Gleichzeitig Urlaub und Arbeiten So kann Workation funktionieren

Bei einer Workation wird Arbeit und Urlaub verbunden. Quelle: obs

Vom Pool direkt an den Laptop und dann ins nächste Meeting oder einen Call beim Wandern führen. Arbeit und Urlaub verbinden – Workation eben. Aber klappt das wirklich – und wenn, wie?

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Für den Gründer von Einhorn, Waldemar Zeiler, geht es die nächsten sechs Monate nicht um umweltfreundliche Kondome, Menstruationstassen oder Tampons, sondern um Meditation, Zeit mit seinem Sohn und neue Dinge lernen. Er macht ein Sabbatical. Und genau das können auch alle Mitarbeiter bei Einhorn machen: Für jedes Jahr, welches sie im Unternehmen sind, wird ihnen ein Monat Sabbatical zugeschrieben. Damit trifft Zeiler und sein Unternehmen einen Nerv zu mehr Freiheit im Job. Eine Umfrage des ifo-Instituts zeigt, dass in der Gesamtwirtschaft knapp jeder vierte Beschäftigte teilweise im Homeoffice arbeitet. Vor allem im Dienstleistungsbereich arbeiten gut 35 Prozent zum Teil von zu Hause. Neben dem Homeoffice können viele aber auch remote arbeiten, also ortsunabhängig.

Mittlerweile zeichnet sich beim mobilen Arbeiten ein neuer Trend ab: Workation ist die Verbindung aus Arbeit und Urlaub.

Eine Workation kann ganz verschieden aussehen: „Ob im Coworking-Space, als Team-Urlaub oder in neu zusammengewürfelten Gruppen – bei der Workation oder auch Coworkation geht es vor allem um Community, Netzwerken und Austausch“, sagt Veronika Engel. Sie arbeitet beim Standortmarketing für den Landkreis Miesbach und betreut dort unter anderem das Projekt „CoworkationALPS“. Zusätzlich gehe es darum, dass man Abstand zum Alltag gewinne, dabei kreativ und zeitlich flexibel sein kann.

Wie funktioniert Workation?

So kann der Tag mit einem ausgiebigen Frühstück beginnen oder die Mittagspause zum Surfen, Wandern oder Skifahren genutzt werden – in der Theorie zumindest. In der Praxis muss jeder schauen, ob nicht doch zufällig ein Meeting stattfindet oder ein Kollege spontan anruft. Daher ist viel Verständnis von Arbeitgeberseite gefragt, genau wie die eigene Gelassenheit. Dabei gibt es verschiedene Arten von Workation. Beispielsweise kann der Urlaub um ein paar Tage verlängert werden, um dann am Urlaubsort zu arbeiten.

„Eine Alternative ist, sich erst um den Arbeitspart zu kümmern und sich beispielsweise in einem Coworking-Space einzubuchen. Danach kann dann der Urlaub drumherum gebucht werden“, sagt Engel. In Verbindung mit Workation können so neue Gruppen entstehen, wenn ein Anbieter diese Gruppen aus verschiedenen Personen, die in unterschiedlichen Branchen arbeiten, organisiert. So lassen sich über Branchen und Grenzen hinweg kreative Ideen und neue Inspirationen finden, findet Engel.

Wer kann Workation machen?

„Workation können nur die machen, die digitalgestützt arbeiten“. Denn diese Gruppe könne auch im Homeoffice arbeiten und damit ihren Arbeitsplatz verlegen. Bei Handwerkern sei dies schwerer. „Ein Tischler kann ja schlecht seine Werkbank mitnehmen“, so Engel. Zudem müssen einige Berufsgruppen besonders auf den Datenschutz achten, wie beispielsweise Rechtsanwälte. „Generell ist Workation für Angestellte oder Selbstständige geeignet, die flexibel und offen arbeiten“, erklärt Engel.

