Generationengespräch zweier Unternehmerinnen „Ich weiß, dass es für die Generation meiner Tochter viele Herausforderungen gibt“

Babyone-Geschäftsführerin Anna Weber über Karrieremütter, Klischees und Vorbilder Quelle: PR

Wie sich die Sicht auf Karrieremütter in den vergangenen Jahrzehnten geändert hat, welche Klischees sich halten und welche Rolle Vorbilder spielen, erklären Babyone-Geschäftsführerin Anna Weber und ihre Vorgängerin und Mutter Gabriele Weischer.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Anfang 2021 hat Anna Weber gemeinsam mit ihrem Bruder Jan Weischer die Geschäftsführung des Handelsunternehmens Babyone von ihren Eltern übernommen. Wie schon ihre Mutter, Gabriele Weischer, verbindet sie Karriere und Familie miteinander. Im gemeinsamen Interview berichten die beiden Frauen, was sich in den vergangenen Jahrzehnten geändert hat und in wie fern sich die deutsche Gesellschaft weiterhin bewegen muss, um tatsächlich Gleichberechtigung zu schaffen.

WirtschaftsWoche: Frau Weischer, hat Ihre Tochter es als Unternehmerin und Mutter heute leichter oder schwerer als Sie eine Generation zuvor?
Gabriele Weischer: Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich verbessert, keine Frage. Es ist nicht mehr völlig ungewöhnlich, wenn eine Mutter gleichzeitig eine Führungsposition besetzt. Das war vor 35, 40 Jahren noch anders. Entweder man hatte eine Rolle in der Firma oder man war Mutter. Heute gibt es auch Männer, die den Großteil der Kinderbetreuung übernehmen. Das war früher undenkbar.

Frau Weber, sehen Sie diese Veränderungen genauso positiv?
Anna Weber: Die Rahmenbedingungen, wie der Ausbau der Kinderbetreuung, sind sicherlich besser geworden.  
Weischer: Für Kinder unter drei Jahren gab es bei uns früher gar keine Möglichkeit. Es gab auch keine Ganztagsschule. 
Weber: Trotzdem ist vieles noch nicht einfach. Gerade wenn die Frauen nicht nur arbeiten, sondern tatsächlich Karriere machen wollen. Der Anteil der Paare, bei denen sich hauptsächlich die Männer um die Kinder und Haushalt kümmern, ist in Deutschland immer noch sehr gering. Gerademal sechs Prozent der Väter von minderjährigen Kindern arbeiten in Teilzeit. Von den erwerbstätigen Müttern sind es 66 Prozent. An den gelebten Rollenbildern hat sich weniger geändert als es scheint.

Trifft das auch für ihre Familie zu?
Weber: Nein. Unsere Kinder sind fünf und sieben Jahre alt. Nach den Geburten der Kinder war ich zwar jeweils circa ein Jahr bei ihnen zuhause und habe mich um das meiste gekümmert. Im Moment aber fordert mich das Unternehmen sehr stark und mein Mann kümmert sich Vollzeit um die Kinder. Damit ist er hier in unserem kleinen Ort ein Exot.

Gabriele Weischer hat zusammen mit ihrem Mann das Unternehmen Babyone aufgebaut. Quelle: PR

Das heißt, je nach Bedürfnis passen Sie die Verteilung an?
Weber: Genau. Es gibt in meinen Augen keine falsche und keine richtige Rollenverteilung, aber sie muss zu den Bedürfnissen aller passen. 

Eine Haltung, die eigentlich selbstverständlich sein sollte? 
Weber: Denkt man. In meiner Generation gibt es jedoch viele Frauen, die wieder rückständiger werden und sich ausschließlich auf die Familie konzentrieren. Und schauen wir uns doch mal die großen Unternehmen an: Die CEOs tragen jetzt zwar weiße Sneaker und hier und da sitzt mal eine Frau im Vorstand, aber insgesamt sind die Chefetagen immer noch sehr männlich geprägt. 

