WirtschaftsWoche: Stimmt es, dass Sie und Ihr Team Ihre Produkte unter der Dusche entwickeln?
Jan Heisterhagen: Wir werden fürs Duschen bezahlt. Tatsächlich gehen wir mit dem Team, mit unseren Designpartnern, und sogar mit Kunden in unserem ShowerLab beziehungsweise in der ShowerWorld unter die Dusche. Dort findet ja die Interaktion mit unseren Produkten statt, also haben wir dort die innovationsfördernde Umgebung, die wir brauchen. Wenn wir neue Produkte entwickeln, müssen wir die auch am Körper erleben, um sie beurteilen zu können.
Was lernt man bei so einer Team-Dusche, was für die Produktentwicklung wichtig sein kann?
Männer und Frauen duschen ganz unterschiedlich: Männer duschen in der Regel schnell und gründlich. Sie stehen unter der Brause und waschen sich bei jedem Duschen die Haare.
Frauen fragen sich: Wasche ich meine Haare heute oder morgen? Sie stehen also lieber nicht unter einer festinstallierten Brause, sondern nehmen eine Handbrause. Darauf reagieren wir, in dem wir eine Dusche entwickelt haben, bei der die Strahlen von der Seite kommen und auf Wunsch ein mittiger Strahl hinzugeschaltet werden kann.
Wenn sonst von Innovationen die Rede ist, geht es um disruptive Produkte und Dienstleistungen, die die Welt verändern. Wenn Sie von Innovationen sprechen, geht es um verbesserte Wasserhähne. Ist das noch Design- oder schon Produktinnovation?
Der Kunde denkt erst an Design, wenn es um ganz abstruse Formen geht. Bei uns heißt Design Material, Form und Funktion, die in einem Design-Prozess erdacht und entwickelt werden. Insofern funktioniert Produktinnovation bei uns nicht losgelöst von Designinnovation.
Design-Thinking made in Schwarzwald anstatt made in Silicon Valley?
Wir arbeiten mit interdisziplinären Teams und externen Designern zusammen. Es gibt regelmäßige Meetings, die einen Tag dauern, bei denen Ideen entwickelt werden. Von der Idee bis zum fertigen Prototypen dauert es dann ein paar Tage. Was man jetzt immer aus dem Silicon Valley hört, dass man schnell Prototypen entwickeln und die testen muss, das machen wir schon seit Jahrzehnten.
Wir müssen die Idee dreidimensional auf dem Tisch liegen haben, um zu sehen, ob die wirklich funktionieren kann. Wenn nicht, verwerfen wir sie wieder. Das ist eine Kultur und eine Stärke, die man lernen muss.
"Unsere Strahlforscher untersuchen den ganzen Tag Wassertropfen"
Aber zurück zum Produkt. Das iPhone hat unsere Art zu kommunizieren, zu arbeiten und zu leben verändert, Unternehmen wir Airbnb, Uber oder Tesla verändern unsere Mobilität. Dagegen bleibt ein Wasserhahn ein Wasserhahn. Wo ist hier die Innovation?
Wenn Sie schmutzige Hände haben, können sie unsere Wasserhähne per Knopfdruck auf die sogenannte "Select-Taste" aktivieren. Oder denken Sie an Ihren Küchenunterschrank: Der Schlauch unter dem Waschbecken verheddert sich immer. Dafür haben wir eine ganz einfache Lösung gefunden, die das verhindert. Und haben dafür viel positives Feedback bekommen. Da heißt es dann: Warum ist denn da noch keiner vorher drauf gekommen?
Innovativ sein bedeutet also, die Alltagsprobleme der Kunde erkennen und lösen?
Wir sind, gerade im Bezug auf Wasser, weltweit strengen Regularien unterworfen. Wenn Sie an Kalifornien denken, müssen wir bei unseren Produkten die Notfall-Wasserbeschränkungen berücksichtigen, damit die Menschen auch mit wenig Wasser noch Vergnügen beim Duschen haben. So werden vermeintliche Bedrohungen zum Potenzial für Innovationen.
Von so offensichtlichen Dingen einmal abgesehen – woher wissen Sie denn, welches Design die Verbraucher in Kalifornien mögen oder welche Alltagsprobleme die Kunden in Hangzhou haben?
Die USA und China sind für uns wichtige Wachstumsmärkte, wo wir ganz nah am Kunden sein wollen und müssen. Vom Badischen ins chinesische Hinterland, das sind Welten. Deshalb machen wir dort Homevisits: Wir gehen zu den Leuten nach Hause, schauen uns ihre Bäder an und fragen nach ihren Bedürfnissen. Wir versuchen diese auch aus ihrer Art zu Leben selbst abzuleiten.
Anders als Smartphones kaufen Verbraucher ja nicht alle zwei Jahre ein neues Bad. Inwiefern spielt die alternde Gesellschaft eine Rolle bei der Entwicklung Ihrer Produkte? Stichwort Barrierefreiheit?
Wir wollen, dass unsere Produkte für alle funktionieren. Also entwerfen wir neben Armaturen und Brausen zum Beispiel Wandstangen, die auch als Haltestangen für Ältere funktionieren. Außerdem haben ältere Menschen und kleine Kinder empfindliche Haut, da muss der Strahl aus der Dusche weicher sein. Und statt einem drehbaren Duschkopf, den man im Alter nur schwer bewegen kann und der vielleicht auch noch verkalkt, haben wir ein Produkt entwickelt, bei dem auf Knopfdruck die Härte und Art des Strahls verändert werden kann.
Ist so eine Innovation aufwendig?
Bei uns gibt es Leute, unsere Strahlforscher, die machen den ganzen Tag nichts anderes, als sich um den kleinsten Tropfen zu kümmern, der aus einer Brause heraus kommt: Wie groß ist der, wie hart, tut der weh?
Und deren Erkenntnis war: Innovative Duschen für verschiedene Generationen brauchen einen Druckknopf?
Da ist man tatsächlich wieder beim iPhone. Wir haben uns gefragt, was am iPhone so toll ist, dass es alle haben wollen. Und das ist die intuitive Bedienung. So kamen wir auf unsere intuitive Umstellung der Strahlart per Druckknopf. Das hat nichts mit Alter zu tun, das funktioniert intuitiv für Blinde, Alte, Junge und das funktioniert auch mit Schaum in den Augen.