Führungsverständnis Diese E-Mail ist für einen Chef mit 70.000 Mitarbeitern schlichtweg dumm

Wo die Liebe zum Detail ins Mikromanagement kippt, Engagement in (Selbst-) Ausbeutung und Überzeugung in Arroganz, wird es gefährlich. Elon Musk hat dies offenbar nicht verstanden. Quelle: imago images

Elon Musk wird als Visionär und Vorzeigeunternehmer gefeiert. Dass er die Führungskräfte des Elektroautobauers nun zurück ins Büro beordert, zeigt: Er ist weder das eine, noch das andere. Ein Kommentar.

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Nicht nur die Botschaft, auch der Tonfall könnte kaum überheblicher sein: In einer E-Mail mit der Betreffzeile „Um super klar zu sein“ ließ Tesla-Chef Elon Musk die Belegschaft wissen, dass das Unternehmen längst pleite wäre, wenn er nicht zwischenzeitlich gar in der Fabrik gelebt hätte. Tesla stelle die aufregendsten und bedeutendsten Produkte der Welt her. Und das gehe nun einmal nicht, wenn man nur ab und an mal in der Firma anrufe.

Die super klare, aber eben auch super arrogante Ansage an Teslas Führungsriege: „Wenn Sie nicht ins Büro kommen, schließen wir daraus, dass Sie gekündigt haben.“

Es ist eine E-Mail, die nicht mehr in die Zeit passt. Und sie ist für den Chef eines Unternehmens mit mehr als 70.000 Mitarbeitern schlichtweg dumm. Elon Musk wird weltweit als Vorzeigeunternehmer und Visionär gefeiert. Dabei ist er weder das eine, noch das andere. Vor allem was sein Führungsverständnis betrifft, ist er eher ein Mann von gestern.



Gewiss, Musk hat mehrfach gezeigt, dass er etablierte Branchen erschüttern kann – zunächst mit dem Bezahldienstleister Paypal, dann mit dem Raketenbauer SpaceX, schließlich mit dem Elektroautohersteller Tesla. Und er hat dabei genau die Tugenden bewiesen, die so wichtig sind, um aus einem kleinen Start-up einen schillernden Konzern zu machen, der ganz neue Maßstäbe setzt: bedingungsloses Engagement, Liebe zu technischen Details und, ja, auch eine gewisse Überheblichkeit.

Aber wer den Erfolg eines Unternehmens auf Dauer erhalten will, der braucht andere Stärken: Der muss delegieren können; der muss bereit sein, sich selbst zu hinterfragen und von anderen zu lernen; der muss die Belegschaft nicht nur für den Sprint, sondern den Marathon motivieren. Kluge Gründer erkennen rechtzeitig, dass es irgendwann eben einen Erwachsenen an der Spitze braucht.



Wo die Liebe zum Detail ins Mikromanagement kippt, Engagement in (Selbst-) Ausbeutung und Überzeugung in Arroganz endet, wird es gefährlich. Elon Musk hat dies offenbar nicht verstanden. Das ist der Subtext seiner Mail an die Belegschaft.

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Gerade kluge Köpfe, die in den vergangenen zwei Jahren eine enorme Flexibilität bewiesen haben, um das Unternehmen durch Pandemie, Logistikchaos und Börsenturbulenzen zu bringen, werden sich nun bei der Lektüre fragen: Warum ist mein Chef eigentlich nicht bereit zu einer solchen Flexibilität, wenn es um meine Bedürfnisse geht? Und sie werden ihre Schlüsse daraus ziehen. Gerade jene, die es sich aussuchen können, wo sie anheuern.



Ein Blick auf Apple hätte Elon Musk eine Warnung sein müssen: Dort war allein die Ansage, wieder drei Tage pro Woche ins Büro zu kommen, für einen der wichtigsten Menschen im Konzern, Ian Goodfellow, einer der führenden Experten für künstliche Intelligenz, Grund genug für die Kündigung. Wenig später räumte Apple der eigenen Belegschaft doch wieder das Recht ein, komplett im Homeoffice zu bleiben.

Dass Musk diese Erkenntnisse gerade nicht auf Tesla überträgt, zeigt einmal mehr, welch ein Egomane er ist. Und solch eine Überheblichkeit ist bei erfolgsverwöhnten Unternehmen meist das erste Anzeichen dafür, dass es bald bergab geht.

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