Jean-Claude Biver "Man lernt durch Fehler und Niederlagen"

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Leidenschaft und Unternehmergeist

Sie haben im Laufe ihrer Karriere sowohl als Unternehmer als auch – wie derzeit – als Manager gearbeitet. Was verbindet beides?
Beide haben zwei Sachen gemeinsam: Die Leidenschaft. In meinem Fall für die Uhrmacherei. Ob ich selbstständig oder angestellt bin, spielt dafür keine Rolle. Zum anderen: Der Unternehmergeist. Der ändert sich auch nicht. Mir hat vielleicht nicht immer das Unternehmen gehört. Aber mir hat immer das Marketing gehört, mir hat immer der Vertrieb gehört, mir hat immer die Entwicklung gehört – weil es meine Ideen waren.

Sie gelten als gewiefter Manager und haben jüngst Teile der Uhrenbranche gegen sich aufgebracht, weil sie während der Genfer Messe SIHH ein Boot mieteten und ihre Uhren dort präsentierten – sich aber nicht an den Kosten für die Messe selber beteiligten. Fair klingt das nicht.
Ich finde es schade, wenn 90 Prozent meiner Kunden nach Genf komme, ich selber wohne und meine Firma sitzt und ich kann diese Kunden nicht empfangen. Das ist Zeitverschwendung. Wenn meine Kunden da sind, dann möchte ich ihnen anbieten, mit mir zu frühstücken oder mich zu besuchen. Es war weniger, um jemanden zu ärgern, sondern davon zu profitieren, dass eh alle Kunden anreisen. Wenn 800 von 1000 meiner Kunden vor Ort sind und ich gebe ihnen keine Gelegenheit, mich zu treffen, dann habe ich ein Problem im Management.

Das sind die neuen Luxusuhren-Trends
Swiss Mad Watch Quelle: Thorsten Firlus für WirtschaftsWoche
Das zum Richemont-Konzern gehörende Unternehmen Baume & Mercier deckt in der Gruppe das Einstiegssegment der Luxusuhren ab. Diese Automatikuhr mit Stahlband soll die sportlich maskuline Kundschaft ansprechen. Der Preis liegt je nach Ausführung des Armbandes bei rund 2000 Euro. Quelle: PR
Der Namensgeber, Unternehmensgründer nach der Wende und Mit-Inhaber, Walter Lange, verstarb am 16. Januar. Die Entwicklung des Tourbograph pour le Mérite hat Lange, der bis zum Schluss im Unternehmen präsent war, noch verfolgen können. Der Tourbograph erhält seinen Namen aus zwei seiner Komplikationen, die verbaut wurden: Dem Tourbillon und dem Chronograph. Dazu kommt noch ein ewiger Kalender. 684 Teile sind im Uhrwerk verbaut. Der Preis für eines der 50 Modelle, die gefertigt werden: 480.000 Euro. Quelle: PR
Das Unternehmen MB&F möchte keine Uhren, sondern Skulpturen für den Arm entwerfen, die zudem die Zeit anzeigen. Für das Modell Aquapod haben sich die Gestalter an einem der unbeliebtesten und gleichzeitig faszinierendsten Tiere orientiert: Der Qualle. Das gewölbte Gehäuse soll im Profil einer aufsteigenden Qualle ähneln. Zugleich versprechen die Entwickler eine gute Ablesbarkeit. In Höhe des weißen Dreiecks auf der Unterseite der Halbkugel ist die Zeit abzulesen - in diesem Fall 8 Uhr und 35 Minuten. Der Preis für die Uhr: sechsstellig. Quelle: Thorsten Firlus für WirtschaftsWoche
Schwärzer als die Nacht - das ist nur eine der Besonderheiten der Luminor Panerai Lab-ID Luminor 1950 Carbotech. Das Zifferblatt ist ein extremes Tiefschwarz. Das Gehäuse besteht aus einer Carbonmischung, darin steckt auch der Clou: Die Carbonteile benötigen im Gegensatz zu herkömmlichen mechanischen Uhren keinen Schmierstoff mehr. Die Uhr ist damit wartungsfrei, da keine Fette enthalten sind. Panerai plant, für die Uhr eine Garantie von 50 Jahren auszuloben. Der Preis liegt bei 50.000 Euro. Quelle: PR
Drei Mitglieder einer neuen Familie. Die Schweizer Marke Jaeger LeCoultre bringt neben exorbitant teuren Preziosen dieses Jahr auch ein Friedensangebot in der Welt der Luxusuhren auf den Markt. Zwischen 6000 bis 10.000 Euro liegen diese Modelle, beginnend bei einer einfachen Dreizeiger-Uhr mit Datum über eine Weltzeituhr bis zu einem Chronographen. Nach Jahren des teurer, teurer, teurer, besinnen sich die Uhrenhersteller wieder derjenigen, die weder das Geld eines Kleinwagens, Wagenparks oder Villa in eine mechanische Luxusuhr investieren möchten. Quelle: Thorsten Firlus für WirtschaftsWoche
Von günstig oder Friedensangebot kann bei diesem Modell des Herstellers Richard Mille keine Rede sein. Die Uhr wurde in Kooperation mit dem Rennsportstall McLaren entwickelt und kostet mehr als eine Million Euro. Sie ist dafür extrem leicht dank des Graphen-Gehäuses, eines Werkstoffs, den Richard Mille in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern anfertigen konnte. Das Ergebnis ist der Superlativ "leichteste Uhr mit Tourbillon und Schleppzeiger-Chronograph". Der Schleppzeiger-Chronograph erlaubt die Messung von Zwischenzeiten, der Tourbillon stammt aus der Welt der Taschenuhren und soll größere Genauigkeit bringen. Dabei dreht sich die Unruh in einem Käfig einmal die Minute um die eigene Achse. Bei Taschenuhren, die meist die ganze Zeit in einer Lage aufrecht in der Tasche ruhten, glich das Tourbillon den Einfluss der Schwerkraft aus - in einer Armbanduhr soll es vor allem der Beweis großer uhrmacherischer Fähigkeiten sein, denn der Zusammenbau gilt als sehr kompliziert. Quelle: PR

