„Hart an der Sache, weich zur Person“ Rhetorik-Tipps fürs Meeting

Wertschätzung zeigen, Blickkontakte halten und nicht zu scharf in Diskussionen einsteigen - so kann die Leitung von Meetings gelingen. Quelle: Imago

Einschläfernde Monologe oder endlose Debatten – der Erfolg eines Meetings liegt meist in der Rhetorik des Moderators. Kommunikationsexpertin Marietta Gädeke erklärt im Interview, wie man Sitzungen zielführend leitet.

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Meetings werden im Berufsalltag oft zur Zeitverschwendung. Häufig sorgen kurzfristige Einladungen, damit verbundene Terminumstellungen und unzureichende Informationen zur Tagesordnung schon vorab für Stress. Dann verzögert sich der Sitzungsbeginn, weil wichtige Entscheidungsträger auf sich warten lassen. Letztendlich erscheinen sie nicht und das Meeting beginnt mit Beschwerden über Lappalien, bevor es sich schließlich in einer hitzigen Debatte oder einem eintönigen Monolog verliert.

Dabei sind Meetings für den abteilungsübergreifenden Informations- und Gedankenaustausch essenziell. „Durch die richtige Kommunikation kann man als Moderator dafür sorgen, dass alles effizient läuft“, sagt Marietta Gädeke. Die Expertin und Trainerin für Kommunikation und strategische Empathie wurde 2007 Deutsche Meisterin im Debattieren und ist Autorin des Buchs „Pro und Kontra – die Debating-Methode“. Im Interview erklärt sie, wie man ein Meeting mit einfachen rhetorischen Tricks zu einer effizienten und zielführenden Veranstaltung macht.

Was sind die häufigsten Rhetorik-Fehler bei der Leitung von Meetings?
Keinen Plan zu haben. Wenn man ins Meeting geht und selbst nicht gut vorbereitet ist, kann man das zwar bis zu einem gewissen Grad überspielen, aber die Leute merken das. Nonverbale Kommunikation ist als Moderator sehr wichtig. Und wenn man nicht weiß, wohin die Diskussion führen soll, dann führt sie auch zu nichts. Ein weiterer Fehler ist ein zu nachsichtiger Moderationsstil. Wenn man alle immer sprechen lässt, solange sie wollen, beeinflusst jemand, der sich die meiste Redezeit nimmt, das Ergebnis der Diskussion am stärksten. Aber man sollte auch nicht zu streng sein: Wenn man eine offene Diskussion will, kann man das Meeting nicht durchdiktieren.

Marietta Gädeke ist Expertin und Trainerin für Kommunikation und strategische Empathie. Quelle: Lilit Kommunikation

Worauf sollte ich als Moderator bei der Vorbereitung eines Meetings achten?
Als Erstes sollte man sich klar machen, welche Ziele man erreichen will und die Länge der Sitzung festlegen. Dann entwirft man eine Tagesordnung. Die wichtigsten Punkte sollten zuerst besprochen werden, da die Produktivität zu Beginn einer Sitzung am höchsten ist. Weitere Themen sollten dann nach absteigender Relevanz geordnet werden, bis zu Punkten, die man eventuell noch verschieben kann. Außerdem sollte man einen Zeitplan für die einzelnen Punkte festlegen. Ist das erledigt, hat man eine Agenda und dadurch auch eine Strategie und Ausrichtung für das Meeting. Die Tagesordnung sollte man allen Teilnehmern mindestens zwei Tage vor der Sitzung schicken. Falls dann Hinweise oder Änderungswünsche aufkommen, kann man das nochmal ändern und die Veranstaltung besser auf die Bedürfnisse der Teilnehmer abstimmen.

Gibt es noch weitere Tricks, um Teilnehmer zu motivieren?
Die Grundbedürfnisse der Teilnehmer sollte man ebenfalls beachten. Niemand kann durstig, hungrig und müde gut arbeiten. Auch die Uhrzeit spielt eine Rolle: Wenn nachmittags ein Tief in der Abteilung herrscht, dann sollte ich das Meeting nicht zu dieser Zeit abhalten, sonst sehen die Teilnehmer das als Pause. Die ideale Zeit für produktive Meetings ist zwischen 9 und 11 Uhr morgens. Danach bekommen einige Hunger, vorher sind einige noch müde. 

