Jüngste CEO-Abgänge „Sie brauchen ein großes Ego, um nach oben zu kommen – und auch dort zu bleiben“

Donata Hopfen (l.) und Carla Kriwet ziehen den Ausstieg vor. Quelle: Collage: Marcel Reyle

Donata Hopfen und Carla Kriwet räumten vergangene Woche ihre CEO-Posten – nach wenigen Monaten. Managementberater Jürn-F. Konitzer erklärt, wie dick das Fell von Managern sein muss und wie der richtige Abgang gelingt.

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Carla Kriwet am Montag, Donata-Hopfen und Claus-Dietrich Lahrs am Mittwoch. In der vergangenen Woche haben gleich drei Top-CEOs ihre Posten geräumt. Carla Kriwet verließ Fresenius Medical Care nach nur zwei Monaten, das Gastspiel von Donata Hopfen bei der Deutschen-Fußball-Liga (DFL) dauerte immerhin elf Monate und S.-Oliver-Chef Claus-Dietrich Lahrs musste nach drei Jahren gehen.

Jürn-F. Konitzer berät mit seiner Managementberatung Führungskräfte in internationalen Konzernen und Mittelständlern bei der beruflichen Neuorientierung und weiß, woran Managerinnen und Manager scheitern. Und wie der Abgang selbst dann gelingt, wenn die Fronten verhärtet sind.

WirtschaftsWoche: Herr Konitzer, Carla Kriwet verlässt FMC nach nur zwei Monaten. Ist das für sie selbst und das Unternehmen nicht der worst case?
Jürn-F. Konitzer: Ich weiß nicht, welcher Headhunter das eingefädelt hat, aber der schlägt nun die Hände über dem Kopf zusammen. Frau Kriwet wird mit ihrer Erfahrung sicherlich erste Wahl gewesen sein. Was genau vorgefallen ist, weiß ich nicht. Es gab im Lebenslauf von Frau Kriwet immer mal kurze Gastspiele, auch beim Medizinunternehmen Dräger. Es hat sicherlich viel Überwindung gekostet, diese Entscheidung zu treffen.

Wieso?
Weil die Entscheider sich eingestehen müssen, dass sie eben eine falsche Entscheidung getroffen haben. Das ist sehr unangenehm. Und das weiß dann jeder: der Aufsichtsrat, der Betriebsrat, die Belegschaft, die Medien. Die meisten Manager drücken sich vor so einer Entscheidung. Sie hoffen, dass sich mögliche Konflikte legen, es schon irgendwie geht und warten erst einmal ab. Was auch immer passiert ist: Ich habe großen Respekt vor der Entscheidung. Unabhängig davon, ob Frau Kriwet oder der Fresenius-Vorstand hier maßgeblich waren. Wie heißt es so schön: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Lesen Sie auch: Warum Fresenius-Medical-Care-Chefin Carla Kriwet wirklich gehen muss

Jürn-F. Konitzer berät Führungskräfte bei der beruflichen Neuorientierung. Quelle: PR

Gilt dieser Spruch auch für Donata Hopfen? Sie musste ihren Posten als Chefin der Deutschen Fußball Liga (DFL) nach elf Monaten räumen. Bei LinkedIn schrieb sie in einem Beitrag von unterschiedlichen Ansichten und fehlendem Rückhalt.
Von außen betrachtet erscheint die Deutsche Fußball Liga wie ein Haifischbecken für Quereinsteiger. Die GmbH gehört zu 100 Prozent dem eingetragenen Verein, der einen Zusammenschluss der Herren-Fußballvereine der 1. und 2. Bundesliga insbesondere gegenüber dem DFB darstellt. Es handelt sich also um eine reine Interessengemeinschaft. Politische Konflikte werden in Verbänden oftmals öffentlich ausgetragen. Und das ist für Manager aus der Wirtschaft neu. Sie brauchen richtig viel Ausdauer, eine teflonbeschichtete Oberfläche und müssen viel aushalten. Wichtig ist es, rasch in Seilschaften zu kommen, um gerade bei durchgreifenden Entscheidungen nicht allein dazustehen. Das ist enorm aufwändig, gerade wenn sie – so wie Frau Hopfen – von außen ins Unternehmen kommen.

Sie beraten Führungskräfte und Managerinnen bei der beruflichen Neuorientierung. Aus welchen Gründen hören Ihre Mandanten auf?
Die Gründe dafür sind vielschichtig und greifen ineinander. Oftmals handelt es sich um einen Konflikt mit dem Stärkeren – also dem Vorgesetzten. Sollten etwa Meinungen und Auffassungen zu unterschiedlich sein und es keinen erkennbaren Ausweg aus der Situation geben, geht der Schwächere – der Mitarbeiter. Ein anderes Phänomen beobachte ich gelegentlich in Dax- und MDax-Konzernen: Denken Sie an zwei Bereichsleiter, die sich aufgrund der Bereichsinteressen andauernd in den Haaren liegen. Zu einem späteren Zeitpunkt trennen sich die Wege etwa durch Beförderungen – und einige Zeit später wird einer der beiden Vorstand und der andere muss an ihn berichten. Wer da ein gutes Gedächtnis hat, sagt sich womöglich: Nein, mit dieser Person möchte ich nicht mehr zusammenarbeiten.

