




Peter Schoof ist Vizepräsident im Bereich Human Resources und Programs bei der Deutschen Post DHL in Bonn. Er ist unter anderem für die Bereiche Personalkennzahlen und -steuerung, Personalbedarfsplanung und Personal-IT zuständig. Zuvor war er über 20 Jahre lang in ganz verschiedenen Bereichen bei der Daimler AG tätig - vom Vertrieb über Finanzen bis zur HR-Abteilung. Dieses sogenannte crossdimensionale Wechseln ist die Antwort auf den Fachkräftemangel, da sind sich die Experten einig. Allerdings nur, wenn es innerhalb des selben Betriebs geschieht, wie es bei Schoof und Daimler der Fall gewesen ist.
"Wer es seinen Mitarbeitern nicht ermöglicht, von Position zu Position zu wechseln, wird zusehen müssen, wie sie gehen", sagt beispielsweise Adam Miller, Gründer und CEO von Cornerstone OnDemand, einem Anbieter von Talent Management Software. Auch Schoof sieht viel Gutes im Gang durch die einzelnen Abteilungen. "Man kann von allem etwas in die neue Position mitbringen", sagt er und verweist auf den Gedanken des lebenslangen Lernens.
Der Blick nach innen fehlt
Das Problem ist: In den meisten Unternehmen ist das überhaupt nicht vorgesehen. Wer als Tellerwäscher anfängt, wird Tellerwäscher bleiben und kein Millionär werden. "Wir haben Millionen von Talenten, aber die dürfen einfach nicht", bestätigt Armin Trost, Professor an der Business School der Universität Furtwangen. Die Argumentation: Schließlich habe der Mitarbeiter das noch nie vorher gemacht.
12 Karriere-Mythen
Nein! In der Realität gibt es diese Altersschranke oft gar nicht, glaubt Headhunter Marcus Schmidt: „Manche Mandanten suchen sogar explizit Führungskräfte ab 50, weil sie viel Wert auf Erfahrung legen und nicht wollen, dass der Neue gleich wieder weiterzieht.“ Zudem gilt in Deutschland seit 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das eine Diskriminierung aus Altersgründen verbietet.
Seine Erfahrungen hat Schmidt in dem Buch „Die 40 größten Karrieremythen“ niedergeschrieben. Handelsblatt Online hat die spannendsten Zitate ausgewählt.
„Die Frage, ob man promovieren soll oder nicht, hängt von der angestrebten Karriere ab“, sagt Schmidt. Denn die Promotion koste immer auch Zeit – in der Diplomanden ein vergleichsweise geringes Gehalt beziehen. „Nicht alle jungen Berater, Anwälte und Wirtschaftsprüfer wollen in einem Unternehmen zum Partner aufsteigen oder erreichen dieses Ziel.“
Falsch! Entscheidend für die Karriere sei nicht, bei welchem Unternehmen man arbeite, sondern welche Aufgaben und Entfaltungsmöglichkeiten man habe, sagt Personalberater Schmidt. „Gerade in weniger etablierten Unternehmen gibt es oftmals spannendere und weniger standardisierte Aufgaben als in Großkonzernen“, so Schmidt.
Im Gegenteil: Eigene, gut argumentierte Überzeugungen hält Headhunter Marcus Schmidt für unabdingbar. „Wer nur mitläuft, um ja keinen Fehler zu machen, kann nichts Herausragendes leisten und wird nicht dauerhaft auf sich aufmerksam machen“, so Schmidt. So könne man sich nicht profilieren oder für die nächsten Ebenen empfehlen.
Die deutsche Wirtschaft zeigt ein anderes Bild: Absolventen hätten sich selten in die Führungsetage hochgearbeitet, sagt Schmidt. Anders als der Doktortitel ist der MBA zudem kein normierter akademischer Grad, seine Vergabe wird also grundsätzlich nicht staatlich geregelt oder kontrolliert. Wer Studiengebühren von bis zu 70.000 US-Dollar auf sich nehme, solle deshalb das Renommee der Schule immer überprüfen.
Muss man heute studieren, wenn man Karriere machen will? Nein, glaubt Headhunter Marcus Schmidt. Und einige prominente Konzernlenker geben ihm recht: Telekom-Chef René Obermann etwa hat sein Studium abgebrochen, und auch Klaus-Peter Müller, bis 2008 Vorstandsvorsitzender der Commerzbank und jetziger Aufsichtsratsvorsitzender, hat nie studiert.
Die Position mit Perspektive sei nicht immer die am besten bezahlte, sagt Marcus Schmidt. So könne sich für ein renommiertes Traineeprogramm ein kurzfristiger Gehaltsverzicht durchaus auszahlen - etwa, wenn das ausbildende Unternehmen in seiner Branche als Kaderschmiede gilt.
Nicht immer, sagt Headhunter Marcus Schmidt – stattdessen kann der Auslandseinsatz sogar zum Nachteil werden. „Oftmals sind es die Daheimgebliebenen, die dann verbleibende Inlandsposten unter sich aufteilen“. Sie säßen dann auf Stühlen, auf die Auslandsrückkehrer vergeblich spekulieren.