von Varinia Bernau, Jenny Niederstadt

Wie setze ich durch meine Redeleitung zu Beginn des Meetings die richtigen Akzente?
Man muss sich bewusst sein, dass ein Meeting schon mit dem Non-Verbalen und Persönlichen beginnt. Für ein erfolgreiches Treffen müssen sich die Teilnehmer öffnen und bereit sein, einen kritischen Diskurs zu führen. Wenn man beispielsweise gerade dabei ist, die Technik für eine Präsentation vorzubereiten und die ersten Kollegen schon in den Raum kommen, sollte man Interesse an ihnen zeigen. Zum Beispiel kann man ihnen erklären, was man gerade macht, oder etwas zu trinken anbieten. Dabei sollte man einen freundlichen Ton anschlagen, auch ein Handschlag zur Begrüßung der Teilnehmer ist hilfreich, um Hemmungen abzubauen. So kann man sich später auf sachlicher Ebene besser auseinandersetzen.

Worauf achten die Mitarbeiter in Meetings besonders?
Die Teilnehmer achten stark auf paraverbale Aspekte wie Körpersprache oder Stimme. Man sollte einen wertschätzenden Ton anschlagen, Blickkontakte halten und nicht zu scharf in Diskussionen einsteigen. Sobald sich jemand persönlich angegriffen fühlt, ist oft nicht der Sachinhalt das Problem, sondern die Art und Weise, wie es gesagt wird. Andererseits darf man das Meeting auch nicht zu locker führen oder beispielsweise gähnen. Das kann dazu führen, dass die Veranstaltung einschläft und die Leute sich nicht mehr beteiligen.

Gute Rhetorik steigert Produktivität in Meetings

Angenommen, ich beachte diese Tipps, aber einige Teilnehmer wirken gelangweilt oder abwesend. Wie binde ich sie dann am besten wieder in Diskussionen ein?
Das wäre dann eine Störung. So etwas hat immer Vorrang. Mein Tipp ist, das einfach auf der Metaebene ganz offen anzusprechen, um herauszufinden, woran das liegt. Wenn man fragt: „Du scheinst gerade voll abwesend zu sein, liegt das am Meeting oder gibt es einen anderen Grund?“, kriegt man schnell eine Antwort, die Hinweise gibt. Zum Beispiel kommt dann heraus, dass der Teilnehmer die Debatte für unnötig hält, oder von dem besprochenen Thema gar nicht betroffen ist und darüber nachdenkt, was er noch alles erledigen muss. Dann kann man ihn aus dem Meeting entlassen. Oder es liegt an etwas ganz anderem, vielleicht hat derjenige am Vorabend einfach zu lange gefeiert und dann tut es ihm leid, dass er nicht voll dabei ist. Auch das ist gut zu wissen, denn so kann man unterscheiden, ob es am Inhalt liegt oder nicht. Wenn eine offene Ansprache vor der Gruppe nicht möglich ist, kann man auch eine Pause veranlassen und das im persönlichen Gespräch klären.

Gibt es weitere Gründe, wieso Meetings zum Monolog werden?
Es kann auch sein, dass keine Diskussion aufkommt, weil die Teilnehmer einfach alles abnicken. Das kann dazu führen, dass man geschäftsblind wird, also nicht mehr alle Aspekte auf den Plan kommen. Ein Beispiel wäre ein Entwicklerteam, das eine Sprachsoftware entwickelt. Zum Schluss funktioniert sie super – aber nur mit Männerstimmen. Solche blinden Flecke gibt es immer wieder. Ich empfehle in diesen Situationen den Anwalt des Teufels zu spielen und ganz bewusst die Gegenposition einnehmen, um alles von Grund auf infrage zu stellen. So kann man Groupthink effektiv verhindern.

Häufig passiert auch das Gegenteil und ein Meeting verliert sich in einer ausufernden Diskussion. Kann man das durch gute Moderation vermeiden?
Das muss nicht passieren. Ein guter Moderator hat den roten Faden des Meetings im Hinterkopf. Er weiß von Anfang an, welche Ziele erreicht werden müssen und hat immer einen Blick auf die Uhr. Wenn absehbar wird, dass Zeitvorgaben nicht eingehalten werden, interveniert er sofort und sagt nicht zum Schluss: „Oh, jetzt sind wir aber über der Zeit“. Zu Beginn des Meetings sollte jeder die Agenda haben und wissen, was besprochen werden soll. Dabei spielt keine Rolle, ob Tischvorlage oder Flipchart, es muss einfach die Möglichkeit bestehen, mitzuverfolgen ob man noch im Zeitplan ist. Dann bemühen sich die Leute viel mehr, in der Zeitvorgabe zu bleiben.

