„Wir leben in einer Zeit des exponentiellen Fortschritts“, sagte Sascha Lobo, Autor, Blogger, Journalist und digitaler Allrounder, am 6. Oktober im Frankfurter Westin Grand-Hotel bei einem Vortrag zum Thema Zukunft der Arbeit. Das bedeute, dass Technologien schon wieder out seien, bevor man überhaupt verstanden habe, wofür sie gut seien.
Und das macht vielen Unternehmen große Sorgen. Nicht nur der rasante technische Fortschritt und die sich ändernden Anforderungen an die Mitarbeiter, auch die immer neuen, immer schlechter vorhersagbaren Konkurrenten machen ihnen das Leben schwer: Tesla, eigentlich ein Software-Unternehmen, verkauft in den USA mittlerweile mehr Luxusautos als irgendein anderer Anbieter. Die Welt spielt scheinbar verrückt, da ist guter Rat teuer.
Beratermarkt profitiert von der Unsicherheit
Entsprechend profitiert die Beraterbranche: Laut Bundesverband Deutscher Unternehmensberater belief sich der Umsatz der Unternehmensberatungsbranche in Deutschland 2015 auf rund 27 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 2001 waren es noch 12,9 Milliarden – und selbst zu Zeiten der Finanzkrise lag der Umsatz der externen Berater bei 18,2 (2008) beziehungsweise 17,6 Milliarden Euro (2009). Seitdem steigt die Hilfsbedürftigkeit der Unternehmen quasi täglich.
So erkennen Sie gute Berater
Headhunter müssen mit Regeln und Besonderheiten der Branche des Auftraggebers vertraut sein. Keine Beratung kennt jede Branche gleich gut.
Größe und Bekanntheit einer Beratung spielen keine Rolle. Entscheidend sind Branchenexpertise und Vernetzung.
Statt nach vorliegenden Infos zur Qualifikation fragt ein guter Personalberater, ob ein Jobwechsel überhaupt möglich ist. Und welche Vorstellungen Sie haben.
Ohne Ihr Wissen wird der Lebenslauf nicht an Dritte weitergeleitet.
Der Kandidat wird regelmäßig über den Stand des Verfahrens informiert.
Nur wenige Headhunter verstehen sich als Karriereberater. Wer Sparringspartner für den Aufstieg wünscht, sucht sich besser einen darauf spezialisierten Coach und bezahlt ihn auch selbst.
Die Top Unternehmensberatungen nach Umsatz auf dem deutschen Markt sind McKinsey, The Boston Consulting Group und Roland Berger. Aber neben den großen Kanzleien gibt es einen regelrechten Beraterdschungel: Deutschlandweit existieren 15.425 verschiedene Beratungsunternehmen, für die gut 109.500 Berater arbeiten.
Wer keinen klassischen Unternehmensberater an Bord holen, aber trotzdem frische Ideen ins Unternehmen bringen will, kann mit Universitäten kooperieren. Gerade im Mittelstand ist das ein weitverbreitetes Modell: Die Studierenden können sich praktisch austoben und ihr Wissen anwenden, die Unternehmen sparen Kosten. Von den 100 innovativsten deutschen Mittelständlern arbeitet weit mehr als die Hälfte regelmäßig mit Unis zusammen.
Start-up vermittelt Kooperationen mit Hochschulen
Die Brücke zwischen Betrieb und Forschungseinrichtung will das Start-up Telanto künftig schlagen und mittelständische Unternehmen mit Studierenden zusammenbringen. „Action Learning“ nennen die Telanto-Gründer ihr Modell. Der Gedanke dahinter: Ein Unternehmen startet auf der Website einen „Call for Solution“ und Studierende der Partnerhochschulen – unter anderem die HTW Berlin, die Universität Barcelona, die Hochschule Fresenius oder die WHU Otto Beisheim School of Management - können sich darauf bewerben, die Probleme des Unternehmens zu lösen. So sammeln sie praktische Erfahrungen, das Unternehmen wird seine Probleme los – und im besten Fall lernen sich so Arbeitgeber und künftiger Bewerber kennen.
Derzeit können sich Studierende beispielsweise an einer digitalen Strategie für ein mittelständisches deutsches Unternehmen die Zähne ausbeißen, die Internationalisierung eines französischen Konsumgüterherstellers vorantreiben oder einem Schweizer Pharmaunternehmen bei einem Projekt rund um Tiergesundheit helfen. In der Regel haben die Studenten dafür drei Monate Zeit.
