Geschult wird die volle Bandbreite weicher Führungsfähigkeiten: Offenheit und aktives Zuhören, das Überdenken eigener Werte und Maßstäbe, das Verständnis für Menschen in anderen Lebenssituationen. Und die Erkenntnis, dass man nicht für jede Situation eine Lösung parat haben muss. "Das bringt Führungskräfte, die sonst immer alles im Griff zu haben glauben, ins Grübeln", sagt Tito. Ebenfalls eine wichtige Lektion: "Statt über andere zu urteilen“, so Tito, „erfährt man mit eigenen Augen und Sinnen, wie sie leben."
Versicherungsmanager Krausen muss öfter schlucken, wenn er von seiner Zeit in der Suchtberatung erzählt. In seinem lichtdurchfluteten, frisch renovierten Büro mit Postern von Andy Warhol scheint die Welt von Drogen und Alkohol weit weg. Doch der Schein trügt. Mit genau diesen Problemen ist der Manager auch hier konfrontiert. Schulden, Ehekrisen und Depression - als Vorgesetzter kennt er viele private Sorgen seiner rund 100 Mitarbeiter. "Als Unternehmen dürfen wir davor nicht die Augen verschließen", sagt Krausen. "Wir sind ein Spiegel der Gesellschaft."
Und dort hat sich das Suchtproblem extrem verstärkt, wie der jüngst vorgelegte Fehlzeiten-Report 2013 des AOK-Bundesverbands zeigt. Innerhalb der letzten zehn Jahre stieg die Zahl der Fehltage, die durch die Einnahme von Alkohol und anderen Suchtmitteln bedingt waren, um 17 Prozent. Während 2002 noch 2,07 Millionen Fehltage in dem Zusammenhang registriert wurden, waren es 2012 schon 2,42 Millionen.
Nicht um den heißen Brei
Krausen spürt die Auswirkungen dieses Problems hautnah: Eine alkoholkranke Mitarbeiterin belastete ihr Team, weil sie immer wieder ausfiel. Nach seinen Erfahrungen in der Suchtberatung fasste sich Krausen ein Herz, suchte das Gespräch. "Bei Seitenwechsel habe ich gelernt, nicht um den heißen Brei herumzureden", sagt er. "Als Chef muss man Probleme offen ansprechen, sonst erreicht man nichts."
Gesagt, getan. So brachte er die Mitarbeiterin dazu, sich vor ihrem eigenen Team zu outen. "Ein Riesenschritt für sie, aber er hat sich gelohnt", ist Chef Krausen überzeugt. Das Getuschel hinter ihrem Rücken sei fast verstummt, weil sie die Kollegen von Kontrahenten zu Eingeweihten gemacht habe. "Das hat eine positive Dynamik im Team angestoßen."
Außerdem entwarf Krausen für sorgengeplagte Mitarbeiter spezielle Arbeitsprogramme, bei denen sich der Schwierigkeitsgrad der Arbeit nur langsam steigert. Das Ziel: ihr Selbstwertgefühl zu stärken und ihnen die Chance zu geben, ihre Akkus nach und nach neu aufzuladen.
Damit die Sozialwochen ähnlich erfolgreich verlaufen wie bei Krausen, setzen erfahrene Unternehmen auf freiwillige Teilnahme. Idealerweise wählen die Führungskräfte die gewünschte Institution selbst aus und werden dann in Einzelinterviews auf ihren Einsatz vorbereitet. Während und nach dem Aufenthalt sollte ein Ansprechpartner zur Verfügung stehen, um Probleme abzufangen und Feedback einzuholen.
Serviceagenturen bieten Rundum-sorglos-Pakete an, die Beratung, Konzeption, Vermittlung, Organisation und Auswertung enthalten. Dazu gehören lokale Freiwilligenagenturen sowie Dienstleister wie die mehrwert Agentur für Soziales Lernen in Stuttgart oder Vis a Vis in Köln.