Neben Einzelpersonen können auch Gruppen oder Teams auf Workation gehen. „Der Kerngedanke ist, dass mehr Flexibilität herrscht, das beeinflusst die Work-Life-Balance. Auch ändert es die Art wie man arbeitet. Man wird produktiver, effektiver, kreativer“, berichtet Engel.

Auch Sabrina Wagner, beim Medienunternehmen SWMH unteranderem für Diversity verantwortlich, ist der Meinung, dass Workation die Kreativität fördert. Sie findet aber, dass diese Art zu Arbeiten viele ausschließt. „Zum einen hängt die Möglichkeit Workation zu machen sehr vom Beruf ab, das sorgt schon einmal für Ungerechtigkeit“, so Wagner. Dann hänge es auch von der Position ab: „Wenn eine Führungskraft in einem digitalen Unternehmen Workation machen will, ist das grundsätzlich möglich, aber remote führen kann mitunter schwierig werden und muss erst gelernt werden.“

Den wesentlichen Punkt sieht sie aber im Privatleben, denn „wer Kinder hat oder Angehörige pflegt, selbst vielleicht eine Krankheit oder einfach nicht das nötige Geld hat, für den ist es eben nicht einfach möglich“, betont Wagner. Das schade auch der Gruppendynamik, wenn von vornherein einige in der Belegschaft nicht die Chance auf Workation haben.

Sie sieht Workation also vor allem für zwei Gruppen: „Die Jüngeren, die noch flexibel sind, können eher Workation machen, ebenso wie die, deren Kindern schon aus dem Haus sind. Für alle anderen müssen entweder passende Voraussetzungen geschaffen oder durch eine Art Kompensation ausgeglichen werden.“ Ob dies nun durch zusätzliche Urlaubstage, eine Bonuszahlung oder ähnliches wäre, müsste von Unternehmen zu Unternehmen entschieden werden.

Was braucht man für Workation?

„Heutzutage ist Arbeit nicht nur Arbeit. Es ist mehr“, erklärt Wagner. So solle es möglich sein, flexibel zu arbeiten und auch die Arbeit mit dem Urlaub zu verbinden. „Denn im Idealfall verschwimmt Arbeit mit privaten Interessen und es wird gar nicht mehr als ‚Arbeit‘, die in einer bestimmten Zeit stattfinden muss, wahrgenommen. Dann ist es auch kein Thema im Urlaub zu ‚arbeiten‘.“

Damit das klappt, sind Laptop und stabile Internetverbindung die Grundvoraussetzungen, aber auch ein Schreibtisch und ein guter Stuhl sind wichtig. Natürlich, so Engel, könne eine Workation in der Hängematte funktionieren. „Aber besser ist es, wenn es eine gute Arbeitsinfrastruktur in der Skihütte oder dem Bungalow gibt“. Gerade Gruppen brauchen laut Engel passendes Kommunikationsmaterial wie „Beamer, Moderationskoffer, Drucker oder Flipchart“. Darüber hinaus sollte es genug Steckdosen und auch Adapter geben, damit es bei unterschiedlichen Geräten oder Steckdosen keine Probleme gibt. Das kennt sie aus eigener Erfahrung, denn „ich habe selbst einmal in der Schweiz Workation gemacht und es gab keine Adapter. Blöderweise wusste ich das nicht und schon am ersten Tag war der Akku von meinem Laptop leer.“

Wie viel kostet eine Workation?

Der Preis für eine Workation kann ganz unterschiedlich verschieden ausfallen: So kostet ein Angebot für Workation auf Sylt gut 1200 Euro pro Woche, auf Mauritius sind es pro Person 1800 Euro pro Monat und in Piemont, Italien kann die Workation für 143 Euro pro Nacht und Person losgehen. „Es kommt darauf an, wie lange man Workation machen möchte, ob es ein fester Zeitraum ist, wie viele Leute mitkommen, ob zum Beispiel die Familie dabei ist und natürlich, wo man hin möchte“, erläutert Engel. Zudem kommen noch eventuelle Kosten für einen Coworking-Space dazu. Auch die Frage, ob man sich dafür Urlaub nehmen muss, beeinflusst die Entscheidung.

