Finanzvorstand Vom Chef-Controller zum Konzernlenker

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Kundenpflege und Entwicklung neuer Produkte

Vermutlich nicht. „Ein CFO ohne strategischen Weitblick kann kein erfolgreicher CEO sein“, sagt Thomas Fischer, der einen Lehrstuhl für Rechnungswesen und Controlling an der Universität Erlangen-Nürnberg innehält. „Vorstandsvorsitzende wie Joe Kaeser oder der BASF-CEO Kurt Bock sind Unternehmerpersönlichkeiten, die vorher schon in vielen Bereichen und Funktionen gearbeitet haben“, sagt er.

So war Siemens-Chef Kaeser bereits als Chefstratege des Unternehmens unterwegs, arbeitete in Malaysia und Kalifornien. Kurt Bock verantwortete bei Robert Bosch das Brasilien-Geschäft und war bei BASF für den Bereich Logistik und Informatik zuständig.

Verschiedene Einsichten in Geschäftsprozesse zu erlangen – eine Grundvoraussetzung für Innovationen. Der Harvard-Professor Clayton M. Christensen zeigte schon in seinem fast 20 Jahre alten Standardwerk „The Innovator’s Dilemma“ auf, wie kerngesunde Unternehmen sich selbst schwächen, wenn sie immer nur die gleiche Brille aufsetzen. Unternehmen mit Kundenfokus können etwa Probleme dabei haben, weil sie ihr Hauptaugenmerk auf die Pflege bestehender Kunden konzentrieren. Und eben nicht auf die Entwicklung neuer Produkte.

Womit wir wieder bei Gisbert Rühl wären, dem Klöco-Chef, der immerhin dem Geist des Silicon Valleys schon mal nahegekommen ist. Und gerne aus „The Innovator’s Dilemma“ zitiert. Ob ihn seine Vergangenheit als CFO trotzdem manchmal bremse? Er grübelt und sagt dann: „Ich würde niemals etwas tun, das das Unternehmen in Gefahr bringen könnte.“

Umstrukturierung

Wenn Finanzvorstände im Amt des Vorstandschefs nicht vollends reüssieren, dann oft wegen kleinerer Dinge als der digitalen Revolution. So mangelt es dem Metro-Chef Olaf Koch wohl vor allem am diplomatischen Geschick. Er schaffte es etwa noch nicht, eine Lösung im Machtkampf mit dem Media-Saturn-Minderheitseigner Erich Kellerhals auszuhandeln. Auch mit Gemkow, Chef des Metro-Haupteigners Haniel, verbinden ihn nicht gerade freundschaftliche Gefühle. Der ganz große Wurf für die Zukunft des einstigen Dax-Absteigers fehlt bisher. „Die Wertentwicklung bei Metro ist seit Jahren nicht so, wie wir sie gerne hätten“, krittelte Gemkow etwa im Februar in einem Interview mit der „Welt“ und fügte noch vielsagend hinzu: „Mit dieser Feststellung will ich nicht die Leistung des Managements bewerten.“

Vielleicht passen auch RWE und E.On gut zu den Erfahrungen. Mit Peter Terium und Johannes Teyssen stehen dort zwei ehemalige CFOs an der Spitze. Die Strombranche kämpft gerade gegen die Probleme der Energiewende und um ihre Zukunft. Visionen oder Umstrukturierung könnten helfen. Für welchen Weg sich zumindest Teyssen entschieden hat, ist klar. Der E.On-Chef trennt sich von den Bereichen Erdgas, Kohle und Nuklearenergie. Er setzt, zunächst, in erster Linie auf Umstrukturierung.

Wenn Ex-CFO auf Ex-CFO trifft, dann geht es schnell um Themen wie Dividendenhöhe, die Abspaltung von Unternehmensteilen – selten aber um große Revolutionen. Kritikpunkte, weswegen man etwa in der Autoindustrie noch skeptisch gegenüber Finanzern als Chef ist.

Sich auf kreative Denkprozesse einlassen – das ist die eine große Herausforderung für den Finanzexperten. Die andere große Aufgabe, mit der sich die Neu-CEOs konfrontiert sehen, ist die Aufmerksamkeit, die ihnen plötzlich zuteilwird.

Training für CFOs

MTU-Mann Winkler etwa zählt Interviews und Pressekonferenzen nicht zu seinen Lieblingsaufgaben. „Aber auch das gehört zur Rolle, und jedes Wort wird genau beobachtet“, sagt er. „Auf einmal bist du der Kopf, der das Unternehmen repräsentiert“, sagt auch Klöco-Chef Rühl. Um sich auf diese Aufgaben vorzubereiten, absolvieren manche CFOs sogar ein Training. So zog Telekom-Chef Höttges vor seinem Amtsantritt für sechs Wochen ins Silicon Valley um einem Sommerkurs für Top-Manager an der Stanford-Universität zu absolvieren.

Die nächste Generation CFO soll das schon von Beginn an beherrschen. Das findet jedenfalls der Nürnberger Professor Fischer. Er arbeitet eng mit Siemens-CFO Ralf Thomas zusammen. Gemeinsam entwickeln sie für die Studenten Aufgaben aus der Praxis. Ihr Ziel: „Wir wollen nicht, dass die Studenten nur die Buchhalterbrille aufhaben, sondern auch die Auswirkungen ihrer Rechnung ganzheitlich betrachten und lernen, Szenarien zu entwickeln“, sagt Fischer. Das alles führt dazu, dass sich mittlerweile auch Studenten bei ihm einschreiben, die sich früher niemals für den Bereich interessiert hätten.

Und doch gibt es noch die eine Sache, bei der man den Finanzer nicht aus dem CEO bekommt. „Egal, was ich mache, ich habe immer diese eine Zahl im Kopf“, sagt Rühl. „Diese eine Zahl, die ich mit keiner Investition oder keinem Zukauf überschreiten würde.“ Diese eine Zahl, das ist die Summe, mit der Rühl, falls die Investition schiefgehen würde, das Unternehmen ernsthaft in Gefahr bringen würde.

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