
Studien - wie die von McKinsey durchgeführte Studie „Women matter“ - haben gezeigt, dass Unternehmen, die Gender Diversity kulturell richtig leben, die besseren Ergebnisse produzieren. Bisher wurde in der Geschäftswelt aber „nur“ den Frauen nahegelegt, wie sie sich sinnvoll verhalten, um beruflich vorwärts zu kommen.
Je mehr Frauen sich jedoch in den Unternehmen tummeln, umso größer ist die Chance, endlich die wahren Synergien zwischen den Geschlechtern zu heben. Dazu ist es wichtig, dass beide Seiten das jeweils andere Geschlecht verstehen, besser mit den Verhaltens- und Kommunikationsweisen umgehen und voneinander lernen. Etwa, was das Thema Führung angeht.
Zur Autorin
Katrin Seifarth ist Managementtrainerin, zertifizierter systemischer Coach und NLP-Master mit über 20 Jahren eigener Management- sowie Trainings- und Coaching-Erfahrung (www.train-effect.de). Die Schwerpunkte ihrer Tätigkeit liegen neben klassischen Soft- Skill-Trainings auf geschlechterspezifischen Themen. Sie verfasste das Buch "Das SIEgERteam".
Eine Umfrage des Sinus-Instituts bestätigt, dass sich Frauen wegen ihrer starken Beziehungsorientierung oft in Führungsrollen nicht besonders wohl fühlen. Zu sehr sind sie von Kindesbeinen an darauf gepolt, dass alle Menschen gleich sein sollen. Die Hierarchiespiele ihrer männlichen Altersgenossen liegen ihnen fern. Und nun trifft ihre Beziehungsorientierung auf seine Hierarchieorientierung.
Aus ihrem Unwohlsein resultieren einige Verhaltensweisen, die für männlichen Mitarbeiter missverständlich sein können. Oft spielt eine Führungsfrau ihre Autorität herunter, zeigt sich nicht klar als Vorgesetzte, stellt ihren Mitarbeitern viele Fragen und formuliert ihre Ansagen bewusst vorsichtig. Auf den Mann im Team wirkt dies unsicher und inkompetent. Die Gefahr, dass er sie nicht als Führungskraft akzeptiert ist groß. Denn in seinem Hierarchiedenken ist es wichtig, dass er „zu ihr aufschauen“ kann.
Wie weibliche Chefs Männer führen sollten
Blenden Sie Ihre Vorurteile gegenüber einem männlich dominierten Team aus. Akzeptieren Sie als weibliche Vorgesetzte, dass die Tonalität bei Ihren männlichen Mitarbeitern kompetitiver ist und auch gerne mal mit Erfolgen geprahlt wird. Die Anerkennung, die Sie als Frau auf der Beziehungsebene brauchen, benötigt der Mann für seine Heldentaten. Treten Sie ihren männlichen Mitarbeitern wohlwollend und neugierig gegenüber, ohne sie als Gockel abzustempeln. Und vor allem: blenden Sie Ihr Unwohlsein über Ihre Führungsrolle aus. Für ihn ist es als Mitarbeiter möglicherweise genauso ungewohnt wie für Sie als Vorgesetzte. Betrachten Sie es als Aufgabe, an der Sie wachsen können.
Bedenken Sie, dass Männer weniger Worte (verbal und non-verbal) zur Verfügung haben als Sie als Frau. Wenn Sie einem männlichen Mitarbeiter ein Projekt erklären, schaffen Sie gezielt Fakten, damit er versteht worum es geht. Halten Sie sich nicht mit zu viel Hintergrundinformation auf, sondern kommunizieren Sie klar Ihre Erwartungen, zum Beispiel in Form von: „Ich möchte, dass du in diesem Projekt die Leitung übernimmst. Es ist wichtig zur Umsetzung der neuen Strategie.“ Es mag Ihnen schroff vorkommen, aber er braucht als Mann diese klare Ansage, um sich orientieren zu können. Wenn Sie meinen, noch Hintergrund nachliefern zu müssen, tun Sie das gerne am Ende Ihrer Ausführungen, wenn die Fakten geklärt sind. Machen Sie sich klar, dass männliche Mitarbeiter bei zu vielen Worten irgendwann auf Durchzug stellen. Dann tut er, was er für richtig hält und nicht, was Sie wollen.
