Führen mit Witz „Humor macht Chefs das Leben leichter“

Führungskräfte kommen um das Thema Humor kaum herum - und wenn sie nur dessen Ziel sind. Umso ratsamer, das Heft in die Hand zu nehmen, ohne sich zum Clown zu machen. Quelle: imago images

Lachen hebt die Stimmung im Büro. Doch dies gezielt zu fördern, ist eine Kunst. Die Humortrainerin Eva Ullmann erklärt, wie Führungskräfte die richtige Dosis finden – und warum ein vorbereiteter Witz selten funktioniert.

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WirtschaftsWoche: Frau Ullmann, Humor bei der Arbeit hat viele Vorteile: Teams wachsen besser zusammen, die Atmosphäre ist entspannter, sogar der Stresspegel sinkt. Kann man sich als Führungskraft einfach ein Repertoire an Witzen zulegen, die man bei passender Gelegenheit abfeuert?
Eva Ullmann: Es gibt begnadete Witzeerzähler, die das können. Die meisten Menschen sind das aber nicht. Daher rate ich Führungskräften und Mitarbeitern eher davon ab. Vorbereitete Witze sind allenfalls in einer Präsentation wirksam. Was man üben kann, sind Techniken wie Übertreibung oder Umdeutung. Das hilft, in unerwarteten Situationen oder bei Langeweile schlagfertig zu reagieren.

Wie viel Humor, Schlagfertigkeit und Verspieltheit kann ich trainieren? Und wo sind die Grenzen?
Das ist wie bei Musikinstrumenten: Für manche ist es mehr und für manche weniger Arbeit. In Seminaren stelle ich immer wieder fest, wie viel in zwei Tagen möglich ist: Teilnehmer können Humorstile voneinander unterscheiden, sind verspielter und schlagfertiger. Sehr logisch denkende und introvertierte Menschen tun sich meist etwas schwerer. Aber es muss auch nicht jeder ein extrovertierter Clown sein!

Sie beschreiben in Ihrem Buch „Humor ist Chefsache“ (erscheint im November, Anm. d. Red.) diesen als Luxusthema – er komme bei allen Vorteilen nicht an erster Stelle im Betrieb. Dennoch widmen Sie der Sache ein ganzes Buch. Warum?
Humor ist nur scheinbar ein Luxusthema. Er bringt uns in der Arbeit genau das, was wir uns wünschen: Gelassenheit, Perspektivwechsel, eine Erleichterung des Arbeitslebens, mehr Wohlbefinden und Freude im Job. Die Vorteile von Humor sind, dass er ganz schnell Aufmerksamkeit bringt, Spannungen löst und Stimmungen managt. Das kann man messen: Wenn ein Kollege eine lustige Geschichte erzählt, springt der nächste bei und innerhalb von wenigen Minuten ist die Atmosphäre eine ganz andere. Schlechte Laune ist genauso schnell ansteckend wie gute.

Das klingt nach gezielter Selbstoptimierung – und damit nach dem Gegenteil von Leichtigkeit.
Es gibt einen großen Unterschied zwischen Selbstfürsorge und Selbstoptimierung. Und was überwiegt, beeinflussen Unternehmen mit. Es ist zum Beispiel nicht sinnvoll, wenn Humorseminare zu Pflichtveranstaltungen erhoben werden. Dagegen wehre ich mich immer, denn ich möchte, dass die Teilnehmer freiwillig kommen. Zu Humor kann niemand verpflichten. Zu Humor kann man nur einladen.

Wie lädt man Menschen zu Humor ein?
Diese Frage beschäftigt mich seit Jahren. Manipulativ sollte das nicht laufen. Aber wenn ich zum Beispiel merke, dass die Stimmung im Team nicht so gut ist, wir aber zu einem bestimmten Ergebnis kommen wollen, dann kann ich Humor einsetzen und der Laden läuft wieder. Das ist keinesfalls manipulativ.