Wer auf standardisierte Einstiegsprogramme in Unternehmen mit hohem Bekanntheitsgrad setze, müsse auch in Kauf nehmen, dass die eigene Berufslaufbahn nachgemacht wirkt, sagt Personalberater Marcus Schmidt. „Gehen Sie eigene Wege. Suchen Sie Ihren Einstieg ruhig gegen den Strich. Probieren Sie etwas aus, was sie wirklich interessiert.“
Falsch, glaubt Headhunter Marcus Schmidt. Ebenso wichtig wie der tatsächliche Zeiteinsatz sei der gefühlte Zeiteinsatz. Und der definiere sich auch durch die Befriedigung mit der getanen Arbeit. „Wer es schafft, aus seines Arbeit weitgehend Befriedigung zu ziehen, muss auch nicht Karriereschablonen zum persönlichen Zeiteinsatz nachjagen.“
Tatsächlich finde sich diese „gläserne Decke“ vor allem in den Köpfen der männlichen Entscheider, glaubt Schmidt. Für weibliche Führungskräfte scheine sie hingegen kein Thema zu sein. „Viele Beratungsunternehmen und große Konzerne bitten uns öfter sogar explizit, nach weiblichen Kandidatinnen zu suchen.“
„In der Krise wählen Unternehmen bei der Besetzung von Stellen zwar sorgfältiger aus. Aber sie stellen trotzdem noch ein“, ist die Erfahrung von Marcus Schmidt. Gerade in Phasen des Umbruchs gebe es etwa die Chance zur Übernahme von Restrukturierungsjobs, bei denen wirklich die Fähigkeit der Verantwortlichen zählt.
Schuld daran sind vor allem die Personaler, sagt Trost. Sie denken ausschließlich in Vakanzen und haben keinen Blick für das Potenzial, das in den eigenen Reihen schlummert. In naher Zukunft kann dieser Fehler den Unternehmen teuer zu stehen kommen. "30 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland, Österreich und der Schweiz gehören zur Generation der Babyboomer, sind also über 60. Sie gehen in den nächsten fünf Jahren in Rente", sagt Miller und verweist auf eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte. Man müsse sich deshalb von dem Gedanken frei machen, der Fachkräftemangel sei Zukunftsmusik und statt dessen überlegen, wie man die existierenden Talente findet und fördert.
Immerhin haben das 79 Prozent der befragten Unternehmen in Deutschland verstanden: "Im Bereich der Personalgewinnung zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab: Mittlerweile wird versucht Potenzial zu erkennen und zu nutzen," sagt Michael Geke, Partner bei KPMG und Leiter des Bereichs HR Consulting. "Aufgrund des demographischen Wandels fehlen Unternehmen künftig qualifizierte Mitarbeiter. Umso wichtiger wird es, Talente innerhalb und außerhalb des Unternehmens frühzeitig zu identifizieren, sie zu entwickeln und langfristig zu binden."
So steht es um die Personalplanung in deutschen Unternehmen
85 Prozent aller Personaler entwickeln die Strategie zur Personalbeschaffung ausschließlich mit der Geschäftsleitung - und fragen bei den Fachbereichen gar nicht erst nach.
Quelle: Studie "Personalbedarfsplanung und -beschaffung in Unternehmen" der Unternehmensberatung Hays.
82 Prozent berücksichtigen keine Freiberufler bei der strategischen Personalplanung.
81 Prozent aller Personalverantwortlicher sind unzufrieden mit der Deckung ihres Personalbedarfs.
72 Prozent der Fachbereiche sehen sich in der Hauptverantwortung bei der Personalbeschaffung.
58 Prozent legen eine Personalstrategie zur Bindung festangestellter Mitarbeiter an.
Eine Studie von Cornerstone OnDemand zeigt, dass 59 Prozent der Chefs sogar Angst haben, ihre Leistungsträger zu verlieren. Deshalb versuchen sie sie mit Weiterbildungen und Beförderungen an sich zu binden. Interne Rekrutierung heißt das Stichwort. In den nächsten zehn Jahren soll vor allem in dieses Feld investiert werden, so das Ergebnis einer KPMG-Studie.

Trotzdem wird laut der Studie von Cornerstone OnDemand nur ein Drittel der vakanten Stellen intern besetzt - und das geht oft schief. "Internes Recruiting funktioniert in den meisten Unternehmen genau wie externes: Da wird eine Anzeige im Intranet geschaltet und dann gewartet, dass sich jemand bewirbt", weiß Trost.
Doch so sollte es schon bei externen Ausschreibungen nicht laufen, wie Miller sagt. Er ist überzeugt, dass Unternehmen deutlich mehr auf Potenzial achten müssen, anstatt auf das beste Zeugnis. Wer die Talente im eigenen Unternehmen finden will, müsse dafür "weit unten in den Hierarchien - sprich bei den "Young Professionals" - nachsehen".