Teilweise langatmige Formulierungen von Frauen können für ihn missverständlich sein. Äußern Sie daher Ihre Erwartungen oder Feedback klar, ohne zu relativieren. Fassen Sie sich auch dabei kurz, damit ihr männlicher Mitarbeiter gesichtswahrend aus der Situation hervorgehen kann. Wenn Sie gerade beim Feedback Geben zu viele Worte verwenden, verlängern Sie die für ihn unangenehme Situation noch. Ein kurzes: „An dieser Stelle hätte ich ein anderes Verhalten erwartet,“ genügt oft. Erwarten Sie als Vorgesetzte keine Entschuldigungen, sondern lassen Sie Feedback im Raum stehen. Ihr Mitarbeiter wird vielleicht versuchen, sich zu verteidigen und Sie in eine Diskussion zu verwickeln, denn wenn er in seinem Heldentum hinterfragt wird, kommt das einer Höchststrafe gleich. Lehnen Sie dies freundlich aber bestimmt ab und gehen Sie zur Tagesordnung über. Sie werden an seinem weiteren Verhalten merken, ob Ihre Kritik angekommen ist oder nicht.
Formulieren Sie delegierte Aufgaben nicht im Konjunktiv oder als Fragen: „Könntest du das machen?“ oder „Würde es dir etwas ausmachen, wenn....“ wirkt auf ihn unsicher und möglicherweise wird er Wege finden, unangenehme Aufgaben zu umgehen. Ein kurzes „Danke“ oder „Das ist klasse“ nach einer konkret geäußerten Bitte lässt Sie als weibliche Vorgesetzte Ihre Beziehungsebene wahren. Zum Beispiel: „Füllst du mir bitte diese Liste bis morgen aus. Ich brauche sie für das Meeting mit der Zentrale. Danke Dir.“ Führen Sie sich vor Augen, dass Sie einen männlichen Mitarbeiter durch vage oder unklare Formulierungen in eine für ihn schwer verständliche Situation bringen, und das wollen Sie als Beziehungsmensch sicher nicht.
Der männliche Mitarbeiter braucht grundsätzlich weniger Aufmerksamkeit beim Führen als mancher weiblicher Mitarbeiter. Fragen nach seinem Befinden oder private Fragen interpretiert er oft als Unterschreiten seiner Fluchtdistanz. Er ist es von klein auf gewöhnt, dass einer der Anführer ist. Insofern hat er weniger Probleme sich unterzuordnen als Frauen, die eher Gleichheit und Augenhöhe herstellen wollen. Schaffen Sie als Vorgesetzte also kein Problem wo keines ist, indem Sie zu viel Beziehungsebene herstellen. Es genügt Ihrem Mitarbeiter oft, über die Sache zu reden. Übertriebene Fürsorge oder übertriebenes Mitgefühl lassen ihn schwach aussehen. Üben Sie sich lieber darin, ihn mit seiner Leistung glänzen zu lassen. Im Gegensatz zu Ihnen steht er nicht auf „Du Armer, hast so viel Arbeit,“ sondern eher auf „Toll wie du die Fäden zusammen hältst.“
Das männliche Alphatier fühlt sich als Vorgesetzter in einem Team mit vielen Frauen oder auch nur gegenüber einzelnen Frauen oft ebenso unwohl. Fremde Wesen, die er nicht sofort versteht, bewirken, dass er die Kontrolle über die Situation verliert. Und das mag er gar nicht. Oft grenzt er Frauen daher unbewusst aus und bleibt lieber unter Männern. Da Frauen aufgrund ihrer Beziehungsorientierung mit einem 360-Grad-Radar ausgestattet sind, spüren sie seine Ausgrenzung oder Abgrenzung sofort.
Wie männliche Chefs Frauen führen sollten
Blenden Sie Vorurteile gegenüber dem anderen Geschlecht aus. Sie hat ein 360-Grad-Radar und wird diese spüren. Egal ob Sie als Vorgesetzter Angst vor Zickenkrieg haben oder an der Kompetenz zurückhaltender Frauen im Team zweifeln - die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Mitarbeiterinnen Ihr Kopfkino spüren, ist hoch. Da Frauen die Person schlecht von Verhaltensweisen oder der Sache trennen können, haben Sie als Vorgesetzter dann in der Tat schlechte Karten. Bleiben Sie also neugierig und offen gegenüber weiblichen Mitarbeitern. Grenzen Sie diese auch nicht unbewusst aus, indem Sie mehr mit den Ihnen vertrauteren Männern im Team reden.
