Interimsmanager Gekommen, um zu gehen

Interim Manager sind hoch spezialisierte Experten. Ist ihre Aufgabe erledigt, gehen sie wieder. Quelle: Fotolia

Interimsmanager sind Retter in der Not oder heilsbringende Innovatoren. Ist ihre Aufgabe erledigt, gehen sie ohne Wenn und Aber. Warum die Krisenmanager in Deutschland immer häufiger zum Einsatz kommen.

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Als Marei Strack vor mehr als 20 Jahren aus einem Großkonzern ausschied, fühlte sie sich wieder wie kurz nach dem Studium. Eines hatte sich seitdem aber verändert: Sie wusste, was sie wollte, nämlich Führungsverantwortung und spannende Probleme lösen. Schwierige Projekte reizten sie. Doch je höher die Erwartungen an ihren künftigen Job, desto schwieriger wurde die Suche. Schließlich wurde ihr klar: als Managerin auf Zeit selbständig tätig zu sein, ist für sie die Lösung.

Heute ist Stracks Profession ein Trendberuf und als Interim-Management bekannt. Mit einem Manager auf Zeit kaufen Firmen für verschiedenste Bedarfssituationen Expertise und Erfahrung ein, die sie selbst nicht haben. Die Einsätze reichen von der Projektleitung für die Planung eines Gebäudes bis zur Begleitung und Umsetzung von Digitalisierungsprozessen. Manchmal sollen Interimsmanager auch übergangsweise Vakanzen bei Führungspositionen im Unternehmen besetzen, bis eine neue Führungskraft gefunden ist.

Interimsmanager sind hoch spezialisierte Einsatzkräfte, die innerhalb kürzester Zeit bedeutende Entscheidungen treffen, jeden Tag lange arbeiten und hohen Erwartungsdruck im Nacken spüren. Doch es lohnt sich. „Diesen Job machen Menschen, die einen Unterschied machen wollen“, sagt Co-Chef und Mitgründer Rainer Nagel vom Interim-Management-Anbieter Atreus. Deshalb werde der Job als Interimsmanager auch beliebter.

von Daniel Rettig, Lin Freitag, Kristin Rau, Claudia Tödtmann

Interimsmanager sind in Deutschland so gefragt wie nie. Für 2018 zählt die Dachgesellschaft Deutsches Interim Management 9750 Tätige in diesem Trendberuf. Parallel steigt die Anzahl der Aufträge im Projektmarkt. Der Aufbau eines Logistikzentrums ist ein typisches Beispiel: Es muss nur einmal gebaut werden - ist es fertig, wird der Projektmanager nicht länger gebraucht. Ein Festangestellter müsste neue Aufgaben bekommen, ein Interimsmanager hingegen verlässt das Unternehmen ohne Abfindung oder Umschulung. Auch wenn ein Unternehmen sich beispielsweise scheinbar hoffnungslos bei einem Projekt verrannt hat, räumt ein Interimsmanager auf.

Das wahre Ausmaß der Einsätze wird meist erst im Laufe der Zeit sichtbar. Atreus-Interimsmanager Jürgen Theis weiß mittlerweile, was es bedeuten kann, wenn Unternehmen anfragen, ob er ein Projekt für sie zu Ende bringen kann. Sein aktuelles Mandat sollte nur 30 Tage andauern. Jetzt sind es schon 120. Häufig müsse man sehr viel im Unternehmen verändern, damit ein Projektmanager Erfolg haben kann, erzählt er. Meist sehen Unternehmen gar nicht, was tatsächlich noch alles unfertig ist, wenn sie einen Interimsmanager zu Hilfe holen. Sie wissen nur: es läuft nicht.

Interimsmanager sind sturmerprobte Spezialisten

Die Lebensläufe der Interimsmanager, die Atreus vermittelt, passen selten auf eine Seite Papier. Auch der von Jürgen Theis nicht. Der Diplom-Ingenieur arbeitete sich bei Siemens vom Consultant zum IT-Leiter hoch und war dann bei BenQ Mobile angestellt - bis zu dessen Insolvenz. Eigentlich suchte Theis nach der BenQ-Pleite eine neue Festanstellung. Doch nichts passte richtig: zu einseitig, zu langweilig, nicht herausfordernd genug, befand er. So kam er über Atreus zum Interim-Management.

