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GPRA-Vertrauensindex Arbeitnehmer haben Angst vor dem eigenen Unternehmen

Vertrauen Sie Ihrem Unternehmen? Glauben Sie das, was Ihnen Ihr Top-Management sagt? Wenn ja, gehören Sie einer Minderheit an.

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Wie schlechte Chefs ihre Mitarbeiter vergraulen
Mitdenken nicht erwünschtWunsch: Manuel B., 23, arbeitet im Bereich Kundenservice im Back Office. Er möchte, dass Vorgesetzte ihn ernst nehmen und ihm Handlungsspielraum lassen. Sein Chef muss für ihn ein Vorbild sein. Respekt erhält ein Vorgesetzter von Manuel, wenn er seine Sache gut macht und ihm etwas beibringen kann – nicht umgekehrt. Mitarbeiterrealität: Manuel B. ist unzufrieden mit seinem Chef, denn er fühlt sich nicht gefördert. Er ist ein flinker Kopf und denkt mit. Wenn er ineffiziente Arbeitsschritte und Fehler identifiziert, will er sie gerne verändern – am liebsten eigenständig. Auch beim Chef entdeckt er solche Fehler. Der will aber nichts davon wissen – Manuel hat nichts zu melden. Er soll sich gefälligst an die Arbeitsanweisungen halten – das war’s. Quelle: Fotolia
Im Ton vergriffenWunsch: Inge S., 49, arbeitet in einer sozialen Einrichtung. Sie wünscht sich, dass Vorgesetzte freundlich und angemessen kommunizieren. Insbesondere mit den psychisch erkrankten Menschen erwartet sie einen einfühlsamen Umgang. Mitarbeiterrealität: Inge S. erlebt ihre Chefin als dominant und unsensibel: „Sie verträgt keine Kritik, teilt aber gut aus. Sie versucht mir Arbeiten aufzudrücken, auch wenn ich ihr sage, dass das die Kollegin macht. Wenn jemand in ihr Büro kommt und sie im Gespräch stört, reagiert sie sehr genervt und unwirsch. Das ist unsachgemäß und für eine Chefin nicht gebührlich.“ Quelle: Fotolia
Ich kompetent, du nichtWunsch: Lara M., 27, ist Personalreferentin. Sie braucht eine Führungskraft, die ihr Anerkennung zeigt, sie unterstützt und ihr Selbstsicherheit gibt: „Sie muss ansprechbar sein, wenn ich Schwierigkeiten habe, ohne dass mir das als Inkompetenz ausgelegt wird. Ich möchte spüren, dass meine Arbeit und das, was ich tue, gesehen werden. Auch der menschliche, herzliche Umgang ist mir wichtig.“ Mitarbeiterrealität: Lara M. fühlt sich verunsichert und demotiviert. Sie wurde schlecht eingearbeitet, dafür wird sie nun von ihrem Chef umso mehr kontrolliert. Sie erhält von ihm sehr viel Kritik und wenig positive Rückmeldung: „Ich weiß immer schon, egal wie ich es mache, ist es ihm sowieso nicht recht. Das nagt sehr an meinem Selbstbewusstsein. Er verhält sich immer nach dem Motto ‚Ich bin der Chef und nur was ich sage, ist richtig‘.“ Quelle: Fotolia
Leise Töne überhörtWunsch: Barbara L., 56, ist Verwaltungsangestellte. Für sie ist es wichtig, dass Vorgesetzte sie und die anderen Mitarbeiter gleichberechtigt behandeln. Sie möchte, dass ihr Chef ihren Verantwortungsbereich respektiert und sich genauso an die Regeln hält, wie es von ihr selbst erwartet wird. Mitarbeiterrealität: Barbara L. erlebt leider etwas anderes: „Er hört die Mitarbeiter mehr, die lauter schreien. Ich bin eher ruhiger und setze mich nicht so stark durch. Dadurch komme ich oft kürzer.“ Neulich setzte ihr Chef einfach einen neuen Lieferanten ein, ohne sie darüber zu informieren, geschweige denn sich mit ihr abzustimmen. „Da stehe ich bei den anderen dumm da, wenn ich nicht einmal darüber Bescheid weiß.“ Quelle: Fotolia
Wo das Chaos regiertWunsch: Bettina O., 38, ist verantwortlich für die interne Kommunikation in ihrem Unternehmen. Sie arbeitet sehr gerne selbstständig und liebt eine „lange Leine“. Von Vorgesetzten braucht sie eigentlich nur eine klare Richtungsvorgabe. Dabei wünscht sie sich auch, dass ihr Chef ein Bild davon hat, was sie tut. Mitarbeiterrealität: Bettina O. stellt ihre Strategie alleine auf. Ihre Vorschläge werden kritisiert, aber Verbesserungshilfen erhält sie keine. Sie sieht ihren Chef nur sehr unregelmäßig: „Er weiß dadurch oft gar nicht, was bei mir los ist. Manchmal besprechen wir meine Prioritäten und später fragt er nach der unwichtigsten davon. Oder er fragt mich, ob ich Zeit hätte, zu einem Meeting zu gehen, obwohl ich ihm kurz vorher gesagt habe, dass ich nicht weiß, wo mir der Kopf steht.“ Quelle: Fotolia
Am Team vorbeigeschautWunsch: Karla D., 42, arbeitet als Psychologin in einer Klinik. Sie schätzt es, sich regelmäßig im Team auszutauschen. Sie wünscht sich, dass Vorgesetzte offen für Verbesserungsvorschläge sind und gute Rahmenbedingungen für ihre Arbeit schaffen: „Eine Führungskraft sollte nicht nur die Sachebene, sondern genauso das Team im Blick haben.“ Mitarbeiterrealität: Karla D. erkennt: „Mein Chef vernachlässigt seine Führungsrolle.“ Mitarbeitergespräche gibt es kaum. In der Arbeit mit Patienten erfährt sie Unterstützung, aber nicht, wenn es um ihre Belange geht. Es gab bereits einige längere krankheitsbedingte Ausfälle unter ihren Kollegen, trotzdem ändert der Chef nichts. Auch unterstützt er wenig, dass das Team gemeinsam Fälle bespricht und sich berät. Quelle: Fotolia
Mehr kontrolliert als gearbeitetWunsch: Dieter K., 58, ist Projektleiter. Er arbeitet am liebsten, wann er möchte und so, wie er es für richtig hält. „Mein Chef soll mich einfach in Ruhe meine Arbeit machen lassen. Ich brauche eigentlich nicht unbedingt einen Chef, zumindest keinen, der mir alles vorschreibt“, sagt er. Er wünscht sich eine flexible Gestaltung von Prozessen und Vertrauen von seinem Chef. Mitarbeiterrealität: Dieter K. ärgert sich über seinen Chef: „Ich engagiere mich, arbeite sogar an Urlaubstagen, und wenn ich dann mal aus privaten Gründen nicht da bin, macht er gleich eine große Welle. Wenn ich hingegen etwas von ihm brauche, ist er schwer zu erreichen.“ Auch Kalkulationen für kleinere Standardangebote muss Dieter K. vom Chef absegnen lassen. Der lässt mit einer Antwort aber gerne auf sich warten. Quelle: Fotolia

