Führungskräfte Miese Chefs schaden der Psyche

Eine neue Umfrage zeigt: Der Führungsstil des Vorgesetzten wirkt sich unmittelbar auf Angestellten aus – deren Moral leidet vor allem unter einem autoritären Gutsherrenstil.

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Tyrannosaurus Boss
Der Milchbaron Theo Müller ist als streitbarer Sturkopf bekannt. Bis er kürzlich Heiner Kamps in die Gruppe holte, duldete er lange kaum andere Manager lange in wichtigen Positionen. Seine Söhne spürten den dominanten Patron ebenfalls. "Taucht der Vater auf, werden die Söhne zu Zwergen", erklärte einmal ein Ex-Mitarbeiter. Auch bei der Sanierung ist er wenig zimperlich. Als er 2004 den Ratiopharm-Manager Klaus Rättig holte um einen Großteil der Arbeitsplätze in der Verwaltung einzusparen, soll Müller gefordert haben: "Es muss Blut fließen." Wirklich wütend wird der "Polterpatriarch", wie ihn das „Manager Magazin“ betitelte aber wenn es um Greenpeace geht. Die Aktivisten führten eine Kampagne gegen "Genmilch" von Müller, der beglückwünschte seine Werksschützer dafür, dass sie Greenpeace-Aktivisten mit einem Feuerwehrschlauch vertrieben. Bei einer anderen Protestaktion lief er selbst mit vors Werktor und soll persönlich in Handgreiflichkeiten verwickelt gewesen sein, bei dem Fotografen verletzt und ihre Ausrüstung beschädigt wurden. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Augsburg wegen des Verdachts der Körperverletzung wurden gegen Zahlung von 45.000 Euro an karitative Einrichtungen eingestellt. Quelle: dpa
Da sie oft allein in den Filialen schuften mussten, waren Kassiererinnen bei Anton Schlecker lange ein bevorzugtes Opfer von Überfällen. Auch die Bezahlung sorgte immer wieder für Ärger: Schlecker feuerte Mitarbeiter, um sie über eine hauseigene Zeitarbeitsfirma wieder einzustellen. Verdi bezeichnete Schlecker als "Tyrann mit frühkapitalistischen Allüren" und selbst die damalige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen sprach vom "Wilden Westen". 1998 wurde Schlecker gar zu einer Bewährungsstrafe und umgerechnet zwei Millionen Euro verurteilt, da er einer Mitarbeitern vorgemacht hatte, er würde sie nach Tarif bezahlen. Quelle: dpa
Wolfgang Grupp ist einerseits ein deutscher Vorzeigeunternehmer, der seit Jahren mit seinem Affen im Fernsehen für die hierzulande genähten Trigema-Klamotten wirbt. Gern wettert er auch in Talkshows gegen Größenwahn und Misswirtschaft in globalen Großkonzernen. Doch Grupp gilt auch als Egomane. Der "König von Burladingen" residiert in einer riesigen Villa mit Butler, Privatkapelle und einem protzigen Mausoleum. Im Umgang mit seinem Mitarbeiter pflegt der Patriarch einen eigenen Stil. Als "fürsorglichen Imperator" bezeichnet ihn sein Biograf Erik Lindner. "Vor jeder Näherin muss immer Ware liegen, damit's vorangeht. Wenn da wenig liegt, wird geschwätzt", erklärt Grupp in einer SWR-Doku die Notwendigkeit von Druck im Unternehmen. Quelle: dpa
Beispielhaft auch eine Episode über den Umgang mit Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Für den streitsüchtigen Fabrikanten ein Anlass, ins Grundsätzliche zu gehen. Als eine Aussiedlerin Ende der Neunziger Jahre kurz nach ihrer Einstellung eine zweiwöchige Krankmeldung einreichte, erhielt sie sofort die Kündigung. Daraufhin kehrte die Frau am nächsten Tag trotz eines ärztlichen Attests an die Maschine zurück, entschuldigte sich schriftlich und bat den Trigema-Chef persönlich um eine zweite Chance. Der aber legte sich lieber mit den Doctores an. "Ich habe schon immer behauptet, daß sinnlos krankschreibende Ärzte mitverantwortlich sind für unsere 4,5 Millionen Arbeitslosen und für die Diskriminierung des deutschen Arbeitsplatze", schrieb er an die Ärzte der Näherin. "Um eine korrekte Entscheidung zu treffen, müsste ich zuerst von Ihnen erfahren, wieso Sie zu dieser langen Krankschreibung kommen." Grupp erhielt keine Antwort, die Aussiedlerin keine zweite Chance; sie könne ihren Ärzten sagen, ließ er die Frau wissen, daß "sie verantwortlich dafür sind, daß Sie Ihren Arbeitsplatz auf Probe verloren haben". Quelle: dpa
Der Apple-Gründer Steve Jobs war so geliebt wie gefürchtet. Als "bezaubernden Tyrann" bezeichnete Ex-Mitstreiter Andy Hertzfeld Jobs einmal. Ein Wort des "iGod" konnte die Arbeit von Monaten zunichte machen und so schnell wie Mitarbeiter in seiner besonderen Gunst standen, wurde sie Ihnen auch wieder entzogen. Der Führungsstil war eine Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche. Seine Mails um Mitternacht waren gefürchtet und Mitarbeiter wurden auch mitten in Besprechungen gefeuert oder vor versammelter Mannschaft gedemütigt. "Einen schönen Kuchen hast du da gebacken. Aber als Glasur hast du Hundescheisse genommen", erklärte er dann beispielsweise, wie Alan Deutschman in einem Buch über Jobs schreibt. Quelle: dpa
Der langjährige General-Electric-Boss Jack Welch wurde danach auch zum anerkannten Management-Experten. Doch viele ehemalige Angestellte sind weniger gut auf Welch zu sprechen. Immerhin stammt von ihm die sogenannte 20-70-10-Regel, die er auch praktizierte: Die besten 20 Prozent der Mitarbeiter gehören mit Boni belohnt, die mittleren 70 Prozent gefördert, die schlechtesten zehn Prozent gefeuert. "Minderleister vergiften das Klima", lautet ein beliebter Welch-Spruch. Quelle: rtr