Die meisten Interimsmanager seien sturmerprobt, erzählt Rainer Nagel. Im Schnitt seien sie um die 54 Jahre alt, die jüngsten 40. Die jüngeren werden Interimsmanager, weil sie gehofft hatten, in ihrer letzten Festanstellung mehr bewegen zu können und enttäuscht wurden. Die älteren vor allem, weil sie neue Herausforderungen suchen, sagt Nagel.

Wenn Unternehmen einen Manager auf Zeit suchen, ist es wichtig, dass die Person zur Aufgabe passt. Dieser Matching-Prozess funktioniert in etwa wie beim Dating, erklärt Nagel: Vermittler wie Atreus sind das Elite Partner für Manager und Unternehmen. Sie haben die Manager-Profile in der Schublade und schlagen dem Auftraggeber passende Kandidaten vor. In dem Moment geht es nicht um Haarfarbe und Größe, sondern um Erfolgsgeschichten und die Frage: was hat derjenige geschafft und kann er das wiederholen?

Jürgen Theis ist beispielsweise der Mann für IT-Projekte in der Krise. Soll eine Unternehmenssoftware implementiert werden, ist er der Richtige. Dabei arbeitet er entweder als Einzelkämpfer oder in einem starken Team, für das er auch manchmal selbst die passenden Personen auswählen muss. Ist ein Projekt erfolgreich beendet, wollen Unternehmen ihn häufig noch länger halten, denn oft steht dann schon die nächste Herausforderung an.

Doch das will Theis wie viele andere Kollegen nicht – er liebt inzwischen die Freiheiten, die mit seinem Job einhergehen. Interimsmanager können sich von der Unternehmenspolitik lossagen. „Ich baue keine Seilschaften und muss daher nicht fürchten, jemandem auf die Füße zu treten“, erläutert Interimsmanagerin Strack. Sie kommen nicht, um Karriere zu machen und können sich deshalb voll und ganz auf ihr Projekt konzentrieren. Durch diese Einstellung haben Interimsmanager gerade auch die Chance, Probleme ans Licht zu bringen, an denen die Unternehmen bisher gescheitert sind. Davon profitiert der Auftraggeber. „Interimsmanager wollen mehr bewegen als nur einen großen Firmenwagen“, sagt Rainer Nagel.

Typische Tagessätze für Interimsmanager

Letzteren gibt es übrigens für Interimsmanager in der Regel nicht – auch auf eine Sekretärin oder ein schickes Büro müssen sie verzichten. Jürgen Theis wurde sogar schon einmal in ein Büro gesetzt, an dem nicht einmal die Tapete richtig an der Wand klebte. Auch Urlaubs- und Krankentage muss der Auftraggeber nicht bezahlen. „Wir werden für nackte Arbeitszeit bezahlt“, sagt Strack. Das dafür aber ziemlich gut, die Tagessätze sind beachtlich. Ein Interimsmanager verdient in Deutschland, nimmt man die unteren und oberen Managementebenen zusammen, im Durchschnitt 1175 Euro am Tag - je mehr Verantwortung, desto mehr Geld. In Krisenzeiten kann der Tagessatz für einen erfahrenen Sanierer laut Rainer Nagel auch schnell bei mehr als 3500 Euro liegen. „Wirklich erfahrene Sanierer bekommen Sie nicht günstiger“.

Nagel zieht einen Vergleich: wenn eine Person einen komplizierten Unterarmbruch hat, geht sie zum teuren Spezialisten. Wenn alles wieder in Ordnung ist, kann die Nachsorge wieder der Hausarzt machen.
Die Behandlung von Unternehmensproblemen dauert nach Nagels Einschätzung im Schnitt zwischen zwölf und 15 Monaten. Die Überbrückung von Vakanzen ist der Regel nach einem halben Jahr vorüber. Ist der letzte Tag gekommen, verabschieden sich die Interimsmanager in eine Pause, in der sie sich weiterbilden und ihr Netzwerk pflegen, bevor sie das nächste Projekt in Angriff nehmen.

Auch Marei Strack wird sich um diese Dinge kümmern müssen. Wenn sie ihre aktuelle Aufgabe beendet hat, möchte sie jedoch erst einmal Zeit mit ihrer Familie verbringen. Die kann je nach Auftraggeber während des Mandats durchaus Hunderte Kilometer weit von ihr entfernt sein. Dennoch würde sie sich nicht wieder fest anstellen lassen. Die Erfolgserlebnisse, die sie als Interimsmanagerin hat, werden für sie durch keinen Standortfaktor, kein Gehalt und kein Statussymbol ausgeglichen.

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