Frauenförderung ist ein heikles Thema. Die Öffentlichkeit schreit nach Frauen in Führungspositionen, und auch die Wissenschaft belegt, dass Unternehmen wertvolles Potenzial verschenken, wenn sie männlich dominiert werden. So gilt es mittlerweile als erwiesen, dass gemischte Teams besser arbeiten als reine Männerteams. Zusätzlich droht der Fachkräftemangel, der Unternehmen ohnehin dazu zwingt, neue Mitarbeiter- und Führungskräftegruppen zu erschließen – in diesem Zusammenhang ausgerechnet die Gruppe der gut ausgebildeten Frauen zu vernachlässigen, wäre abwegig.
Doch in der Praxis, auch das ist bekannt, fällt es Unternehmen oft schwer, den Frauenanteil in Fach- und Führungspositionen zu steigern. An welchem Hebel soll man ansetzen? Genügt es, an Frauen zu appellieren, dass sie ihres eigenen Glückes Schmiedinnen sein müssen? Oder wäre es eher geboten, eine großflächige innerbetriebliche Angebotspalette aus Frauenförderungselementen zu initiieren?
Zwei Möglichkeiten der Frauenförderung
Die erste Möglichkeit, soviel ist bereits absehbar, erfüllt ihren Zweck nicht. Auf welche Faktoren man die derzeitige Lage der Dinge auch zurückführen mag: Auf gesellschaftliche Zwänge, auf anerzogene Dispositionen, auf enge Männernetzwerke oder gar auf biologische Programmierung – der bloße Aufruf an Frauen, sie mögen die Führungsränge stürmen, scheint die entscheidenden Faktoren nicht außer Kraft setzen zu können.
Die zweite Möglichkeit, die sogenannte „Frauenförderung“ ist in den letzten 5-10 Jahren vor allem in Großkonzernen viel erprobt worden: Mit internen Mentoring-Projekten, Coaching-Angeboten, speziellen Trainings oder Aktionstagen für Bewerberinnen versuchte man, auf die Zielgruppe zugeschnittene Förderangebote zu implementieren. Das Problem dabei: Viele Frauen nutzen diese Angebote nur ungern. Denn jedes interne Förderangebot für Frauen bringt immer auch ein stigmatisierendes Element mit sich – zumindest aus Sicht vieler Beteiligter. Eine Frau, die bei sich eine Beweislast dafür empfindet, dass sie „es“ genauso gut kann wie ein Mann, wird sich scheuen, derartige Fördermaßnahmen anzunehmen und sich damit als „bedürftig“ darzustellen.
Die reichste Frau der Welt
Gemischte Teams sind erfolgreicher
Aber wie begegnen Unternehmen diesem Dilemma am besten? Ein wichtiger Schlüssel zur Steigerung des Frauenanteils liegt in der richtigen Mischung aus Besetzungspolitik, Netzwerken, externen Angeboten und internem Empowerment. Bei der Besetzungspolitik müssen Unternehmen vor allem ihre Auswahlmechanismen hinterfragen und schlicht mehr Frauen in hohe Führungspositionen berufen – nicht weil eine Quote das vorschreiben würde, sondern weil gemischte Teams einfach erfolgreicher sind.
Leider beklagen viele Unternehmen das Problem, dass qualifizierte Bewerberinnen nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Daher stellt sich automatisch die bereits angerissene Frage, ob eine gezielte Förderung von Frauen in den Unternehmen den Pool der möglichen Kandidatinnen nicht deutlich vergrößern würde. Wie oben beschrieben scheitert die gezielte Unterstützung vor allem an der mangelnden internen Akzeptanz. Der Begriff „Frauenförderung“ weckt negative Assoziationen, er riecht nach positiver Diskriminierung, nach Ungerechtigkeit und nach von oben verordneten Prioritäten, die mit Leistung und Eignung nichts zu tun haben. Fakt ist, dass diese Denkweise bei vielen Frauen vorherrscht. Sie fürchten, sich gerade durch die Annahme von Förderleistungen eher zu schaden und wollen deswegen lieber ohne „Frauenbonus“ nach oben kommen. Das gilt insbesondere für die Quote, die von den meisten Betroffenen besonders ablehnend beurteilt wird.
