Gehaltsverzicht, Kurzarbeit, keine Boni Wie Unternehmen die Personalkosten kappen

In der Krise müssen auch erfolgsverwöhnte Manager auf Teile ihrer Vergütung verzichten. Quelle: imago images

Wenn Vorstände und Führungskräfte in der Krise auf Gehalt verzichten, ist es ernst. Die relativ hohen Summen retten aber noch kein Unternehmen. Eine Befragung zeigt, wie Firmen bei den Personalkosten die Axt ansetzen.

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Jedes zweite Unternehmen in Deutschland reagiert auf die durch das Coronavirus weltweit ausgelöste Wirtschaftskrise mit Einschnitten bei den Gehältern. Am häufigsten werden Gehaltserhöhungen entweder abgesagt oder weiter in die Zukunft verschoben – wobei je ein Viertel der Unternehmen sich für eine der Varianten entschieden hat. Das geht aus einer Befragung der Personal- und Organisationsberatung Korn Ferry hervor, die der WirtschaftsWoche vorliegt.

Ein Drittel der Unternehmen ging Ende April, als die Umfrage durchgeführt wurde, davon aus, dass die Coronakrise signifikante bis sehr große negative Auswirkungen auf das eigene Geschäft haben werde. In dieser Prognose steckt sogar noch etwas Zuversicht: Im März nämlich hatten dies noch 45 Prozent so erwartet. Gleichzeitig sagen jedoch noch immer 40 Prozent der Unternehmen, dass sie den Einfluss der Krise auf das eigene Geschäft nicht realistisch einschätzen können. Im März war dies bei 34 Prozent der Fall.

Kaum eine Prognose macht Unternehmen unsicherer als eine diffus-negative, das erklärt zumindest teilweise die drastischen Maßnahmen bei der Vergütung. Befragt wurden im April dieses Jahres weltweit knapp 4000 Unternehmen, in Deutschland waren es 45 quer durch alle Branchen. Etwas mehr als ein Viertel der Unternehmen, die sich an der Umfrage beteiligten, hatte mehr als 20.000 Mitarbeiter, 31 Prozent hatten 5000 bis 20.000 Mitarbeiter, die restlichen waren kleiner.

von Varinia Bernau, Philipp Frohn, Nora Schareika

Bei den Personalkosten zu sparen, ist angesichts unklarer Zukunftsaussichten für viele Unternehmen naheliegend. Eine Kürzung der Gehälter kam bisher in Deutschland erst für 7 Prozent der Unternehmen in Frage; 14 Prozent denken bereits darüber nach. Aus vertragsrechtlichen Gründen sind hier allerdings Grenzen gesetzt – in den meisten Fällen handelt es sich um freiwilligen Gehaltsverzicht der Führungskräfte, die in erster Linie Signalwirkung haben sollen. So kündigte etwa Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz an, auf einen Teil ihres Gehalts zu verzichten. Daimler-Chef Ola Källenius begnügt sich für neun Monate mit 80 Prozent. Auch der Mischkonzern Bosch, Zulieferer ZF, die Sportartikelhersteller Puma und Adidas sowie die Parfümerie Douglas verkündeten, dass Führungskräfte auf Gehalt verzichten. Bei Adidas fällt der Verzicht mit 50 Prozent höher aus, die Puma-Vorstandsmitglieder Björn Gulden, Michael Lämmermann und Anne-Laure Descours haben im April und Mai komplett auf ihre Gehälter verzichtet.

Je nachdem, wie sich das Gehalt einer Führungskraft zusammensetzt, kann ein Verzicht von 20 bis 25 Prozent auch für Spitzenverdiener einen spürbaren Einschnitt bedeuten – in manchen Fällen aber auch durch unerwähnte Extraleistungen wie Boni abgefedert sein. „Wenn zum Beispiel Adidas sagt, der Vorstand verzichtet auf 50 Prozent Gehalt und Bonus, dann ist das eine Ansage“, sagt Vergütungsexperte Helmuth Uder von Korn Ferry. „Denn eigentlich hat das Unternehmen das Geld für die Boni bereits verdient und könnte sie auszahlen. Gehaltsverzicht ab jetzt tut mehr weh, als auf Boni zu verzichten.“



Weitaus häufiger gehen die Unternehmen an  bevorstehende Gehaltserhöhungen ran: 25 Prozent der befragten Firmen gaben an, diese auszusetzen. 27 Prozent, sie zu verschieben. Weitere 14 beziehungsweise 11 Prozent denken über diese beiden Möglichkeiten nach. 11 Prozent der Unternehmen haben außerdem beschlossen, die anstehenden Gehaltserhöhungen anzupassen, 14 Prozent denken darüber nach.

