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HR-Abteilungen Personaler vergraulen Fachkräfte

Unternehmen kämpfen mehr und mehr um Fachkräfte. Doch verirren die sich ins Vorstellungsgespräch, vermurksen es die HR-Manager. Wenn Betriebe gute Leute finden, geschieht es nicht wegen, sondern trotz der Personaler.

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Die Fallen der Personaler
Alternative Frage"Warum möchten Sie sich beruflich verändern? Entspricht das jetzige Gehalt nicht Ihren Vorstellungen? Oder reizt Sie bei uns das internationale Umfeld?"Darum geht´s: Der Personaler will Ihre Überzeugungen aufspüren - und er sucht keinen Mitarbeiter, der nur durch ein hohes Gehalt zu motivieren ist. Aber: Weder die eine noch die andere dargebotene Antwortvariante muss die Sachlage tatsächlich treffen. Vermutlich gibt es noch zig weitere Gründe für einen Arbeitgeberwechsel. Nennen Sie lieber einen, der sich mit dem Bedarf des neuen Arbeitgebers deckt. Clevere Antwort: Im Großen und Ganzen bin ich zufrieden auf meiner jetzigen Stelle. Mein Einsatz bei der Firma x hat gezeigt, dass ich Mitarbeiter gut motivieren kann. Der Krankenstand ist in meinem Team um 15 Prozent gesunken und die Fluktuation hat sich bei 3 Prozent eingependelt. Ich suche nach einer Herausforderung, bei der ich mich in ähnlicher Weise engagieren kann, und wünsche mir ein Umfeld, in dem ich mich selbst auch noch weiterentwickeln kann. Quelle: Karriere.de Quelle: Fotolia
Suggestivfrage"Sie arbeiten doch lieber im Team, wie die meisten anderen auch, oder?"Darum geht´s: Diese Frageart ist eine getarnte Vermutung und scheint praktischerweise die Antwort gleich mitzuliefern. Doch Vorsicht, all zu leicht ist man in die Mainstream-Falle getappt. Erst prüfen, welche Arbeitsweise die jeweilige Stelle erfordert. Clevere Antwort: Das hängt ganz von der Aufgabenstellung ab. Manche Ziele lassen sich wie beim Sport nur in einer gemeinsamen Anstrengung erreichen, in dem man sich gegenseitig den Ball zuwirft. Dann wiederum gibt es Aufgaben, die man schneller und besser allein bewältigt. Das ist eine Frage der Selbstmotivation und Disziplin. Quelle: Fotolia
Triadische FragenMit welchen Worten würde Ihr Lebenspartner Ihre größte Schwäche beschreiben?"Darum geht´s: Hier werden nicht anwesende Dritte wie Partner, Freunde, Kollegen oder Vorgesetzte in das Gespräch einbezogen, um weitere Charaktermerkmale wie die Fähigkeit zu Selbstkritik zu Tage zu fördern und nebenbei noch die Beziehungsfähigkeit zu ergründen. Clevere Antwort: Das ist eine gute Frage. Mein Partner würde wahrscheinlich sagen, dass ich manchmal sehr direkt sein kann. Das stimmt auch, denn ich bringe die Dinge gern auf den Punkt. Ich habe mir aber angewöhnt, mehr zu hinterfragen und anderen mehr Zeit zu geben. Quelle: Fotolia
Provokative Frage"Man munkelt, dass Ihr derzeitiger Arbeitgeber wirtschaftliche Schwierigkeiten hat, Sie wollen also schnellstens das sinkende Schiff verlassen?"Darum geht´s: Der Personaler möchte Sie aus der Reserve locken, um Ihre Frustrationstoleranz und Ihre Loyalität zu prüfen. Wer beleidigt oder aggressiv reagiert, hat verloren! Clevere Antwort: Sie wissen ja, dass gern über Wettbewerber geredet wird. Ich persönlich kann nichts Schlechtes über meinen Arbeitgeber sagen. Und mal ehrlich: Würde ich das tun, würde mich das aus charakterlichen Gründen für die Aufgabe in Ihrem Haus disqualifizieren. Quelle: dpa
Hypothetische Frage"Welchen alternativen Lebensplan können Sie sich für sich vorstellen?"Darum geht´s: Der Personaler checkt, ob der Job für Sie womöglich nur eine Übergangslösung ist. Clevere Antwort: Ich bin in einer äußerst spannenden Branche tätig und mir sicher, dass ich auf einer Position mit persönlicher Entwicklungsperspektive wie Sie sie bieten, langfristig sehr viel positiv bewegen und somit zum Unternehmenserfolg beitragen kann. Ein alternativer Lebensplan ist daher in meinen Augen unnötig. Quelle: Fotolia
Mehrfachfragen"Als Außendienstmitarbeiter leiden Sie ja sicher nicht unter Flugangst, oder? Wie Sie wissen, legen wir besonderen Wert auf Flexibilität. Sehen Sie Probleme, auch die nordischen Länder zu betreuen? Oder würden Sie aufgrund Ihrer Sprachkenntnisse lieber die Betreuung unserer südamerikanischen Kunden übernehmen?"Darum geht´s: Uff. Nicht verwirren lassen. Diese Fragen erfordern von Ihnen hohe Konzentration und stellen Ihre Merkfähigkeit auf die Probe. Clevere Antwort: Auf die Beantwortung von Teilfragen beschränken und zum Beispiel nur auf den Aspekt eingehen, auf den Sie am besten vorbereitet sind. Quelle: Fotolia
Selbsteinschätzungsfragen"Bewerten Sie sich selber auf einer Skala von eins bis zehn."Darum geht´s: Der Personaler will, dass der Bewerber sein Selbstbewußtsein und seine Selbstachtung unter Beweis stellt. Achtung: Sagen Sie zehn, werden Sie als unerträglich eingestuft, bleiben Sie unter sieben, können Sie sich auch verabschieden. Clevere Antwort: Am besten mit acht oder neun einstufen und hinzufügen: "Es gibt immer Raum für Verbesserungen. Daher arbeite ich kontinuierlich an der Erweiterung meiner Fähigkeiten." Günstige Gelegenheit auf die aktuellste Fortbildung zu verweisen. Quelle: Fotolia

