Gehirnforschung "Wer schon eine Sau ist, wird eine noch größere"

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„Unser Leben besteht aus Manipulation“

Das hört sich fast an wie ein Automatismus.
Schon das Äffchen erledigt eine Aufgabe nur solange für Gurkenscheiben, bis es gesehen hat, dass ein anderes Äffchen für die gleiche Arbeit Trauben bekommt. So funktioniert unser Konsum. Das Belohnungssystem gewöhnt sich schnell an einen Zustand – und möchte dann immer noch einen Schnaps obendrauf.

Kann der Mensch noch steuern, was er tut?
In jedem Fall ist die Willensfreiheit lange nicht so groß, wie wir glauben. Mindestens 80 Prozent aller Entscheidungen laufen unterbewusst ab. Die meisten Menschen wissen nicht, warum sie so reagieren. Neben den Emotionen gibt es aber viele andere Dinge, die uns unbewusst beeinflussen: die kulturellen Prägungen, das soziale Umfeld, die Situation, in der wir uns zur Zeit der Entscheidung befinden …

Wann Überzeugungen zu Handlungen führen

Werden Kunden nicht öfter von Verkäufern ausgetrickst?
Unser ganzes Leben besteht doch aus Manipulation. Es ist ein Teil unseres Lebens. Jede Frau, die sich morgens schminkt, manipuliert. Weil sie anders aussieht, wenn sie aus dem Haus geht, als nach dem Aufstehen. Jeder Pfarrer, der von der Kanzel spricht, spielt mit den Emotionen der Kirchengemeinde, damit die Leute etwas spenden. Auch Journalisten schreiben doch so, dass der Text von möglichst vielen Menschen gelesen wird. Man muss die philosophische Frage stellen …

… die da lautet: Ist das ethisch gerechtfertigt?
Da gibt es unterschiedliche Positionen. Platon sagt, solange der Mensch dem anderen Gutes tut, ist Manipulation nichts Schlimmes. Jürgen Habermas würde sagen, wenn der Mensch mit dem anderen vorher keinen konstruktiven Dialog geführt hat, ist es verwerflich. Friedrich Nietzsche würde sagen: Alles was den Menschen mächtiger macht, ist okay. Grundsätzlich gilt aber: Wenn ich dem anderen durch Manipulation schade, ist das verwerflich.

Der Stuhl sollte bequem, das Büro schön renoviert sein und dann lockt der Berater den Kunden mit materiellen Wünschen. Glauben Sie nicht, dass der Kunde ein solches Gebaren durchschaut?
Jeder Berater muss in seiner Person authentisch bleiben. Natürlich könnten Berater ihr Werkzeug auch gegen den Kunden verwenden. Mit einem Küchenmesser lässt sich jemand erstechen – oder aber ein wunderschönes Mahl zaubern. Wenn der Berater mit dem Herzen bei der Sache ist und versucht, für den Kunden die beste Lösung zu finden, fühlen sich Kunden wohl, und nicht etwa manipuliert.

Die Frage ist also, wie der Verkäufer mit seinem Wissen umgeht ...
Die moralische Einstellung zum Kunden ist fundamental. Wenn Sie eine Sau sind, dann werden Sie durch Verkaufstricks eine noch größere Sau.

Sollte ein Kunde nicht in der Lage sein, ein gutes Produkt auch ohne Verkaufstricks abzuschließen?
Das Produkt spricht nicht für sich. Der Verkäufer muss dem Kunden das Produkt schmackhaft servieren – aber mit ethischem Gewissen. Die Tricks sind ja keine bösen Tricks. Wenn der Kunde glücklich ist und es dem Verkäufer selber auch nützt, umso besser.

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