Bedenken Sie, dass sich Frauen wegen ihrer Beziehungsorientierung oft zurücknehmen. Während Männer gerne ein Argument nach dem nächsten platzieren, hören viele Frauen erst einmal zu und nehmen Punkte auf. Dies bedeutet keineswegs, dass sie keine Ahnung oder keine Meinung haben. Vor lauter Zuhören verpassen ihre Mitarbeiterinnen so allerdings manchmal den Einstieg in eine Diskussion. Wollen Sie das Potenzial der Frauen in Ihrem Team heben, fragen Sie die Mitarbeiterinnen bewusst nach ihrer Meinung oder ihrer Einschätzung. Zum Beispiel: „Wie beurteilst du dieses Problem?“ oder „Welchen Weg würdest du verfolgen?“. Je mehr Männer im Team sind, umso mehr stellen sich die Frauen übrigens selbst an den Rand, denn sie kommen mit dem Schlagabtausch der männlichen Kollegen oft nicht gut klar.
Hüten Sie sich davor, den Frauen in Ihrem Team zu sagen, wie sie sich verhalten sollen oder was sie genau tun sollen. Diese werden sich zwar vordergründig nicht dagegen wehren (das lässt ihre Beziehungsorientierung nicht zu), aber vor Wut über dieses Verhalten können die Mitarbeiterinnen ihre Chefs dann ganz schön demontieren. Außerdem erziehen Sie sich als Vorgesetzter durch zu viel Vorsagen herrliche Krawall-Evas, die sich am Ende genauso verhalten wie Sie, wie ein Mann eben. Und das passt oft nicht und ist wenig authentisch. Lassen Sie also die Frauen lieber ihre eigenen Lösungen finden durch offene Fragen wie: „Das Ziel ist ein Umsatzplus auf diesem Produkt, welches sind deine Ideen dazu?“
Fragt man Frauen, was Teamerfolg ist, sagen sie: wenn alles harmonisch läuft. Fragt man Männer was Teamerfolg ist, sagen sie: wenn das Ergebnis stimmt. Frauen stellen oft die Beziehungsorientierung unbewusst immer noch über die Zielorientierung. Dadurch können weibliche Mitarbeiter viele Dinge aufspüren, bevor sie zu einem Problem werden. Hören Sie hier genau hin, denn dieses Radar fehlt Ihnen als Mann oft. Nutzen Sie diese Ressource, um Hindernisse frühzeitig aus dem Weg zu räumen. Um gut dazustehen, lassen Männer nämlich gerne mal Probleme unter den Tisch fallen. Allerdings haben manche Frauen auch einen Verschönerungstick und sehen Probleme wo keine sind. Hinterfragen Sie im Zweifelsfall das „Eindruck“ Ihrer Mitarbeiterin gezielt. Zum Beispiel: „Woran machst du diesen Eindruck fest?“. Tun Sie auf keinen Fall ihr „Ich hab da so ein Gefühl“ ab. Denn damit stoßen Sie sie nicht nur unnötig vor den Kopf sondern lassen auch wertvolle Informationen versanden.
Denken Sie daran, dass Frauen positive Rückmeldungen auf der Beziehungsebene benötigen. Ihre weiblichen Mitarbeiter können schlechte Nachrichten und auch kritisches Feedback gut verkraften, wenn Sie ihnen deutlich zur verstehen geben, dass sie als Person in Ordnung sind. Schicken Sie bei jeder negativen Botschaft eine positive Botschaft auf der Beziehungsebene vorweg. Zum Beispiel in Form von: „Grundsätzlich machst du diese Aufgabe hervorragend, diese eine Sache ist mir aufgefallen....“ oder „Ich weiß, du hast dich da sehr reingehängt, aber das Projekt ist leider gekippt worden.“
Als Vorgesetzter hat er dann schlechte Karten, da sie diesen Konflikt oft nicht thematisiert, sondern hinten herum austrägt - das ist wiederum schlecht für seinen Ruf. Hinzu kommt sein Hang zu wenig Worten und knappen Ansagen. Für die beziehungsorientierte Frau klingen sie oft schroff und desinteressiert. Die Mitarbeiterin fühlt sich nicht wertgeschätzt.
Dabei gelingt der Umgang - und auch die Führung - des anderen Geschlechts schon durch kleine Verhaltensänderungen problemlos. Schließlich kann es nicht sein, dass Anpassung nur in eine Richtung geht und nur die Frauen lernen müssen, mit den Männern umzugehen.