Peter Schoof ist Vizepräsident im Bereich Human Resources und Programs bei der Deutschen Post DHL in Bonn. Er ist unter anderem für die Bereiche Personalkennzahlen und -steuerung, Personalbedarfsplanung und Personal-IT zuständig. Zuvor war er über 20 Jahre lang in ganz verschiedenen Bereichen bei der Daimler AG tätig - vom Vertrieb über Finanzen bis zur HR-Abteilung. Dieses sogenannte crossdimensionale Wechseln ist die Antwort auf den Fachkräftemangel, da sind sich die Experten einig. Allerdings nur, wenn es innerhalb des selben Betriebs geschieht, wie es bei Schoof und Daimler der Fall gewesen ist.

"Wer es seinen Mitarbeitern nicht ermöglicht, von Position zu Position zu wechseln, wird zusehen müssen, wie sie gehen", sagt beispielsweise Adam Miller, Gründer und CEO von Cornerstone OnDemand, einem Anbieter von Talent Management Software. Auch Schoof sieht viel Gutes im Gang durch die einzelnen Abteilungen. "Man kann von allem etwas in die neue Position mitbringen", sagt er und verweist auf den Gedanken des lebenslangen Lernens.

Der Blick nach innen fehlt

Das Problem ist: In den meisten Unternehmen ist das überhaupt nicht vorgesehen. Wer als Tellerwäscher anfängt, wird Tellerwäscher bleiben und kein Millionär werden. "Wir haben Millionen von Talenten, aber die dürfen einfach nicht", bestätigt Armin Trost, Professor an der Business School der Universität Furtwangen. Die Argumentation: Schließlich habe der Mitarbeiter das noch nie vorher gemacht.

12 Karriere-Mythen

Schuld daran sind vor allem die Personaler, sagt Trost. Sie denken ausschließlich in Vakanzen und haben keinen Blick für das Potenzial, das in den eigenen Reihen schlummert. In naher Zukunft kann dieser Fehler den Unternehmen teuer zu stehen kommen. "30 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland, Österreich und der Schweiz gehören zur Generation der Babyboomer, sind also über 60. Sie gehen in den nächsten fünf Jahren in Rente", sagt Miller und verweist auf eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte. Man müsse sich deshalb von dem Gedanken frei machen, der Fachkräftemangel sei Zukunftsmusik und statt dessen überlegen, wie man die existierenden Talente findet und fördert.

Immerhin haben das 79 Prozent der befragten Unternehmen in Deutschland verstanden: "Im Bereich der Personalgewinnung zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab: Mittlerweile wird versucht Potenzial zu erkennen und zu nutzen," sagt Michael Geke, Partner bei KPMG und Leiter des Bereichs HR Consulting. "Aufgrund des demographischen Wandels fehlen Unternehmen künftig qualifizierte Mitarbeiter. Umso wichtiger wird es, Talente innerhalb und außerhalb des Unternehmens frühzeitig zu identifizieren, sie zu entwickeln und langfristig zu binden."

So steht es um die Personalplanung in deutschen Unternehmen

Eine Studie von Cornerstone OnDemand zeigt, dass 59 Prozent der Chefs sogar Angst haben, ihre Leistungsträger zu verlieren. Deshalb versuchen sie sie mit Weiterbildungen und Beförderungen an sich zu binden. Interne Rekrutierung heißt das Stichwort. In den nächsten zehn Jahren soll vor allem in dieses Feld investiert werden, so das Ergebnis einer KPMG-Studie.

Zum Vergrößern der Grafik bitte hier klicken. Quelle: PR

Trotzdem wird laut der Studie von Cornerstone OnDemand nur ein Drittel der vakanten Stellen intern besetzt - und das geht oft schief. "Internes Recruiting funktioniert in den meisten Unternehmen genau wie externes: Da wird eine Anzeige im Intranet geschaltet und dann gewartet, dass sich jemand bewirbt", weiß Trost.

Doch so sollte es schon bei externen Ausschreibungen nicht laufen, wie Miller sagt. Er ist überzeugt, dass Unternehmen deutlich mehr auf Potenzial achten müssen, anstatt auf das beste Zeugnis. Wer die Talente im eigenen Unternehmen finden will, müsse dafür "weit unten in den Hierarchien - sprich bei den "Young Professionals" - nachsehen".

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