Globalisierung Was man von Asiens Managern lernen kann

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Deutsche müssen ausprobieren

Die größten deutschen Arbeitgeber in China
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Teilweise sind selbst Berater wie Hiort auf den Einkaufstouren der Chinesen nicht in alle Details eingeweiht. Es bedarf großen Vertrauens, ehe die Chinesen ihre Karten auf den Tisch legen. Äußerst gut informiert gingen sie in Verhandlungen, sagt Hiort, sie spielen vorab alle Möglichkeiten durch.

Ähnlich verhandeln die Inder. Sie wechseln häufig dass Thema, sodass für die Deutschen keine rote Linie erkennbar ist. Was nach außen chaotisch wirkt, ist Teil der Taktik. „Sie haben ihren eigenen Fahrplan, verfolgen ihr Ziel geduldig, lassen sich durch nichts aus der Ruhe bringen“, sagt Hiort. „Davon können wir Deutsche viel lernen.“

Wollen Asiaten umgekehrt von Europäern lernen, sind die Regeln des Know-how-Transfers klar definiert. Rudi Boldin kann davon ein Lied singen: Er soll mit Chinas Daqo Group im Bereich Schalttechnik Wettbewerber wie Siemens und ABB überholen. Der Ehrgeiz der Chinesen färbt ab auf den 63-Jährigen: „Wir werden bei Schaltgeräten die Nummer eins am Markt sein“, sagt der deutsche Ingenieur in chinesischen Diensten, „erst lokal und eines Tages in der ganzen Welt.“

Die Deutschen sind zu träge

Deshalb stapeln sich derzeit in seinem Entwicklungszentrum in Nanjing die Holzkisten mit Produkten der Wettbewerber, etwa ein Leistungsschalter von Schneider Electric. An der Werkbank schrauben zwei Männer einen Schaltschrank von Siemens auseinander, ein dritter zeichnet mit dem Bleistift die Formen der Bauteile nach. „Ich trainiere meine Leute, Entscheidungen selbstständig zu treffen“, sagt Boldin, „damit sie Produkte besser machen können.“

Jeden Abend trommelt Boldin sein junges Entwicklerteam zusammen. Sie simulieren Schaltprozesse und debattieren, wie sich die Effizienz verbessern lässt. Für Boldin immer noch ein anstrengendes Prozedere, denn kein Chinese will Fehler offen ansprechen oder Boldin kritisieren. „Die Chinesen suchen immer einen Meister, der kann, was sie nicht können“, sagt Boldin. „Wenn sie etwas besser können als der Meister, sehen sie sich selbst als Meister.“ Den alten brauchen sie dann nicht mehr – selbst wenn er aus Deutschland kommt.

„Technologisch lassen die Deutschen sich links und rechts von den Chinesen überholen“, sagt Boldin, „aber sie merken es nicht.“ Die Tüftler in seiner Heimat seien kreativ und innovativ, klar. Sie könnten Dinge zu Ende denken, was in Asien fehle. Aber: „Die Deutschen müssen aufhören, träge zu sein.“ Und anfangen, die Wettbewerber aus Asien ernst zu nehmen.

Einer, der deutsche Planungsfreude und chinesische Probierlust in sich vereint, ist Zhengrong Liu. Der 44-Jährige ist Personalchef beim Leverkusener Spezialchemiekonzern Lanxess, stammt aus Shanghai, besitzt einen deutschen Pass und kämpft dafür, dass sich in Deutschland ein vertrauensbasiertes Führungsmodell etabliert, das sich auch an chinesischen Managementprinzipien orientiert. Das heißt: Bei aller Härte in Verhandlungen geht es immer auch um den Aufbau vertrauensvoller, langfristiger Beziehungen. Der chinesischen Denke folgend, hat Liu in Leverkusen den „Nasenfaktor“ eingeführt: Boni bekommt, wem Führungskräfte Vertrauen entgegenbringen – unabhängig von Erfolg, der sich in Zahlen messen lässt. Gewissermaßen eine Wette auf künftige Erfolge eines Mitarbeiters – die nur funktioniert, wenn im Unternehmen eine Kultur des Vertrauens herrsche. „Die kann man nicht verordnen“, sagt Liu, „die muss wachsen.“

Öfter Neues wagen

Bei SAP funktioniert das heute global. Der Konzern, sagt Indien-Chef Neumann, ist inzwischen ein Stück weit asiatisch geworden: „Wir haben unsere globalen Entwicklungsprozesse verändert und probieren mehr aus, was kulturell sicherlich der indischen Arbeitsweise entspricht.“

Was in der westlichen Managementkultur als Trial & Error-Prinzip verpönt ist, nennt SAP „Design Thinking“: Programmierer dürfen Neues ausprobieren, jedes Ergebnis wird besprochen.

So führt Neumann seine Leute in Indien, nachdem sie ihm die Leviten gelesen hatten. „Inzwischen sind die Kollegen selbstbewusster geworden und sagen viel öfter ihre Meinung.“ Er selbst sei offener geworden, was sich für die Karriere ausgezahlt hat. Der 45-Jährige ist heute für alle Entwicklungsstandorte außerhalb Walldorfs verantwortlich und berichtet direkt an den Vorstand, dem seit zwei Jahren auch Vishal Sikka angehört – ein Inder.

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