sein, aber es ist ein Anfang: Unternehmen müssen sich in Zukunft mehr Gedanken darüber machen, wie sie fähige Köpfe für sich gewinnen.
Ob das sogenannte "Social Freezing" der Garant dafür ist, dass topausgebildete Frauen sich in Scharen bei den beiden US-Konzernen bewerben, sei einmal dahin gestellt. Aber einen Versuch ist es sicher wert.
Denn die Botschaft an potentielle Bewerberinnen ist: "Wenn ihr Karriere und Kinder wollt, finden wir einen wie auch immer gearteten Weg, euch das zu ermöglichen." Und ohne Entgegenkommen werden Unternehmen es immer schwerer haben, geeignete Mitarbeiter zu finden. Sie müssen sich bei ihren Fachkräften bewerben, nicht umgekehrt.
"Wir sprechen hier nicht von der Zukunft, sondern das ist heute schon die Arbeitsrealität", bestätigt Adam Miller, Gründer und CEO von Cornerstone OnDemand, einem Anbieter von Talent Management Software. "30 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland, Österreich und der Schweiz gehören zur Generation der Babyboomer, sind also über 60. Das heißt, die gehen in den nächsten fünf Jahren in Rente", sagt er.
So steht es um die Personalplanung in deutschen Unternehmen
85 Prozent aller Personaler entwickeln die Strategie zur Personalbeschaffung ausschließlich mit der Geschäftsleitung - und fragen bei den Fachbereichen gar nicht erst nach.
Quelle: Studie "Personalbedarfsplanung und -beschaffung in Unternehmen" der Unternehmensberatung Hays.
82 Prozent berücksichtigen keine Freiberufler bei der strategischen Personalplanung.
81 Prozent aller Personalverantwortlicher sind unzufrieden mit der Deckung ihres Personalbedarfs.
72 Prozent der Fachbereiche sehen sich in der Hauptverantwortung bei der Personalbeschaffung.
58 Prozent legen eine Personalstrategie zur Bindung festangestellter Mitarbeiter an.
Die Unternehmen im deutschsprachigen Raum müssen also in den nächsten fünf Jahren eine ganze Menge Stellen nachbesetzen. Auch der kürzlich erschienene "Hays Global Skills Index 2014", der vom Personaldienstleister Hays in Zusammenarbeit mit Oxford Economics erstellt wurde, malt ein entsprechendes Bild.
Demnach verschärfe sich der Fachkräftemangel in Zukunft nicht nur wegen des demografischen Wandels, sondern auch durch die zunehmende Erholung der Weltwirtschaft und die Schaffung von immer mehr qualifizierten Arbeitsplätzen.
Nicht jeder Job ist gefragt
Besonders begehrt sind IT-Kräfte und Ingenieure, und werden es auch künftig sein. Besonders hoch ist der Bedarf in Industrieländern wie den USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien. "Die Gruppe der Arbeitnehmer hat sich gespalten: Fachkräfte, Ingenieure und High Potentials bekommen ganz schnell einen neuen Job. Übrig bleiben die Geringqualifizierten", sagt Miller.
Viele Jobs, die früher Menschen mit einer niedrigen Qualifizierung übernommen haben, gebe es gar nicht mehr, weil Roboter und Maschinen die Aufgaben übernähmen. "In Märkten mit geringen Arbeitskosten gibt es noch Jobs für gering- und unqualifizierte Kräfte", sagt auch Vincent Belliveau, zuständig für den Bereich Europa, Mittlerer Osten und Afrika bei Cornerstone OnDemand. So ist die Lage für ungelernte Kräfte beispielsweise in Brasilien, Mexiko und Indien sehr entspannt, wie der Hays-Bericht zeigt. Nur eben in Deutschland nicht.
Deutsche Unternehmen suchen in der Regel Arbeitnehmer mit guten Abschlüssen. Doch die werden aus den genannten Gründen immer weniger. Also heißt es nicht mehr, Rosinen picken und fragen: "Warum sollten wir denn ausgerechnet Sie einstellen?", sondern sich selbst rausputzen, auf Bewerber zugehen und denjenigen, die einen Arbeitsvertrag unterschreiben, auch auf Dauer etwas bieten. Sonst sind die klugen Köpfe nämlich schneller wieder weg, als der Personalchef "Fachkräftemangel" sagen kann.
Und wer zur Konkurrenz geht, hinterlässt nicht nur einen leeren Schreibtisch, sondern nimmt auch Wissen mit. In einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young gaben rund 21 Prozent der befragten Unternehmen an, dass im Zuge der Abwerbung von Angestellten wichtiges Firmenwissen gleich mit abgeflossen sei.
"Meistens sind es nämlich die eigenen Mitarbeiter, die Konkurrenten Zugang zu sensiblen Informationen verschaffen", weiß Marcus Lentz, Geschäftsführer der bundesweit tätigen Detektei Lentz & Co. GmbH. Statistisch gelangen durch abgeworbene Mitarbeiter mehr Betriebsgeheimnisse an die neugierigen Mitbewerber als durch Hackerangriffe oder Abhöraktionen, wie die Studie zeigt.
Gute Beispiele aus der Praxis
Aber wie findet man ihn denn jetzt, den guten Mitarbeiter? Hier gibt es diverse Best Practice-Beispiele: Im vergangenen Jahr hat beispielsweise die Berliner Agentur für Personalmarketing zum Valentinstag Eintrittskarten für ein Vorstellungsgespräch verteilt. Die Mitarbeiter verteilten die Valentinskarten samt Einladung zu einem garantierten Vorstellungsgespräch auf der Straße. Wer eine Karte mitnahm, konnte sie wahlweise selber ausfüllen oder weiter verschenken.
Die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers schickt Studenten zusammen mit Mitarbeitern auf Segeltörns in die Nordsee, den Atlantik oder ins Mittelmeer. Und der Düsseldorfer Konsumgüterkonzern Henkel veranstaltet Wettbewerbe für Studenten, die ein fiktives Produkt plus eine passende Vermarktungsstrategie entwickeln sollen.