




Als sie durch die düstere Tiefgarage auf dem Weg zu ihrem Auto ist, steht der Angreifer plötzlich vor ihr. Pöbelt sie an, schubst sie herum, brüllt: „Los, komm schon! Gib mir dein Geld.“ Stephanie Schwarz schlägt das Herz bis zum Hals, sie fühlt sich hilflos. Und versucht trotzdem, ruhig auf den Räuber einzureden. Schließlich gibt sie ihm ihr Geld – der Mann lässt sie gehen und verschwindet in der Dunkelheit.
Nur wenige Minuten später bekommt die 33-Jährige ihre Börse zurück und kann aufatmen: Der Überfall war nur gespielt – als Teil eines Sicherheitstrainings, das sie bei ihrem Arbeitgeber absolvierte.
Die Ingenieurin arbeitet für den Spezialglashersteller Schott – seit Anfang des Jahres aber nicht mehr in der Zentrale im beschaulichen Mainz, sondern in der Nähe von Córdoba, drei Stunden Autofahrt von Mexiko-Stadt entfernt.
Um vor Ort auf etwaige Gefahren vorbereitet zu sein, startete für Schwarz zweieinhalb Monate vor Abflug ein Vorbereitungsseminar. Tipps zum Alltag gehörten genauso dazu wie das Simulieren von Ausnahmesituationen. Schließlich zählt Mexiko zu den gefährlichsten Ländern der Erde, 2011 gab es nur in Nigeria und Pakistan mehr Entführungen. „Die Opfer sollen lernen, in solchen Ausnahmesituationen richtig zu handeln“, sagt Jens Greiner, Leiter der Konzernsicherheit bei Schott. Das kann im Ernstfall Leben retten.
Doch nicht nur Kriminelle können Geschäftsreisenden rund um den Globus gefährlich werden – die Liste der Risiken ist lang: Terroranschläge auf öffentliche Gebäude wie vor einem Jahr in Oslo oder auf Hotels wie 2008 in Mumbai, bürgerkriegsartige Auseinandersetzungen wie zurzeit in Syrien, Naturkatastrophen wie das Erdbeben in Italien im Mai oder klassische Reiserisiken wie Krankheit oder Unfälle – wer auf Dienstreise geht, kann in viele brenzlige Situationen geraten.
Mangelnde Fürsorge
Deshalb überlegt auch die EU-Kommission, die Fürsorgevorschriften für Unternehmen zu verschärfen, um den Schutz für Mitarbeiter zu verbessern. Sie will den sogenannten Corporate Manslaughter and Homicide Act von Großbritannien übernehmen. Dann könnten Geschäftsführung oder Vorgesetzte auch strafrechtlich verfolgt werden, wenn Reisenden etwas zustößt und der Arbeitgeber die Mitarbeiter nicht rechtzeitig auf mögliche Risiken hingewiesen und dagegen geschützt hat.
Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen tun sich noch schwer, diese Schutzprogramme zu standardisieren und auf spezifische Regionen gezielt abzustimmen – aus finanziellen und organisatorischen Gründen, vor allem aber, weil sie oft nichts von ihrer Fürsorgepflicht wissen. Laut Christian Schaaf, Geschäftsführer des Sicherheitsunternehmens Corporate Trust, haben nur 15 Prozent der Mittelständler überhaupt Standards für die Reisesicherheit ihrer Mitarbeiter oder der Geschäftsführung etabliert.
Doch zumindest zahlreiche Konzerne haben mittlerweile Programme entwickelt, mit denen sie Mitarbeiter vor der Abreise in Krisenregionen zielgerichtet auf die Situation vor Ort vorbereiten. Sie verpflichten Reisende zu intern entwickelten Kursen oder schicken sie zu Rettungsübungen außer Haus wie dem Absturz-Sicherheitstraining der Fluglinie British Airways, entwickeln Notfallpläne oder installieren Apps auf den Smartphones ihrer Mitarbeiter, die vor Flutwellen warnen oder das Telefon bei Diebstahl unbrauchbar machen.
Mit diesen Programmen wird Ihr Mobiltelefon zur Notrufzentrale
Ob ein Notruf in Dschibuti, die Nummer der deutschen Botschaft in Peking oder die Hotline vom Auto Club Europa: Über diese App können Sie 2000 Notrufnummern aus 194 Ländern abrufen.
Wird Ihr iPhone mit sensiblen privaten und Firmendaten gestohlen, ist der Ärger groß. Mithilfe dieser App und der Internet-Seite icloud.com können Sie Ihr iPhone von jedem externen Rechner orten und sensible Daten löschen.
Ein Knopfdruck – und Ihr Hilferuf landet bei der Notrufzentrale des jeweiligen Landes. Sie können auch Gebiete markieren – sobald Sie diese verlassen, werden Sie per Alarm gewarnt.
Diese App alarmiert Sie in drei Gefahrenabstufungen bei Erdbeben, Fluten und Sicherheitsbedrohungen. Die höchste Stufe ertönt auch, wenn das Telefon stummgeschaltet ist.
„Das hohe Reiseaufkommen und die zunehmenden Gefahren haben das Risikobewusstsein geschärft“, sagt Oliver Scholz, BWL-Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. „Mitarbeiter auf Geschäftsreisen vorzubereiten wird für Unternehmen immer wichtiger.“