Frau Weischer, wenn Sie das hören, ist das für Sie Jammern auf hohem Niveau?
Weischer: Nein, ich weiß, dass es für die Generation meiner Tochter viele Herausforderungen gibt. Viele verstehen einfach nicht, dass es auch andere Modelle gibt als das traditionelle Familienmodell.

Wie äußert sich das?
Weber: Das ist ganz unterschiedlich. Geschäftspartner eröffnen das Gespräch manchmal mit den Worten: Ich weiß, Sie haben nicht viel Zeit, Sie sind ja Mutter. Diese Menschen verstehen gar nicht, dass sich auch jemand anders als die Mutter um Kinder kümmern kann und ich mich gerade voll aufs Geschäft konzentriere.

Waren Sie auch mit solchen Vorurteilen konfrontiert, Frau Weischer?
Weischer: Natürlich und zwar in ganz anderem Ausmaß. Meine Eltern haben mich zwar studieren lassen, aber mir ganz klar gesagt: Du musst ja nicht arbeiten, wenn du einen Mann findest, der dich versorgt.

Aber so kam es nicht.
Weischer: Nein, ich habe zwar vier Kinder bekommen, aber ich habe auch mit meinem Mann das Unternehmen aufgebaut. Wenngleich ich trotzdem viele Jahre in Teilzeit gearbeitet habe. Damals gab es noch keine Kita, ich war auf die Unterstützung der Großfamilie und wechselnder Kinderfrauen angewiesen.

Und wie kam die arbeitende Tochter bei Ihren Eltern, also der Kriegsgeneration, an?
Weischer: Sie haben mich mit den Kindern unterstützt keine Frage, aber nicht weil ich arbeiten wollte, sondern weil ich ja meinem Mann in der Firma geholfen habe. Hätte ich etwas anderes gearbeitet, wäre das sicherlich anders gewesen. 

War das für Sie nur eine persönliche Entscheidung? Oder wollten sie damit auch ein bewusstes Zeichen setzen, Rollenbilder aufbrechen?
Weischer: Ich bin 1956 geboren. Meine Generation wollte unbedingt alles anders machen als die eigenen Eltern. Meine Mutter war nicht mehr berufstätig seit dem Tag ihrer Hochzeit. Ich hingegen wollte nie reduziert sein auf Haushalt und Kinder. 

Frau Weber, war Ihre Mutter für Sie ein Vorbild?
Weber: Für mich waren immer meine Mutter und mein Vater Vorbilder. Tatsächlich habe ich mir in diesem Zusammenhang nie Gedanken über das Rollenbild gemacht, was meine Mutter mir vorgelebt hat. Für uns als Kinder war es einfach normal, dass beide gearbeitet haben. Und vor allem, dass unsere Eltern Entscheidungen auf Augenhöhe getroffen haben. Dass nicht einer das Sagen hatte. Von Töchtern aus anderen Familienunternehmen höre ich da leider oftmals anderes.

Was fehlt uns als Gesellschaft denn noch, bis Gleichberechtigung zur Selbstverständlichkeit wird?
Weber: Wir brauchen noch viel mehr Familien, in denen sich beide Partner die Aufgaben zu Hause gerecht aufteilen oder in denen Männer auch mal den Großteil der Last übernehmen. Die Rahmenbedingungen dafür, zum Beispiel in Bezug auf das Elterngeld, sind gelegt. Und ganz wichtig: Wir müssen aufhören, Mädchen und Jungen in Geschlechterkategorien zu stecken. Mein Sohn hat früher die Farbe Lila geliebt, bis ihm jemand sagte, das sei doch eine Mädchenfarbe. Da bin ich allergisch. Ich vermittle meinen Kindern, dass sie alles machen können, was sie wollen.

Weischer: Meine Eltern haben den Mädchen damals Besen und Schippchen geschenkt und die Jungs bekamen einen Technikkasten. Ich freue mich heute, wenn meine Enkelsöhne fragen, ob wir heute wieder backen oder zusammen kochen. Früher wäre das überhaupt nicht in Frage gekommen.

Mehr zum Thema: Vor allem Frauen müssen sich im Job oft Zweifeln stellen. Mitunter auch den eigenen. Dabei lohnen sich Fehler, auch die dummen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%