Wenn beispielsweise die Unternehmenslenker verkünden, dass eine Neuausrichtung geschehen müsse, "um für die Zukunft besser aufgestellt zu sein", dann glauben das 76 Prozent der Belegschaft nicht. "Die Mitarbeiter halten es für vorgeschoben und befürchten, dass es stattdessen bald weitere Entlassungen gibt", sagt Uwe Kohrs, Präsident der GPRA, dem Bundesverband der führenden PR-Agenturen in Deutschland.

Aus seinem Hause stammt der GPRA-Vertrauensindex und die Extra-Auswertung exklusiv für die WirtschaftsWoche über das Vertrauen der Mitarbeiter in ihre Unternehmen. 1012 Beschäftigte standen Rede und Antwort für diese repräsentative Umfrage.

Eine andere Situation zeigt denselben Vertrauensverlust auch in die direkten Vorgesetzten: Wenn ein neuer Chef im Anmarsch ist, läuten bei 46 Prozent der Beschäftigten alle Alarmglocken. "Das Ergebnis ist ein echter Hammer und vor allem bei den Jüngeren ein extrem hoher Wert", findet PR-Profi Kohrs. Denn nicht alle Mitarbeiter sind gleich verängstigt: Ausgerechnet von den 30- bis 39-Jährigen sagen 51 Prozent, dass sie sich vor einem neuen Chef fürchten.

Uwe Kohrs, GPRA-Präsident Quelle: PR

Angst vorm neuen Chef

Dass sie es sind, die schlimmstenfalls am Arbeitsmarkt die relativ besten Aussichten auf eine neue Stelle haben, scheint nicht durchzuschlagen. Kohrs glaubt: "Diese Altersgruppe muss noch Karriere machen und haben hohe Hypotheken für ihre Eigenheime abzuzahlen."

Nicht ganz so viele Sorgen machen sich die 50- bis 59-Jährigen mit 44 Prozent. Was wiederum ein negatives Votum über die Führungskultur ist, so Kohrs. Gelassen sind demgegenüber die 60- bis 69-Jährigen, von denen 35 Prozent neue Chefs fürchten. "Dieser Gruppe scheint es eher egal zu sein, wer über ihnen Chef wird – sie haben schon zu viele kommen und gehen gesehen", so Kohrs. Doch besorgniserregend sind auch diese Werte, denn immerhin hat gerade diese Altersgruppe die Rente vor Augen und sollte sich von derlei Veränderungen nicht unbedingt anfechten lassen.

Unnötige Distanz zwischen Führung und Belegschaft

Doch insgesamt zeigen auch diese Umfrageergebnisse, wie sehr sich die Belegschaften und die Unternehmenslenker voneinander entfernt haben.

Denn ein weiteres Ergebnis der GPRA-Befragung zeigt, wie unnötig diese Spaltung innerhalb der Betriebe oder genau genommen diese Führungskrise ist. Denn im Schnitt sagen 68 Prozent der Mitarbeiter, dass sie voll motiviert sind. "Ich treffe viele, die ihren Beruf gerne und gut machen", sagt Kohrs. Aber eben nur die Tätigkeit.

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