Im Oktober beginnt die Konzeptionsphase eines solchen Projekts bei Somfy. Das Unternehmen aus Rottenburg am Neckar entwickelt und vertreibt Antriebs- und Steuerungstechnik für Rollläden, Sonnenschutz, Garagen- und Hoftore – und stellt im Schnitt pro Jahr zehn neue Mitarbeiter ein.
„Wir investieren viel in Sozialleistungen"
„Bis 2025 sind wir vermutlich 50 bis 60 Leute mehr. Da stellt sich die Frage: Baut man an oder kann man deutlich stärker Richtung Home-Office gehen?“, sagt Carlo Sprenger, Leiter Personalwesen bei Somfy. Diese Fragen sollen Studierende beantworten, in dem sie die "Arbeitswelt 2025 bei Somfy" entwerfen und entwickeln. Pläne, die sich als realistisch erweisen, will das Unternehmen in die Tat umsetzen. Trotzdem tut sich schon jetzt einiges: „Wir wollen weg vom Konzept des reinen Arbeitsplatzes“, sagt Sprenger.
Auch wenn es blumig klinge wolle man bei Somfy lieber ein Erlebnisplatz sein, an dem die Mitarbeiter sich wohl fühlen. „Wir investieren viel in Sozialleistungen und Aufmerksamkeiten wie Gratiskaffee, Gratisgetränke oder Betriebsfahrräder.“ Und wer könnte besser entscheiden, ob sich das auch in Zukunft lohnt, als die potentiellen künftigen Mitarbeiter?
Neben Somfy arbeiten etwa Groupon, Bioprognos, Aldi, Ikea, Philips Healthcare oder das KaDeWe mit den Telanto-Studenten zusammen. Mit Erfolg: Die Problemlösequote der vermittelten Studenten-Teams liegt bei 90 Prozent.
Studentenjob Unternehmensberater
Dass das Modell „Student berät Unternehmen“ auch langfristig erfolgreich ist, zeigt die Oscar GmbH. Die ausschließlich von Studenten und Absolventen geführte Unternehmensberatung feierte am 1. Oktober ihr 25-jähriges Bestehen. Rund zwei Millionen Euro Umsatz machen die Jungberater mit Projekten wie etwa einer Trendanalyse zur Untersuchung der künftigen Relevanz des Themas “Consumerization” für Vodafone, Marktanalysen im Bereich Membranpumpen für Saint Gobain PPP, Verbesserung der der Ausbildungs- und Traineestrukturen beim Deutschen akademischen Ausbildungsdienst oder der „Entwicklung, Konzeption und Implementierung einer internationalen Diskussionsplattform für Studenten“ bei Daimler.
Karriere-Sprungbrett McKinsey: Diese Vorstände waren mal Berater
Vorstandsvorsitzender der Post
Vorstandschef des Versicherers Allianz
Vorstandsvorsitzender der Commerzbank
Vorstandsmitglied Deutsche Telekom
Chef des Maschinenbauers Heideldruck
Die Berater sitzen in Köln oder Stuttgart und haben mindestens vier Semester studiert, bevor sie bei Oscar anfangen dürfen. Ein Nebenjob ist die Unternehmensberatung bei Oscar jedoch nicht. Alle Angestellten arbeiten dort in Vollzeit, manche unterbrechen das Studium, andere nutzen ein Praxissemester oder die Pause zwischen Bachelorabschluss und Beginn des Masterstudiums, wie die ehemalige Geschäftsleitung des Kölner Standortes erklärte.
Ehemalig, weil die Jungberater nicht ewig bei dem Unternehmen bleiben. Oscar ist vielmehr als Karrieresprungbrett und Netzwerk für die Studierenden gedacht: Ein Projektmitarbeiter bleibe bis zu vier Monate, ein Abteilungsmitarbeiter vielleicht ein halbes Jahr. Geschäftsführer sind in der Regel erst Berater oder Abteilungsleiter – und anschließend ein Jahr lang Boss. Älter als 30 ist hier also niemand – nicht einmal die Geschäftsführung. Für die 400 Kunden, darunter 23 von 30 Dax-Konzernen, ist das kein Problem. Schließlich wollen sie junge, frische Ideen.