Kultur der Unternehmen analysieren
Unternehmen können die einseitige Festlegung auf Gruppenzuschreibungen umgehen, indem sie ihre Bemühungen um die Gruppe der Frauen in ein allgemeineres Diversity-Konzept einbinden. Hierbei gibt es zwei Handlungsrichtungen:
Erstens werden die Strukturen und die Kultur des Unternehmens systematisch daraufhin analysiert, inwieweit sie Vielfalt ermöglichen und inwieweit sie diese verhindern, wie beispielsweise bei den oben angesprochenen Besetzungsmechanismen. Anschließend werden strukturelle Veränderungsprozesse initiiert, die zu einem systematischen IST-SOLL-Abgleich einer Organisation führen. Der Abgleich fließt dann in die Anforderungsanalysen für Führungskräfte ein. Diese dürfen aber gerade nicht ausschließlich stereotyp „männliche“ Fähigkeiten und Verhaltensweisen umfassen, sondern es wird je nach strategischer Zielsetzung ein breites Portfolio an erwünschten Kriterien erstellt.
Zweitens setzt man bei der Unterstützung von Führungskräften auf der individuellen Ebene an: Für jeden und jede werden Potenzialanalysen und Anforderungsanalysen zueinander in Beziehung gesetzt und Entwicklungsmaßnahmen abgeleitet. Auf diese Weise kann man zunächst einmal gruppenunabhängig erheben, wer denn nun eigentlich welche Stärken und Defizite hat, ohne diese pauschal vom Geschlecht abzuleiten.
Entwicklungsbedarf bei männlichen Führungskräften
Zudem wird realistischerweise davon ausgegangen, dass auch bei der Gruppe der männlichen Führungskräfte Entwicklungsbedarf bestehen kann - möglicherweise in Bereichen, die erfahrungsgemäß viele weibliche Führungskräfte zu ihren Stärken zählen, wie zum Beispiel Detailorientierung und interpersonale Kompromissfreudigkeit. Ein solches passgenaues „Empowerment“ vermeidet die Diskriminierungsfalle und verspricht tatsächlich vorhandenem Entwicklungsbedarf, unabhängig von Geschlecht oder anderen Gruppenzuordnungen, gerecht zu werden.
Es gibt aber noch eine weitere Möglichkeit, wie Frauen in Führungspositionen gelangen können. Diese ist für Unternehmen wie weibliche Führungskräfte eine elegante Ergänzung zum internen Empowerment: Man wählt den Weg über externe Angebote und vermeidet dadurch unnötige Spannungen im Unternehmen. Es gibt eine Vielzahl von exzellenten überbetrieblichen Netzwerken, Mentoring-Projekten, Trainings, Coachings und anderer Maßnahmen. Sie sind zwar spezifisch für Frauen konzipiert, sind aber keine direkten internen Angebote und werfen somit nicht die Frage auf, wieso Frauen nun „bevorzugt“ werden bzw. wieso Frauen „das denn nötig haben“.
Vorteile von externen Angeboten
Externe Angebote haben noch zwei weitere entscheidende Vorteile: Berufliche Herausforderungen können in einem neutralen Setting fernab der eigenen Arbeitssituation besprochen und bearbeitet werden – das bringt eine konstruktive Distanz und normalerweise auch verstärkte Offenheit in die Gespräche. Weibliche Führungskräfte finden hier den geschützten Rahmen vor, in dem sie auch Schwächen, Zweifel oder ungelöste Fragen zeigen können, ohne dadurch in der von ihnen gefürchteten „Frauenfalle“ zu landen.
Überbetriebliche Fördermaßnahmen
Darüber hinaus bringen überbetriebliche Fördermaßnahmen eine sehr fruchtbare Vernetzung über Unternehmens- und Branchengrenzen hinweg mit sich. Dadurch wachsen nicht nur Beziehungsnetze, sondern es findet auch eine Horizonterweiterung statt, die immer wichtiger wird, je höher eine Führungskraft aufsteigt. Besonders bewährt haben sich in diesem Zusammenhang unserer Erfahrung nach Mentoring-Tandems zwischen arrivierten weiblichen Führungskräften und Nachwuchsführungskräften, sowie sogenannte „After Work Coaching-Gruppen“, in denen in regelmäßigen Abständen eine professionell begleitete Fall-Supervision von beruflichen Fragestellungen stattfindet.
Frauenförderung nein, Empowerment für Frauen ja, so lautet mein Credo. Alle Unternehmen, die sich engagieren und verschiedene Wege zur Steigerung des Frauenanteils erproben, verdienen Anerkennung. Vielversprechend sind jedoch meiner Erfahrung nach nur diejenigen Formate, die sensibel mit der Angst der Frauen vor Stigmatisierung umgehen und die Teilnehmerinnen nicht als defizitär hinstellen, sondern deren Stärken nutzen, um ein sowohl fachlich als auch genderspezifisch ausgeglichenes Führungsteam zu entwickeln. Ein Weg, um den internen „Pranger“ der Frauenförderung zu umgehen, besteht darin, zusätzlich externe Formate zu nutzen – und damit auch dem Unternehmen einen Vernetzungsvorteil zu verschaffen.