Fachkräftemangel So funktioniert die Mitarbeitersuche auch ohne immer neue Benefits

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Unter den eigenen Mitarbeitern schlummern Potentiale

Der zweite Ansatz, wie Unternehmen im Wettbewerb um Fachkräfte Erfolg haben können, ohne sich in die Spirale von immer noch mehr Benefits zu begeben, kommt von der Firma Better Brands aus dem fränkischen Leinburg. Die Marketingberater haben einen Ansatz entwickelt, wie Unternehmen erst einmal bei sich selbst anfangen können. Der Gedanke dahinter: Zufriedene Mitarbeiter sind die Voraussetzung dafür, dass neue Mitarbeiter im Unternehmen ankommen und bleiben. Peer-Holger Stein und Thorsten Weich nennen das Verfahren die LKW-Formel – Learn, Keep, Win.

Am Anfang steht also das Verstehen, wie es den eigenen Mitarbeitern geht, wie motiviert sie sind und was ihre Ziele im Unternehmen sind – oder ob sie schon innerlich gekündigt haben. „Als Unternehmer muss ich mich fragen: Was triggert die Zufriedenheit, die sich nachher auch positiv auf die Bewertungen bei Kununu und auf die Mund-zu-Mund-Propaganda auswirkt“, sagt Thorsten Weich. Zwei Faktoren seien dafür wichtig, die Mitarbeitermotivation und die Identifikation mit dem Unternehmen. Daraus lassen sich Schlüsse ziehen, wie Schritt zwei – das Halten der Mitarbeiter – gestaltet sein sollte. Erst wenn die vorhandenen Mitarbeiter zufrieden sind, kann man ans Gewinnen neuer Mitarbeiter denken, so das Konzept.

Die Marketingstrategen, die ursprünglich im Produktmarketing tätig waren, haben die Kategorien aus diesem Bereich auf das Employer Branding übertragen und eine Matrix entwickelt, anhand der Unternehmen herausfinden können, wie hoch der Anteil ihrer Mitarbeiter ist, die sowohl motiviert sind als auch eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen haben. Sie sind gewissermaßen der Idealfall.

Thorsten Weich und Peer-Holger Stein haben Methoden des Marketings auf Unternehmen angewendet, die auf Mitarbeitersuche sind. Quelle: PR

Die Motive für die Motivation einzelner Mitarbeiter sind individuell – wie dies jedoch mit den Angeboten der Firma zusammenpasst, lässt sich beeinflussen. Stein und Weich nennen es das Schlüssel-Schloss-Prinzip: Auf der einen Seite Wünsche und Bedürfnisse der Mitarbeiter, deren Erfüllung in Motivation mündet, auf der anderen Seite das Firmenangebot bestehend aus Geld, Benefits sowie emotionalen Kriterien wie Work-Life-Balance, Führungskultur und so weiter.

In einer Studie mit mehr als 2000 Teilnehmern aus 17 Branchen fanden die Marketing-Fachleute folgendes heraus: 19 Prozent der Mitarbeiter hatten eine hohe Eigenmotivation, 61 Prozent waren durchschnittlich motiviert (das bedeutet, sie verrichten Dienst nach Vorschrift), 20 Prozent hatten innerlich gekündigt. Die zweite Benchmark betrifft die Identifikation mit der eigenen Firma. Hier wiesen 20 Prozent der Mitarbeiter eine hohe Identifikation auf, 55 Prozent eine ambivalente, das heißt, sie stehen kritisch zur Unternehmensführung. 25 Prozent konnten sich nicht mit ihrem Unternehmen identifizieren und hatten sich von der Führung abgewendet.

Nun korrelieren nicht die beiden Spitzengruppen zwingend miteinander. Nicht alle, die motiviert sind, können sich mit ihrem Unternehmen identifizieren und umgekehrt. Es bleibt bei einer Schnittmenge von elf Prozent, die nach diesem System die idealen und zufriedenstmöglichen Mitarbeiter sind – das Ziel einer jeden Unternehmensführung. Neun Prozent sind motiviert, aber identifizieren sich nur mäßig – hier steckt laut Stein und Weich das größte Potential. „Das Problem sind vor allem die, die hoch eigenmotiviert sind, aber Schwächen bei der Identifikation mit der Firma haben. Da droht Abwanderung“, sagt Weich. Potential und Verlustrisiko bei dieser Gruppe sei gleichermaßen hoch, so Thorsten Weich.

Bei 30 Prozent der Mitarbeiter hingegen kommen null Motivation und null Identifikation zusammen, während die größte Gruppe (42 Prozent) mäßig motiviert ist und mäßig mit dem Unternehmen in Einklang steht. Hier könnte noch etwas zu machen sein, während bei ersterer Gruppe empfohlen wird, sie loszuwerden. All diese Mitarbeiter sind aber irgendwann einmal ins Unternehmen eingetreten. Warum sie das getan haben, sollte jedes Unternehmen analysieren, sagt Weich. „Welche Faktoren gezogen haben, muss ich herausarbeiten, um meine Kernzielgruppe zu bestimmen und auch richtig in der Kommunikation bei Stellenbeschreibungen rüberbringen. Denn die Generationen Y und Z muss ich am richtigen Punkt erreichen, sie wollen nicht wie die Generationen davor 'nur' ihren Job machen. Die wollen auch Familie und Freizeit.“

Fazit: Durch das Herausfinden der Motivations- und Identifikationsgrade unter den eigenen Mitarbeitern können Unternehmen gezielt Bedürfnisse erkennen und Schwachstellen im eigenen Angebot beseitigen. Treiber und Führungskandidaten in der eigenen Belegschaft können identifiziert, ungenutzte Potentiale gehoben werden. So kann der Faktor Fluktuation beim Fachkräftemangel schon einmal reduziert werden. Neue Mitarbeiter dagegen fühlen sich von einem Unternehmen mit motivierten und zufriedenen Mitarbeitern eher angezogen, kommen möglicherweise sogar durch Hörensagen darauf, sich dort zu bewerben.

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