
WirtschaftsWoche Online: Herr Sattelberger, Sie sind überzeugt, dass Altherren-Netzwerke in deutschen Unternehmen nicht nur Skandale wie bei VW möglich machen, sondern auch Innovationen verhindern. Nun hat Herbert Diess angekündigt, VW neu aufzustellen und John Cryan stellt die Deutsche Bank auf den Kopf…
Thomas Sattelberger: Was die Deutsche Bank lange gemacht hat und VW jetzt macht, ist Windowdressing.
Also Kosmetik?
Es ist schön, dass Cryan die Deutsche Bank radikal umbaut und Volkswagen jetzt grün werden will, aber warum kommen Unternehmen immer erst auf so etwas, wenn es in die Hose gegangen ist?





Aber immerhin bewegt sich jetzt etwas…
Zuallererst müssen die Beschäftigten das ausbaden, was jahrelanges Missmanagement angerichtet hat. Es wird auch nicht darüber gesprochen, dass die Folgen der miserablen Führung vergemeinschaftet und zahlreiche Mitarbeiter entlassen werden.
VW hat nach dem Abgas-Skandal eine neue Führungskultur ausgelobt und Innovationen im E-Auto-Bereich versprochen. Also wird es für die Mitarbeiter besser und es gibt neue Produkte.
Deutsche Unternehmen stoßen an ihre Grenzen, was Innovationskraft angeht. Von den Dax 30 steckt das Geschäftsmodell von mindestens 15 in einer großen Krise: Die Autobauer, die Lufthansa, K+S, die Unternehmen aus der Energie- und Finanzbranche…

Aber hierzulande arbeiten doch kluge Köpfe, jedes Jahr kommen Hunderttausende frisch von den Unis…
Wir haben derzeit zwei Bewegungen in Deutschland: Die Hochbegabten, die Nobelpreisverdächtigen wandern aus und gehen in die USA. Viele Mediziner gehen in die Schweiz oder nach Schweden, weil dort die Arbeitsbedingungen und das Gehalt besser sind. Viele Wissenschaftler gehen nach Skandinavien oder die USA, weil dort die Forschungsetats höher sind und sie mehr Freiheit haben. Auf der anderen Seite kommen derzeit sehr viele Menschen zu uns, die gering qualifiziert sind. Die Einwanderung hochqualifizierter Menschen aus Nicht-EU-Ländern findet kaum statt, weil Deutschland kein attraktives Land für diese Talente ist – wir sind kein Talent-Hotspot.
Sie tun ja gerade so, als stünde die deutsche Wirtschaft am Abgrund.
Deutschland ist wie die alte Sowjetunion mit ihren COMECON-Strukturen: Man verlässt sich auf die immer gleichen Zugpferde. Wir sind ein Land der Autos – die jetzt gefragten Bereiche Biotechnologie oder Informations- und Kommunikationstechnik haben wir überhaupt nicht aufgebaut, weil wir ja unsere Autos haben. Aber selbst da sind wir nicht mehr führend. Laut dem Innovationsranking des Center of Automotive Management, sind die drei größten Neuerungen des letzten Jahrzehnts das erste serienmäßige Brennstoffzellenauto von Toyota, das Elektroauto von Tesla und das Hybridauto von Toyota.
Zur Person
Sattelberger, 65, zählt zu den renommiertesten Personalexperten Deutschlands. Der Betriebswirt startete 1975 als Personaler bei Daimler-Benz, wechselte 1994 zur Lufthansa, wurde 1999 Vorstand des Passagiergeschäfts. 2003 ging er als Personalvorstand zu Conti, von 2007 bis 2012 in gleicher Funktion zur Deutschen Telekom, wo er mit Einführung der Frauenquote für Aufsehen sorgte. Über die Initiative Neue Qualität der Arbeit und als Vorsitzender der HR Alliance kämpft er für bessere Personalarbeit.
Sie loben Tesla als Innovationsbeispiel. Aber Tesla verdient kein Geld…
Zu sagen, wir setzen auf Wachstum, statt auf rasche Rendite, ist ja so dumm nicht. Man braucht allerdings Investoren, die an Ideen glauben. Wenn Sie sich Amazon anschauen, bekommen die Investoren seit über zehn Jahren keine Rendite und das Unternehmen war auch schon einmal beinahe bankrott. Trotzdem würde heute keiner sagen, dass das Geschäftsmodell eine Luftnummer ist.
In solche Geschäftsideen zu investieren erfordert einigen Mut – und es kann ein sehr teurer Fehler sein.
Mut erfordert Mut. Wer in Innovation investiert, muss wissen, dass das ein sehr unsicheres Geschäft sein kann und man sollte nicht hoffen, damit die schnelle Mark zu machen. Eben Unternehmertum.