Und falls das nicht ausreicht?
Wenn eine Diskussion dennoch ausufert, muss man darauf hinweisen, dass das Auswirkungen auf alles hat, was nach dem Tagesordnungspunkt noch besprochen werden muss. Die Teilnehmer sollten dabei direkt eingebunden werden, indem man ihnen sagt, welche Optionen bestehen. Meistens kann man entweder direkt zur Entscheidung kommen oder weiterdiskutieren und dafür ein anderes Thema auslassen. Die dritte Möglichkeit ist, das Thema zu vertagen. Wichtig ist, dass die Zeitproblematik souverän an die Gruppe weitergegeben wird – will sie beispielsweise weiterdiskutieren, haben sich anscheinend ihre Prioritäten verschoben.

Was sind die wichtigsten Merkmale einer guten Moderation bei Meetings?
Ganz wichtig ist es, Wertschätzung zu zeigen. Man sollte Kritik auch einfach mal stehen lassen, ohne sich sofort zu rechtfertigen, sondern sie annehmen und sich fragen, wie man damit zukünftig umgehen möchte. Statt Schuldzuweisungen sollte man sich auf Produktivität in der Zukunft konzentrieren. Daraus kann etwas Tolles entstehen, denn statt um die Schuldfrage zu kreisen geht es dann darum, was man aus Fehlern lernen kann. Das sorgt nicht nur für gute Stimmung, sondern auch für bessere Arbeitsergebnisse. Weiterhin sollte man die Grundregeln der guten Kommunikation beachten: Wirklich zuhören, statt nur zu warten, bis man selbst reden kann. Außerdem hart an der Sache sein, aber weich zur Person dahinter. Niemand kann Kritik annehmen, der sich gerade als Mensch angegriffen fühlt. Lieber sagt man „Schlecht, dass du 15 Minuten zu spät bist“ als „Du bist immer unpünktlich“. Man sollte nicht generalisieren und keine bösen Absichten unterstellen. Wer das beachtet, schafft eine Stimmung, in der Leute eher bereit sind, an guten Lösungen zu arbeiten und Kritik anzunehmen.

Macht es einen Unterschied, ob der Leiter des Meetings ein Kollege oder der Chef ist?
Als Leiter eines Meetings sollte mir klar sein, welche Rolle ich spiele. Bestenfalls wird das Meeting von einem externen Moderator geleitet, denn die Redeleitung sollte eigentlich neutral sein. Habe ich ein Eigeninteresse an den Themen, die besprochen werden, kann das Auswirkungen auf die Diskussion haben. Wenn der Chef die Redeleitung übernimmt, ist das häufig schwierig. Debattiere ich als Chef in so einer Situation, sollte ich auf jeden Fall darauf achten, meine Meinung zum Schluss zu sagen. Mache ich das zu früh, kommen vermutlich weniger Redebeiträge.

Laut einer aktuellen Studie verbringen deutsche Büroangestellte durchschnittlich mehr als 16 Stunden monatlich in Meetings, achtzig Prozent gaben an, am eigenen Arbeitsplatz produktiver zu sein. Wie kann man Meetings mit einer festgefahrenen Routine verbessern?
Dass tote Zeit generiert wird, ist in Meetings nicht selten. Deshalb sollte man regelmäßige Meetings überprüfen. Zum Beispiel sollte man sich fragen, ob wirklich alle Teilnehmer bei dem Meeting dabei sein müssen, denn möglichst wenige Leute garantieren gute Ergebnisse. Generell sollte man sich fragen, wie man Meetings von Mal zu Mal besser machen kann. Ich empfehle, sich zum Ende der Sitzung fünf Minuten Zeit zu nehmen und zu überlegen, ob man alle Ziele erreicht, effizient gearbeitet, gut kommuniziert und alles dokumentiert hat. Zuletzt sollte man sich fragen, ob man auch den Zeitplan eingehalten hat. Wenn man sich diese Fragen nach jedem Meeting stellt, kann man es immer weiter verbessern. Manchmal muss man auch nachbohren, damit nicht alle sagen „War super“.

Mehr zum Thema: Zu häufig, zu lang, zu gering der Ertrag, zu viel Geschwätz: Nichts nervt mehr im Büroalltag als Besprechungen. Dabei wissen manche Firmen längst, wie sich Sitzungen zu einer Bühne der Effizienz umgestalten lassen.

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