Chef zu werden ist nicht schwer, Chef zu sein dagegen sehr. Auf diese Formel könnte man das Dilemma von Managern bringen.

Wer in der Firmenhierarchie nach oben klettern will, braucht Talent, Fleiß, Biss und eine gute Portion Glück. Das Problem dabei: All das zeichnet noch lange keine gute Führungskraft aus. Im Gegenteil. Und so leiden Tausende von Angestellten regelmäßig unter dem Führungsstil ihres Chefs.

Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation

Einerseits ist das verständlich. Nichts hasst der Mensch so sehr, wie seine persönliche Freiheit beschnitten zu bekommen – aber genau das tun Personalverantwortliche tagtäglich. Qua Position können sie Autonomie einschränken, indem sie Aufträge erteilen und entziehen oder Positionen nach Gutdünken besetzen. Chefs polarisieren von Natur aus.

Die beiden US-Psychologieprofessoren Edward Deci und Richard Ryan postulierten vor einigen Jahren die Selbstbestimmungstheorie der Motivation. Demnach hat jeder Mensch drei universelle psychische Grundbedürfnisse: Autonomie, Kompetenz und soziale Eingebundenheit. Sind die nicht erfüllt, kommt es früher oder später zur emotionalen Schieflage.

Wie wichtig eine gute Führungskraft nicht nur für die Moral der Angestellten, sondern auch für deren seelische Gesundheit ist, zeigt jetzt eine neue Studie (den Link zu der Studie als PDF finden Sie hier) von Nicolas Gillet von der französischen Universität Tours.

Der Wissenschaftler befragte für seine Untersuchung insgesamt insgesamt 1.118 Arbeitnehmer mit einem Alter zwischen 19 und 64. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer lag bei etwa 36 Jahren – manche arbeiteten bei Kleinunternehmen, andere bei Mittelständlern, andere bei Großkonzern mit mehr als 500 Mitarbeitern.

Alle bekamen von Gillet einen umfangreichen Fragebogen, indem sie einerseits Angaben zu ihrem Arbeitsplatz machten sollten – welchen Führungsstil ihr Vorgesetzter hatte, ob sie sich von ihrem Arbeitgeber unterstützt fühlten und ob sie eigenständig arbeiten konnten. Andererseits sollten sie angeben, wie glücklich und zufrieden sie mit ihrem Job waren und ob sie sich dort wohl fühlten.

Verrückte Chefs sind oft kreativ und kommunikativ, aber Arroganz und Größenwahn führen eines Tages ins Verderben. Die fünf Typen der Psycho-Chefs.
von Daniel Rettig

Eigenständigkeit sorgt für Zufriedenheit

Und siehe da: Je stärker der Vorgesetzte die Eigenständigkeit der Angestellten förderte, desto eher waren deren Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit erfüllt – und desto glücklicher und zufriedener waren sie auch mit ihrer Arbeit.

Ein autoritärer Gutsherrenstil à la „Ich bin Chef, du nix“ hingegen wirkte sich enorm negativ auf die Arbeitsmoral aus: Neigte die Führungskraft zum Kontrollwahn und ständigen Druckausüben, litt darunter auch das Wohlbefinden der Angestellten.

Die Ergebnisse sind zwar keine Sensation – taugen aber dennoch dazu, Personalverantwortliche an ihre Pflichten zu erinnern. „Vorgesetzte sollten die Eigenständigkeit der Mitarbeiter fördern“, rät Nicolas Gillet, „anstatt ihnen ständig Deadlines zu setzen und sie unter Druck zu setzen.“

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