Welche rechtlichen Regeln gibt es zu beachten?

In Deutschland prinzipiell, dass Urlaub zur Erholung dient und in der Arbeitszeit gearbeitet werde, erläutert Matthew Devey, Partner und Fachbereichsleiter für Arbeitsrecht bei der Anwaltskanzlei Linklaters. „Da ist das deutsche Arbeitsrecht starr und Workation stellt eine Mischung dar, die die Gesetzgebung nicht hergibt.“

Sollte es im Unternehmen noch keine „remote working Policy“ geben, empfiehlt Devey erst einmal auf Vorgesetzte und gegebenenfalls Kollegen zuzugehen und die Pläne frühzeitig zu erörtern. Denn einen Anspruch auf Workation haben Arbeitnehmer grundsätzlich nicht. Man brauche eine rechtliche Grundlage, aus der solche Ansprüche hergeleitet werden, wie zum Beispiel eine Betriebsvereinbarung, erläutert Devey. Zuletzt hatte eine Münchenerin ihren Arbeitgeber verklagt, da sie gerne remote aus der Schweiz arbeiten wollte. „Das Arbeitsgericht München wies die Klage ab, denn der Arbeitgeber muss einer Auslandstätigkeit des Arbeitnehmers nicht ohne weiteres zustimmen“, erklärt Devey.

Die Auslandstätigkeit kann sowohl lohnsteuer- als auch sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen haben. Es ist aber zu beachten, dass eine vorübergehende Auslandstätigkeit sowie eine Tätigkeit innerhalb der EU grundsätzlich einfacher umzusetzen ist. „Für Arbeitgeber besteht aber dennoch das Risiko eine Betriebsstätte begründen zu müssen, wenn die Auslandstätigkeit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens dient. Das ist aber mit Kosten und Verpflichtungen für Arbeitgeber verbunden.“

WiWo Coach Gesetzliche Rente oder Versorgungswerk – was ist besser?

Als Anwalt kann unser Leser bei der gesetzlichen Rentenversicherung oder einem Versorgungswerk einzahlen. Was lohnt eher? Rentenberater Markus Vogts antwortet.

Abwanderungswelle bei Sixt „Es beiden recht zu machen, ist eine unlösbare Aufgabe“

Der robuste Führungsstil von Sixt-Gründer Erich Sixt war legendär. Seine Söhne übertreffen ihn wohl noch. Die Abgänge häufen sich. Der Digitalvorstand ist schon weg, ein Finanzchef wird mal wieder gesucht.

Biontech „Das würde ein neues Zeitalter in der Krebstherapie einleiten“

Biontech arbeitet an über zwanzig Medikamenten gegen Krebs. Der Mediziner und Fondsmanager Markus Manns erklärt, wo es Hoffnung gibt, welche Präparate die besten Chancen haben – und wo es noch hakt.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Sowohl Engel als auch Wagner und Devey sind sich einig: Wer als Arbeitgeber zukünftig Mitarbeiter gewinnen und behalten will, muss den Wandel der Arbeitswelt ernst nehmen und auch auf Workation zurückgreifen. Gerade durch den Fachkräftemangel gibt es in einigen Branchen mehr Stellen als Leute auf Jobsuche und diese können sich dann das Unternehmen auswählen. „Wer remote working komplett untersagt, auf tägliche Büropflicht setzt und die Möglichkeit von überall zu arbeiten kategorisch ausschließt, wird es schwer haben Mitarbeiter zu finden und zu halten. Denn in vielen Branchen wird es die Konkurrenz anbieten und damit den neuen Kollegen oder die neue Kollegin gewinnen“, so Devey. Dennoch gelte weiterhin, dass Arbeitgeber nicht verpflichtet sind, jedem Wunsch nachzukommen.

Lesen Sie auch, wie die Zukunft der Arbeit aussieht.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%