Frank-Jürgen Weise "Mit Basisdemokratie hat man keinen Erfolg"

Der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA) und Oberst der Reserve erklärt, was die BA mit der Bundeswehr gemein hat und warum die Armee ein Karrieresprungbrett sein kann.

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Frank-Jürgen Weise Quelle: Martin Hangen für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Weise, „Haben Sie gedient“ – wie wichtig ist diese Frage bei Vorstellungsgesprächen in der BA?

Weise: Diese Frage stellen wir nicht, denn es geht uns ums Können, Wissen und Wollen der Bewerber – und das kann man auf vielfältige Weise erwerben. Aber: Wir wissen aus Erfahrung, dass von der Bundeswehr viele kommen, die sehr gut qualifiziert sind.

Was können Ex-Offiziere besser als Ungediente?

Nicht, dass sich diese Qualitäten nicht auch bei Ungedienten fänden. Aber klar ist: Offiziere kennen sich mit komplexen Organisationen gut aus, beherrschen die Auftragstechnik und können mit Rückschlägen gut umgehen.

Sie sind selbst Oberst der Reserve – wie sehr prägt dieser Hintergrund Ihre Arbeit als Chef der BA?

Ich habe sicherlich einen Teil meines Führungstrainings, das ich als Offizier des Heeres genossen habe, eingebracht. Bevor ich etwas beurteile, brauche ich ein Lagebild. Dazu gehören umfassende Informationen und unterschiedliche Meinungen. Am Ende steht eine Entscheidung, die entschlossen umgesetzt wird.

Erläutern Sie das bitte an einem Beispiel.

Die Vorbereitung zu unserer Pressekonferenz zum Arbeitsmarkt. Da geht es um jede Formulierung. Ein falsches Wort könnte völlig missverstanden werden. Daher lasse ich mich am Vortag umfangreich durch unsere Arbeitsmarktberichterstattung über die Entwicklungen und Hintergründe informieren. Am Tag der Konferenz sitzen Vorstand, Wissenschaftler und weitere Fachleute zusammen, besprechen die Lage, wägen Argumente ab und kommen zu einem Urteil. Die Argumentation, auf die wir uns einigen, halten wir durch.

Und wie übertragen Sie Ihre Erfahrungen, die Sie als Offizier gesammelt haben, auf die Organisation der Bundesagentur?

Nehmen wir den Führungskompass – ein Leitfaden für die Führungskräfte unserer Organisation: Darin finden sie Formulierungen und Inhalte, die an den Führungsstil der Bundeswehr angelehnt sind – beispielsweise in angepasster Form das Modell Führen mit Auftrag...

...das vorherrschende Führungskonzept in der Bundeswehr...

...bei dem der Vorgesetzte keinen sturen Befehl gibt, sondern einen Auftrag. Das heißt, er gibt zwar das Ziel vor, der Soldat entscheidet aber, wie der Weg dorthin aussieht.

Was Manager von Offizieren lernen können

Sie haben bei der BA auch eine Führungsakademie eingerichtet, ähnlich der der Bundeswehr. Warum?

Vor der Reform der BA waren wir eine Behörde, die für den Vollzug von Vorgaben der Politik zuständig war. Seit dem Umbau ab 2003 erwartet die Politik eine aktive und kluge Umsetzung ihrer Ziele. Dafür brauchten wir neues, besser geschultes Führungspersonal.

Was lernen die Führungskräfte denn heute konkret an der Akademie der BA?

Führen über Ziele, wie man Projekte aufbaut und zum Erfolg führt, Umgang mit Mitarbeitern, Businessknigge – um nur mal einen kleinen Einblick zu geben.

Karrieresprung durch gesellschaftlichen Beitrag

Diese Manager haben gedient
Josef Ackermann Quelle: dapd
Stephan Winkelmann Quelle: REUTERS
Hartmut Mehdorn Quelle: dpa
Thomas Enders Quelle: REUTERS
Alan Lafley Quelle: REUTERS
Björn Gornik Quelle: Nils Hendrik Müller für WirtschaftsWoche
Stefan Schwille Quelle: Klaus Weddig für WirtschaftsWoche

Klingt natürlich erst mal gut. Andererseits: Wer an Bundeswehr denkt, hat zuerst Befehl und Gehorsam im Kopf. Sind solche Prinzipien in Unternehmen mit flachen Hierarchien und Mitarbeitern, die Mitspracherecht einfordern, noch angebracht?

Wer spricht von Befehl und Gehorsam? Wir führen über Ziele. Natürlich muss es in Streitfällen eine klare Entscheidung geben, die dann umgesetzt wird, und bei bestimmten gesetzlichen Vorgaben haben wir keine Handlungsspielräume. Zu guter Unternehmensführung gehört es, die Mitarbeiter zu hören und ernst zu nehmen. Aber es ist klar: Unternehmen brauchen Führung. Mit Basisdemokratie wird man keinen Erfolg haben. Insofern nähern sich die Herausforderungen von Managern und Offizieren an.

Das müssen Sie erläutern.

Als Soldaten müssen wir in komplexen Lagen sofort entscheiden. Zum Beispiel: Sie sind Kapitän im Einsatz Atalanta vor der Küste Somalias. Ein Schiff nähert sich, und Sie müssen entscheiden, sind das harmlose Fischer oder Piraten mit Waffen in der Hand. Der Zeitdruck bei Entscheidungen und deren Komplexität wächst auch in der zivilen Welt. Als Manager müssen Sie die Erwartungen der Mitarbeiter, Berichterstattung der Medien und das volatile Wirtschaftsumfeld ständig im Blick haben und darauf reagieren. Das erfordert Konzentration, Klarheit und Entschlossenheit.

Sagen Sie das aus persönlicher Erfahrung?

Ja. Ich habe selbst dann zu etwas Ja gesagt, wenn die meisten skeptisch waren. Das müssen Manager tun, vor allem wenn Standorte geschlossen oder Bereiche eröffnet werden.

War es schwierig für Sie, nach zwölf Jahren Bundeswehr in der Wirtschaft Fuß zu fassen?

Wegen meines BWL-Studiums an der Bundeswehrhochschule habe ich relativ gute Angebote bekommen. Dennoch hatte ich beim Umstieg durchaus Probleme.

Welcher Art?

Ich habe Vorgesetzte erlebt, die fachlich sehr kompetent waren, führungstechnisch aber eine Katastrophe. Schlechte Organisation, keine klar definierten Kompetenzbereiche – das kannte ich so nicht.

Sie haben Florian Gerster, Ihren Vorgänger als BA-Chef, der Sie damals zur BA geholt hat, auf einer Wehrübung kennengelernt. Ist die Bundeswehr noch immer ein Karrieresprungbrett?

Soldaten und auch Reservisten kennen die Fähigkeiten, die man bei der Bundeswehr erwirbt. Deshalb beziehen sie auf der Personalsuche Soldaten in ihre Überlegungen mit ein. Außerdem glaube ich, wenn sich junge Menschen dafür entscheiden, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten – egal, ob Bundesfreiwilligendienst, freiwilliges soziales Jahr oder Dienst in der Bundeswehr –, ist das immer gut für ihre Entwicklung. Wenn sie außerdem das Führungstraining der Bundeswehr genießen, dann kann das zum Karrieresprung führen.

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