Die Kosten für dieses Experiment sind vergleichsweise überschaubar: Üblicherweise sollten Firmen mit 2.000 bis 3.500 Euro pro Managerwoche rechnen. Geradezu ein Schnäppchen, verglichen mit den üblichen Gebühren anderer Seminare, bei denen dieser Preis schon für Ein-Tages-Veranstaltungen aufgerufen wird.
Allein IBM macht weltweit mehr als 150 Millionen Dollar für Freiwilligenarbeit locker. "Corporate Volunteering ist für uns keine softe Spielerei, sondern ein genauso strategisches Thema wie das knallhart finanziell gesteuerte Geschäft", sagt Peter Kusterer, Leiter Corporate Citizenship and Corporate Affairs des IT-Konzerns. Die persönliche Entwicklung der Mitarbeiter sei eine wichtige Form der Personalarbeit.
"Seitenwechsel rechnet sich für uns als Arbeitgeber fraglos", sagt auch Hochbahn-Managerin Riedel. Ihr jedenfalls falle kein anderes Seminar ein, das zu denselben Kosten einen annähernd ähnlichen Effekt brächte.
Die Top-Managerin weiß, wovon sie spricht. Sie ging mit gutem Beispiel voran und schaufelte sich eine Woche für ein Praktikum bei der Arbeiterwohlfahrt frei - "berufsbedingt skeptisch, ob der Lerneffekt über einen Sozialtourismus hinausgeht", wie sie gesteht. Nach ihrem Einsatz aber waren jegliche Zweifel verflogen. Die Mitarbeit in einer Wohngemeinschaft für unbegleitete jugendliche Flüchtlinge, die einen Hauptschulabschluss anstreben, habe sie viele ihrer Ansichten überdenken lassen. "Zum Schluss hatte ich mehr Fragen als Antworten zum Umgang mit Flüchtlingen", erzählt die 41-Jährige. Aber genau dieser Effekt sei ja gewollt. "Je mehr Handlungsoptionen Führungskräfte erkennen, desto besser werden ihre Entscheidungen."
Und Einstellungen: Sie habe durch den Seitenwechsel ihre Haltung zu Hauptschülern geändert, gibt die Personalerin zu. Als die Gewerkschaft kurz nach ihrer Sozialzeit in Tarifverhandlungen forderte, keine Hauptschüler mehr für die Ausbildung zum Lokführer zuzulassen, kämpfte Riedel vehement dagegen. "Der viel zitierte Satz 'Wir haben eine soziale Verantwortung' hat jetzt eine noch tiefere Bedeutung für mich bekommen."
Das gilt wohl auch für Manfred Jaumann. Um seinen Horizont zu erweitern, hatte sich der Leiter des technischen Betriebs der Internationalen Raumstation bei Astrium Space Transportation in Bremen für die Palliativstation des Klinikum Links der Weser entschieden. Hier werden todkranke Menschen ohne Chance auf Heilung mit therapeutischen Maßnahmen auf den unausweichlich letzten Wochen ihres Lebenswegs begleitet. "Sterben und Tod", sagt der 53-Jährige, "kamen bislang in meinem Leben nicht vor."