Alles in allem also ein Schwenk von der Generation Alpha zur Generation Weichei oder Biedermann? Oder anders formuliert: Geht Karriere heute auch in nett?
Einerseits ja. Doch die Generation Clever & Smart mag herzlicher sein im Ton als viele ihrer Vorgänger. Unter der gefälligen Oberfläche aber stecken knallharte, konsequente Entscheider, stets dem Wohl des Unternehmens verpflichtet, dem sie sich gerade verschrieben haben.
Riesige Verantwortung
„Auf diesen Personen lastet riesige Verantwortung. Neben dem persönlichen Erfolgsdruck gibt es überall massive Veränderungen, alle Branchen sind globaler und schneller geworden. Auf ihren Schultern lasten riesige Erwartungen“, sagen Haniel-Personaldirektor Sticksel und Kienbaum-Geschäftsführer Fischhuber. „Jede Generation bringt den Phänotyp an Führungskräften hervor, der gerade nötig ist. Der neue Führungsstil ist keine Sozialromantik, sondern die Basis des wirtschaftlichen Erfolgs der Zukunft.“
Olaf Koch hat es vorgemacht. Als der Mann mit dem kantigen, kahlrasierten Schädel vor gut zweieinhalb Jahren, mit damals gerade mal 41 Jahren, den Vorstandsvorsitz beim Handelskonzern Metro übernimmt, ist er der jüngste CEO eines Dax-Konzerns.
Wie sein Vorgänger Eckhard Cordes will Koch das Online-Geschäft stärken, mehr Eigenmarken entwickeln und das lukrative Cash & Carry-Geschäft weiter ausbauen. Weshalb er gerade, als einziger deutscher Top-Manager, zu Putins Wirtschaftsgipfel nach Sankt Petersburg fuhr.
Doch mehr Gemeinsamkeiten mit seinem einstigen Mentor sucht man vergeblich. „Es reicht nicht, wenn der Vorstand ein paar Folien aufmalt und das als die neue Weisheit verkündet“, sagt Koch, als er Ende März 2012 die Bilanzzahlen für 2011 bekannt gibt. Koch wünscht sich kontroverse Diskussionen im Unternehmen, in die möglichst viele Mitarbeiter einbezogen werden müssten. Und geht direkt nach Amtsantritt mit gutem Beispiel voran – so, wie er es in einem Brief angekündigt hatte, den er noch vor seinem offiziellen Amtsantritt an alle damals rund 280.000 Mitarbeiter verschickt hatte.
Koch führt in den ersten drei Monaten seiner Amtszeit Gespräche mit mehr als 300 Top-Managern des Konzerns, sucht den Kontakt zu Marktleitern und Verkäufern. „Veränderungen kann ich nur durch engen Kontakt zur Basis steuern, nicht über Zahlen und Verwaltungsanweisungen“, sagt Koch. „Die Wahrheit lerne ich nur im Laden auf der Fläche und beim Kunden – bei den Menschen also.“
Exkursion an die Basis
Dafür nimmt sich Koch auch immer wieder Zeit. So wie neulich, als er eineinhalb Tage in drei Märkten verbrachte, um mit Abteilungsleitern und Storemanagern zu reden und abtrünnige Kunden kennenzulernen. Ergebnis der Exkursion an die Basis: die Einführung italienischer und spanischer Spezialitäten, für deren Präsentation Koch in den Märkten 100 Quadratmeter frei räumen lässt, um „die Waren mit Liebe und Intensität zu inszenieren“. Also genau so akribisch, wie er seinem Job nachgeht: „Aus ist mein Blackberry nie“, sagt Koch, „zur Not bin ich immer erreichbar.“