Bis 2004 haben Sie keine Emails gelesen und sich mit SMS schwer getan. Das haben Sie radikal geändert. Fiel Ihnen das leicht?
Ich hatte keine Wahl. Als ich Hublot übernahm, hatte das Unternehmen ein Informationssystem, der über Email ging – und ich hatte nie eine Emailadresse bis dahin. Ich musste lernen, wie das geht, wie man mit einem Computer umgeht. Ich habe das mit viel Neugier gelernt. Später habe ich es dann geschätzt, heute sind alle diese Dinge mein wichtigstes Instrument als Manager. Ich spreche so ständig mit meinen Leuten.

Warum haben Sie so lange damit gewartet?
Weil ich es bei der Swatchgroup, wo ich davor war, nicht unbedingt benötigte. Ich hatte ein Problem, diesen Schritt zu machen, weil ich eine gewisse Ablehnung gegenüber dem Computer hatte, weil ich es nicht kannte. Das ist eine typische, relativ dumme Haltung. Wenn sie die Neugier nicht besitzen, etwas zu lernen, dass sie nicht verstehen, dann lehnen sie es ab. Das ist nicht gut. Ich war in der Tendenz, alt zu werden. Für mich ist das das Zeichen, alt zu werden – die Neugier zu verlieren. Ich wurde gerettet!

Eine der drei Marken, die Sie betreuen, stellt nun auf der Messe eine Smartwatch  vor. Zu der Gattung Fehler gehören auch Irrtümer. Die großen Marktforschungsinstitute gehen davon aus, das Wearables und darunter auch Smartwatches ein weiterhin wachsender Markt sind. Im Buch steht: „Die Uhren der Computerfirmen erinnern nicht im entferntesten an ein Schmuckstück.“ Das klingt nach Pfeifen im Walde. Gerade im Preissegment bis 1000 Euro tummeln sich ausreichend Hersteller, die modische Smartwatches anbieten, denen man ihre Funktion teils nicht mehr ansieht.
Da haben Sie Recht. Ich habe Unrecht.

Die Antwort überrascht.
Dieses Buch hat mehrere Jahre gebraucht, bis ich davon überzeugt war. Die Aussage hat damals gestimmt, als die meisten Wearables wie eine Smartuhr ausgesehen haben. Heute ist das nicht mehr der Fall. Heute sind Uhren auf dem Markt von Fossil bis Montblanc oder Louis Vuitton, die mit Sicherheit mehr nach Uhr als nach Computeruhr aussehen. Dieser Teil meines Buches ist nicht mehr ganz aktuell.

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