Vor einem Monat bescheinigte eine Studie den deutschen Führungskräften im großen Stil Unfähigkeit: Laut der Untersuchung der Internationalen Hochschule Bad Honnef Bonn (IUBH) wären 27 Prozent der Führungskräfte besser nicht zum Chef gemacht worden. Der Mangel an Bewerbern habe viele Fachkräfte in die Inkompetenz hineinbefördert, so das Fazit. Dafür können zwar die Manager nichts, für Mitarbeiter und im Zweifelsfall auch das Unternehmen sind die Folgen trotzdem nicht ohne. Das zeigen zwei Beispiele aus der Praxis ganz deutlich.
VW hat seine Fehlbesetzungen teuer bezahlt
Zehn Tage, nachdem der Abgasskandal beim Volkswagenkonzern bekannt wurde, sagte der damalige VW-Aufsichtsratschef Berthold Huber, dass sich "das Unternehmen einer konsequenten Aufarbeitung stellen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen und die notwendigen Konsequenzen ableiten." Dann rollten Köpfe, die ersetzt werden mussten und wurden – oft mit konzernvertrauten Eigengewächsen. Richard Fudickar, Managing Partner der Personalberatung Boyden, nannte das damals gegenüber WirtschaftsWoche Online ein "Blending of the Best", also einem Wettkampf der Geeigneten.
Ulrich Ackermann, geschäftsführender Gesellschafter des Beratungshauses Transearch und auf den Bereich Automobil, IT, Konsumgüter und Handel spezialisierter Headhunter, sprach von "einer Chance für Leute in der zweiten oder dritten Reihe." Die einige auch ergriffen haben. Stefan Knirsch beispielsweise, seit 1996 Mitarbeiter des Volkswagenkonzerns, stieg vom Leiter der Aggregate-Entwicklung bei Audi zum Vorstandsmitglied bei Audi auf. Sein Ressort: technische Entwicklung.
Kurz vor seinem Amtsantritt am 1. Januar 2016 hatte er eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, dass er von der Betrugssoftware nichts gewusst habe. Das war leider nicht ganz richtig. Deshalb musste er nach gut neun Monaten gehen.
Der oder die Falsche für den Job: Fehlbesetzungen in deutschen Unternehmen
Die Internationale Hochschule Bad Honnef Bonn verglich die mittels Kompetenzanalyse ermittelten Fähigkeiten von 1300 Menschen mit deren Jobs.
Nur ein Drittel aller Teilnehmer sind wirklich goldrichtig auf ihrer Position. Alle anderen könnten in einer anderen Funktion genauso gut oder sogar besser arbeiten.
Der Anteil der Fachkräfte in großen Unternehmen (mehr als 500 Mitarbeiter), die perfekt sind, für ihren Job, liegt bei 30 Prozent. 70 Prozent könnten also mehr leisten, wenn sie einen anderen Job hätten. Bei den Fachkräften aus Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern sind 32 Prozent wie gemacht für ihren Job. Die restlichen 68 Prozent sind mit ihren Fähigkeiten auf ihrer Position irgendwie fehl am Platz.
Der Anteil der Führungskräfte in großen Unternehmen (mehr als 500 Mitarbeiter), die mit ihren Kompetenzen in keiner anderen Rolle besser eingesetzt wären, ist mit 38 Prozent nur unwesentlich höher als bei Führungskräften aus Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern. Hier liegt er bei 37 Prozent.
...wären in einer anderen Funktion noch besser und effektiver.
... wären auf einer anderen Position besser aufgehoben.
Der Anteil relativ neuer Fachkräfte, die mit ihren Kompetenzen in einer anderen Rolle deutlich besser eingesetzt wären, liegt bei 37 Prozent.
Der Anteil der langjährigen Mitarbeiter, die auf einer anderen Position effektiver arbeiten würden, liegt bei 43 Prozent.
Der Anteil der Fachkräfte mit beruflicher Ausbildung, die mit ihren Kompetenzen in keiner anderen Rolle besser eingesetzt wären (31 Prozent), ist annähernd identisch mit den Fachkräften mit Hochschulabschluss (30 Prozent).
Dagegen ist der Anteil der Führungskräfte mit beruflicher Ausbildung, die besser einen anderen Job machen würden, markant höher als bei Führungskräften mit Hochschulabschluss (30 Prozent).
Nur 43 Prozent der im Vertrieb tätigen Personen haben auch ihre optimale Rolle in diesem Bereich. Damit ist der Vertrieb der Unternehmensbereich mit den meisten Fehlbesetzungen.
Zum Abschied gab es vom VW-Konzern 3,8 Millionen Euro. „Es steht ihm rechtlich gesehen zu“, rechtfertigte ein Sprecher des Betriebsrates den vergoldeten Rausschmiss.
13 Millionen Euro für 13 Monate Arbeit
Im Zuge der Neubesetzungen holte Volkswagen außerdem die ehemalige Bundesverfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt, die seit 2011 bei Daimler für die Themen Integrität und Recht zuständig war. Ab Januar 2016 sorgte sie dann bei VW für Recht und Compliance. Ob sie das zu gut oder nicht gut genug gemacht hat, ist nicht bekannt. Wohl aber, dass es menschlich zwischen ihr und Chefjurist Manfred Döss überhaupt nicht harmoniert habe. Döss ist Freund der Familien Porsche und Piëch, sitzt auch im Aufsichtsrat der Familienholding Porsche SE und hat die Einigung mit den US-Justizbehörden ausgehandelt.
Nach etwas mehr als einem Jahr Machtkampf zwischen Hohmann-Dennhardt und Döss gab der Konzern ihr den goldenen Handschlag: Sie ging nach 13 Monaten mit 13 Millionen Euro in der Tasche.
Da sie einen Vertrag für drei Jahre unterschrieben hatte, standen ihr zusätzlich zum Gehalt eine Abfindung in Höhe von knapp zwei Jahresgehältern zu. Außerdem hatte VW ihr eine Ablösesumme für den Wechsel von Daimler zugesagt. Dafür hatte sie gegenüber Daimler auf Forderungen verzichtet. Diese Entschädigung wurde bei ihrem Weggang von VW fällig, Vertrag ist schließlich Vertrag.
Geschäftsführer und leitende Angestellte wird man einfach los
"Den Vertrag mit einem Geschäftsführer zu beenden, verläuft häufig in geordneteren und vorhersehbareren Bahnen als bei Angestellten", sagt Henrik Lüthge, Arbeitsrechtsexperte und Partner bei der Kanzlei Beiten Burkhardt. Vulgo: Einen Geschäftsführer wird man leichter los, als den Pförtner, die Putzfrau oder einen Mitarbeiter aus der Buchhaltung.
Geschäftsführer haben nämlich keinen Kündigungsschutz und können ohne Angabe von Gründen jederzeit abberufen werden. Dafür verdienen sie natürlich entsprechend gut. "Wer Geschäftsführer wird, setzt sich einem hohen Risiko aus: Werden Ziele nicht erreicht oder ändern sich Rahmenbedingungen, droht die kurzfristige Abberufung. Darum sind vergleichsweise lange Kündigungsfristen und manchmal auch Abfindungsansprüche vertraglich vereinbart. Das mindert zumindest das finanzielle Risiko für die jeweilige Privatperson", sagt Lüthge, der Unternehmen und Manager bei Reorganisationen, Umstrukturierungen und Übernahmen begleitet.
Ein Vorstandsmitglied dagegen, also jemand wie Knirsch oder Hohmann-Dennhardt, lässt sich nicht so einfach rauswerfen, wenn er dem Aufsichtsrat oder den Inhabern nicht (mehr) passt.