Finanzvorstand Vom Chef-Controller zum Konzernlenker

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Chefwechsel der Unternehmen

Als Siemens bekannt gab, Kaeser werde Peter Löscher ablösen, stieg der Aktienkurs um zwei Prozent an – eine Wertsteigerung von knapp 1,5 Milliarden Euro. Nachdem die Telekom am 20.12.2012 um 14.48 Uhr den Wechsel von Obermann zu Höttges verkündet hatte, war das Unternehmen am Abend etwa 460 Millionen Euro mehr wert als vor der Bekanntgabe des Chefwechsels.

„Wenn man sich die vergangenen Personalien anschaut, lässt sich ein Muster erkennen“, sagt Klaus-Peter Gushurst, Deutschland-Chef der Strategieberatung Strategy&. „In jüngster Vergangenheit haben wir beobachten können, dass Unternehmen ihre Vorstände umsortieren, sobald sie in schwierige, vor allem finanziell schwierige Situationen kommen.“

Sicherheit und Risikobewusstsein

Da passt auch der oberste Allianz-Vertreter ins Muster. Bäte erbt zwar auf dem Papier einen gesunden Konzern – doch die anhaltend niedrigen Zinsen sorgen für Druck im Geschäft mit den Lebensversicherungen. Sollte sich die Euro-Krise noch einmal verschärfen und Italien größere Probleme bekommen, wäre das auch für die Allianz schlecht: Schließlich hält der Versicherungskonzern rund 30 Milliarden Euro in italienischen Staatsanleihen.

Aber, vermutlich gilt, was ein ehemaliger Finanzvorstand und heutiger Dax-Chef sagt: „Als CFO lernt man gut, mit Komplexität und Schnelligkeit umzugehen.“

Zum neuen Selbstbewusstsein und der veränderten Rolle spielt den Finanzern so auch die aktuelle Gemütslage in einer Wirtschaftswelt, in der die einzige Kontinuität im besten Falle Wandel, und im schlechtesten Falle Umbruch heißt, in die Hände. Der Zahlenfachmann steht für Sicherheit und Risikobewusstsein.

Ein Zahlenmann wagt auch mal Einschnitte

Als etwa der damalige Lufthansa-Finanzchef Stephan Gemkow in Frankfurt seine Köfferchen packte, um fortan als Vorstandschef das Unternehmensreich der Haniel-Sippe in Duisburg zu verwalten, herrschten am neuen Wirkungsort unübersichtliche Zustände. Die Familie Haniel zerstritten, Metro-Aufsichtsratschef Jürgen Kluge und Metro-Vorstandschef Eckhard Cordes verließen das Unternehmen. Da war ein ausgleichender, scheinbar auf objektive Zahlen ausgerichteter Manager wie Gemkow genau richtig. Zudem bei Haniel die ein oder andere Transaktion anstand, um das Firmengeflecht zu entwirren.

Ein Zahlenmann wagt auch mal Einschnitte, stößt Geschäftsbereiche ab, damit andere wachsen können. Das fällt einem CEO mit technischem Hintergrund deutlich schwerer. „Der Finanzvorstand hat nicht so eine starke Bindung zum Produkt und trifft deshalb oft rationalere Entscheidungen“, sagt Kienbaum-Manager Kracht.

Kreativität und die Kraft, ein Unternehmen neu zu erfinden

Damit trotzdem kein Verdacht aufkommt, die nicht in allen Unternehmensbereichen geschätzte Mentalität des CFOs eins zu eins auf das neue Amt zu übertragen, setzt etwa Gisbert Rühl voll auf die Kraft der kreativen Zerstörung. Zum Beispiel, indem er einen zweistelligen Millionenbetrag in Start-ups investiert, die die eigene Wertschöpfungskette angreifen sollen. „Wenn wir es nicht machen, macht es jemand anders“, sagt Rühl.

Kreativität und die Kraft, ein Unternehmen neu zu erfinden – zwei Eigenschaften, die wohl kaum jemand mit dem Finanzer in Verbindung bringt. Aber ein absolutes Muss in einer Zeit, in der sich ein Vordenker wie Amazon-Gründer Jeff Bezos permanent fragt, was sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren eigentlich nicht ändern wird. Wäre es da vorstellbar, dass im Silicon Valley, wo sie an der Zukunft arbeiten, ein Controller plötzlich Vorstandschef würde? Hätte Apple das iPhone erfunden, wenn ein Buchhalter statt Steve Jobs an der Spitze des Unternehmens gestanden hätte? Oder der Elektroautohersteller Tesla – würden diese futuristischen Sportwagen heute auch herumfahren, wenn Elon Musk sich nur auf den Deckungsbeitrag verlassen hätte?

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