Das klingt so, als scheiterten Manager häufig am eigenen Ego – und den Egos der anderen.
Sie brauchen ein sehr großes Ego, um nach oben zu kommen und auch dort zu bleiben. Entsprechend ausgeprägt sind die Persönlichkeiten der meisten Manager. In einigen Vorständen sitzen Menschen mit starken psychopatischen Tendenzen. Andere sind autoritär bis ins Mark, zutiefst konfliktorientiert. Und ausgerechnet diese Menschen sind tatsächlich häufig erfolgreich, bekleiden ihren Posten über Jahre und Jahrzehnte. Doch selbst wenn Kollegen persönlich gut miteinander auskommen, kann es passieren, dass sie über ihre Rollen miteinander in Konflikte geraten. Etwa wenn der Vertriebsleiter etliche Produkte verkauft und der Produktionschef nicht in der Lage ist, die alle in kurzer Zeit fertigen zu lassen. Dann knatscht es. Eine zentrale Fähigkeit guter und langjähriger Manager ist es, die persönliche und die inhaltliche Dimension zu trennen. Die Konflikte sollten auf der inhaltlichen Ebene bleiben und die persönliche Ebene nicht erreichen. Das ist die Kunst.

Carla Kriwet, Donata Hopfen und auch S.Oliver-Chef Claus-Dietrich Lahrs kamen von außen in die Vorstandsetage. Da kann man vorher ja kaum absehen, mit welchen Egos man es zu tun hat.
Im Vorstand braucht es Vertrauen. Wer von außen in ein Unternehmen kommt – wir sprechen da vom „lateral hire“ –, geht viele Risiken ein, muss erst mal Vertrauen aufbauen. Die Anschlussfähigkeit fehlt zu Beginn und muss erst einmal hergestellt werden.

Wie durchdringt man die politische Machtverteilung und die Rollen im Unternehmen, wenn man von außen kommt?
Die Vorbereitung auf den neuen Posten ist entscheidend. Ich empfehle da immer die Lektüre eines Buchs des US-Professors Michael Watkins. Er schreibt von den entscheidenden 90 Tagen zu Beginn in einem neuen Job. Der erste Eindruck stellt die Weichen für eine erfolgreiche oder eine schwierige Zeit im Unternehmen. Es ist sehr wichtig, die Geschichte und die Kultur des Unternehmens zu verstehen. Und damit auch die Befindlichkeiten der handelnden Personen. Was tut den Leuten weh? Wo drückt der Stein im Schuh? Schließlich scheitern Manager meist an den menschlichen Konstellationen im Unternehmen. Wir empfehlen unseren Mandanten, sich nicht gleich auf die Inhalte und die Strategie zu stürzen. Sondern intensiv mit demjenigen zu sprechen, an den sie berichten: den CEO oder Aufsichtsrat etwa. Um dann zu verstehen, wie diese Person tickt und was sie benötigt, um zufrieden zu sein. Daran entscheidet sich Wohl oder Wehe.

Ich hatte mal einen Mandanten, der ist von einem Konzern als CFO zu einem Familienunternehmen gegangen – und hat gleich zu Beginn eine Kommunikationsregel verletzt: Er hat es gewagt, mit seinem Vorstandskollegen aus der Produktion zu sprechen. Das war Hochverrat, nach sechs Wochen war das Gastspiel beendet. In dem Unternehmen erfolgte die Kommunikation im Tannenbaum-Prinzip: Sie berichten nur an die Person über ihnen. In diesem Fall also an den CEO und Unternehmenseigner, der dann mit dem Produktionsvorstand spricht. Das war die Kultur des Unternehmens.

Wie viel muss ich als Manager aushalten, bis ich hinschmeiße? Wo ist die Grenze?
Diese Frage muss sich jeder selbst beantworten. Es geht schließlich um den Umgang mit den eigenen Ängsten. Mit der eigenen Verletzlichkeit: Wo ist mein Stolz verletzt? Wo sind meine fundamentalen Werte verletzt? Kann ich meine Familie noch versorgen, wenn ich hinschmeiße? Komme ich mit dem Statusverlust klar? Wie gehe ich damit vor meiner Familie und meinen Freunden um? Sie müssen unheimlich viel in die Waagschale werfen. Wenn ich gegen Missstände im Unternehmen anrenne, aber einfach nicht weiterkomme, kann ich verstehen, wenn jemand aufgibt. Häufig liegt es auch an einem Mikromanager als Chef, unter dem Führungskräfte nicht mehr kreativ und autonom arbeiten können und ständig vor Wände rennen. Dann ist es an der Zeit zu wechseln, da die Perspektive fehlt.

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Und wenn es gar nicht mehr geht? Wie gelingt dann noch der richtige Abgang?
Sie müssen starke und tiefsitzende Empfindungen wie Wut, Angst, Enttäuschung, Scham oder Stolz überwinden und die Beziehungen zu den Kontrahenten im Unternehmen wieder stärken. Dann kann der Abgang gelingen. Sie schildern ihre Probleme, zeigen Verletzlichkeit, entschuldigen sich womöglich. Das fällt gerade Managern, die auf das Demonstrieren von Stärke und Lösungskompetenz gedrillt sind, besonders schwer. Auch aus eigenem Interesse sollte die Beziehungsebene wieder hergestellt werden: Die Abfindung wird dann womöglich in einem wohlwollenderen Ambiente verhandelt und fällt dann in der Regel besser aus, genau wie das Arbeitszeugnis und spätere Referenzen. Und Managerinnen und Manager bewahren so ihren Ruf. Das gelingt aber nur, wenn es auch aufrichtig gemeint ist.

Lesen Sie auch: Das kurze Gastspiel von Carla Kriwet bei Fresenius Medical Care ist auch eine Folge der überaus komplizierten Konzernstruktur.

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