Weniger betroffen sind die Bonusprogramme. Noch halten die meisten Unternehmen – nämlich 75 Prozent – diese aufrecht. Wo die Boni an den Unternehmenserfolg gekoppelt sind, bilden sie nun zu Beginn der Krise ein Polster für jene Manager, die bereits beim Gehalt Einschnitte hinnehmen. Dauert die Krise länger an, werden diese Boni im kommenden Jahr entsprechend magerer ausfallen. „Wenn ein Unternehmen keine Umsätze mehr macht, spüren Sie das logischerweise bei den Boni“, sagt Uder. „Boni funktionieren, das ist eine gute und eine schlechte Nachricht zugleich.“ In guten Zeiten sind sie hoch, in schlechten entsprechend niedriger. Gekürzt oder verschoben haben nur 9 Prozent der befragten Firmen die Auszahlung ihrer Boni, 16 Prozent erwägen solche Schritte. Einige Unternehmen haben bei den Jahresboni stattdessen die vereinbarten Ziele angepasst – ebenso bei den an Verkaufsziele gekoppelten.

Heikel ist das Instrument, an die Gehälter zu gehen allemal - und auch nicht ausreichend für eine größere Krise. „Die Maßnahmen müssen insgesamt ausgewogen sein, von den Vorständen bis zu den Mitarbeitern, damit diese auch akzeptiert werden“, erläutert Helmuth Uder. „Unternehmen sollten schauen, wo die Einsparungen weniger schmerzhaft wären, etwa bei freiwilligen Nebenleistungen. Irgendwann kann aber der Punkt kommen, wo das nicht mehr reicht. Erst dann sollte man darüber nachdenken, Gehälter einzufrieren oder Führungskräfte zum Verzicht aufzufordern“, sagt Uder. „Da bedarf es aber der Freiwilligkeit und meistens dauert der Verzicht nicht länger als drei bis fünf Monate. Ob ein hoher Bonus für Vorstände in der Krise noch vermittelbar ist, das ist noch mal eine andere Frage.“

Die Gehalts- und Bonianpassungen betreffen häufiger Top- und mittleres Management. So haben unter den befragten Unternehmen 67 Prozent der Manager in oberster Führungsetage auf Gehalt verzichtet, 82 Prozent zumindest auf Erhöhungen und 55 Prozent in irgendeiner Form auf Boni. Das mittlere Management und herausgehobene Experten müssen in 44 Prozent der Unternehmen auf Gehalt verzichten. Niedrigere Gehaltsklassen gerade einmal in 22 Prozent der Firmen. Das Einfrieren des Gehalts trifft dagegen fast alle Hierarchieebenen in ähnlicher Ausprägung: Bei mindestens 77 Prozent sind zum Beispiel in Herstellung und Produktion betroffen, bei 59 auch Mitarbeiter mit Kundenkontakt. In 94 Prozent der Fälle betrifft die Maßnahme das mittlere Management.

Personalkosten lassen sich auch sparen, indem neue Mitarbeiter, anders als vor der Krise geplant, nicht eingestellt werden. 63 Prozent der befragten Firmen haben Neueinstellungen erst einmal ausgesetzt, weitere 21 Prozent planen dies. Damit stellen mehr als vier Fünftel der Unternehmen derzeit keine neuen Mitarbeiter ein oder nur in sehr seltenen Fällen. Das hat Auswirkungen auf alle Jobsuchenden, besonders für diejenigen, die gerade am Anfang ihres Berufslebens stehen. Uder warnt: „Auch nach der Coronakrise werden gute Fach- und Führungskräfte gebraucht. Die Maßnahmen dürfen also nicht zu abschreckend für künftige Mitarbeiter sein und müssen die bestehende Mannschaft bei der Stange halten, damit sie motiviert und kreativ bleibt. Das ist nicht zuletzt wichtig, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.“

Eine Besonderheit für deutsche Unternehmen ist die Möglichkeit zur Kurzarbeit mit dem relativ hohen staatlichen Anteil an Lohnersatz. So haben 16 Prozent der Unternehmen ihre Mitarbeiter zu 100 Prozent in Kurzarbeit geschickt, sie bleiben also bei 60 bis 67 Prozent Lohnersatzleistung zu Hause. 7 Prozent der befragten Firmen erwägen diese Maßnahme. 27 Prozent beschäftigen ihre Mitarbeiter weiter in Kurzarbeit mit reduzierter Stundenzahl - 16 Prozent erwägen diesen Schritt noch. Damit spielt Kurzarbeit in Deutschland im weltweiten Vergleich eine herausgehobene Rolle bei der Bewältigung der Coronakrise.

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