Sie beschreiben den Chef als Sonderfall – er ist immer ein Ziel von Humor, ob er will oder nicht. Wie kann eine Führungskraft da souverän bleiben?
Zunächst: Es gibt Führungskräfte, die auch ohne Humor einen guten Job machen. Allerdings kann er das Leben in der Chefetage leichter machen. Was Sie brauchen, ist die Bereitschaft zur Beobachtung. Lachen Mitarbeiter, wenn ich das Büro verlasse, oder während ich dabei bin? Ein Chef darf ruhig fragen: „Finden Sie mich humorvoll – und wann?“ Für Führungskräfte ist die Herausforderung größer, denn wir erwarten von ihnen auch hohen Status, also zum Beispiel Autorität. Sie müssen zuerst ihrer Fürsorge und Führung gerecht werden.

Wenn ich als Führungskraft neu in mein Team komme – wie finde ich heraus, wie meine Mitarbeiter ticken und welche Dosis Humor passend ist?
Durch Zuhören und Beobachtung. Und durch echtes Interesse. Man kann fragen: „Was haben Sie am Wochenende erlebt, haben Sie Familie?“ In jedem Team wird gelacht.

Und wenn ich in ein Team komme und feststelle, da überwiegt toxischer Humor – Zynismus, Spott und Sarkasmus, was mache ich dann?
Zynischer Humor ist eine Folge bestimmter Strukturen. Die gilt es aufzudecken, wie das entstanden ist. Liegt es womöglich an einem bestimmten Mitarbeiter oder an chaotischer Arbeitsweise? Liegt es am ganzen Unternehmen, weil es vielleicht gerade verkauft wird und Unsicherheit herrscht? Oder wurden zwei Abteilungen zusammengelegt, ohne dabei begleitet zu werden? In gut funktionierenden Teams gibt es nicht nur toxischen Humor, da gibt es eine Bandbreite. Da klebt man dem Kollegen, der gerade Diät macht, einen Schokoriegel an den Rechner und schreibt dazu: „Du willst es doch auch.“ Das ist eine Form von liebevollem Humor, der gute Teams auszeichnet.

Wie kann ein Chef die Stimmung in diese positive Richtung drehen?
Er oder sie muss dann mit einer großen Portion sozialem, aufwertendem, also ungefährlichem Humor in die Abteilung gehen.


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Gibt es auch Situationen, wo sich jeder Humor verbietet?
Eine Führungskraft sollte merken, ob jemand gerade über etwas lachen kann. Es gibt eigentlich keine Situation, wo Humor nicht passt – aber es gibt unpassenden Humor. Ich verabschiede nicht mit einem lockeren Spruch jemandem aus einem Entlassungsgespräch. Aber ich habe vielleicht eine liebevolle Übertreibung im Repertoire, die den Schmerz für denjenigen erträglicher machen kann. Zum Beispiel, indem diese Übertreibung die Besonderheit der Situation erklärt oder den Wahnsinn, der gerade im Unternehmen stattfindet. Das bedarf manchmal auch der Vorbereitung, damit ich das Passende sage. Es kann sogar bei Beerdigungen gelacht werden, wenn liebevolle Geschichten über den Verstorbenen erzählt werden etwa.

Dann gibt es noch die nervigen Alltagssituationen im Unternehmen: zu lange Meetings, ewig redende Kollegen, eine dreckige Küche. Hilft Humor da mehr als Appelle?
Manchmal schon. Ich kannte mal einen Hausmeister, der genervt war, weil er den Müll immer an einer bestimmten Stelle fand, wo er nicht hingehörte. Er schrieb ein Schild: „Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod? Hier den Müll abstellen und Sie finden es heraus!“ Oder in einer Autowerkstatt, wo man genervt war, weil die Autobesitzer häufig in der Werkstatt blieben. Da stand dann ein Schild: „Autoreparatur: 50 Euro. Wenn Sie dableiben: 75 Euro. Wenn Sie helfen: 95 Euro.“ Das sind leichte oder auch mal deftige Übertreibungen, die signifikant etwas ändern. Solcher Humor ist eine gute Ergänzung zur Mahnung und zum Appell. Manche kreative und humorvolle Lösung führt schneller zum Ziel.

Mehr zum Thema: Eine neue Studie zeigt, dass Lachen gegen Stress hilft. Sollten wir also alle kalauern, um besser durch den Bürotag zu kommen? Eher nicht. Der richtige Einsatz von Humor ist ein Spiel mit hohem Risiko.

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