Jungunternehmer Was Deutschlands jüngster Unternehmer mit dem 78-jährigen Trigema-Chef gemeinsam hat

Unternehmer im Generationsvergleich Quelle: Stefan Kröger für WirtschaftsWoche

Echte Unternehmer finden zu ihrer Passion offenbar fast unabhängig vom Alter. Amir Gdamsi führt bereits mit 15 Jahren eine Firma – Wolfgang Grupp mit 78 immer noch. Was die beiden verbindet.

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Den Rekord wird Amir Gdamsi so schnell keiner nehmen: Seit einem Jahr erst ist der 15-jährige Gründer der Marketingagentur AGM überhaupt geschäftsfähig, heute ist er der jüngste Unternehmer des Landes. Während die meisten seiner Altersgenossen noch keine Zukunftsvorstellung haben, die über den Schulabschluss hinausreichen, lebt er seine schon aus.

Inspiriert hat Amir Gdamsi ein Start-up-Event, zu dem er vor einem Jahr in Dortmund eingeladen war. „Von da an wusste ich, dass ich Chef werden will“, sagt er. Je früher, desto besser. Sechs Monate später war es soweit. Eltern, Jugendamt und Schulleitung mussten zustimmen, dass er neben dem Schulalltag ein Unternehmen leitet. Der Teenager hat einen Notendurchschnitt von 1,3 und gilt mit einem IQ von 130 als hochbegabt. „Amir brauchte eine neue Herausforderung“, sagt die Mutter Marta Gdamsi. Mit der Schule allein sei er nicht ausgelastet gewesen. Der Drang zur Selbstständigkeit liegt Gdsami ein Stück weit in den Genen: Seine Mutter leitete eine Personalvermittlungsagentur und betreibt nun ihr eigenes Café, der Vater Shukri Gdamsi besitzt ein Handelsunternehmen, eine Immobilienfirma und einen Lebensmittelladen.

Es ist unter anderem dieser innere Antrieb zum Unternehmertum, der Gdamsi mit einem verbindet, der auf den ersten Blick wenig mit ihm gemein hat: Wolfgang Grupp. Der Chef des Bekleidungskonzerns Trigema ist nicht nur einer der bekanntesten Unternehmer des Landes, sondern auch einer der ältesten. 78 Jahre ist er inzwischen, und denkt noch nicht an den Ruhestand. Grupp und Gdamsi verkörpern damit etwas, was Unternehmer offenbar unabhängig vom Geburtsjahr ausmacht: die Lust, Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Wer die Wege der beiden vergleicht, der merkt, dass diese Eigenschaft offenbar kein Alter kennt. Wie wichtig die Veranlagung für das Unternehmertum sind, zeigt nicht nur Amir Gdamsi, sondern auch Wolfgang Grupp. Bereits als Kind wusste er, dass er einmal den Großkonzern seines Vaters übernehmen wird.

Der Jungunternehmer bespricht mit seinem Stammkunden Walid Saloma die Social-Media Strategie für das Autohaus B54 in Dortmund. Quelle: Sina Osterholt

Amir Gdsami ist nicht nur als Unternehmer aktiv: Er ist Schulsprecher, Bezirksschülervertreter und seit Kurzem auch noch das jüngste SPD-Mitglied. Es ist ihm wichtig, aus der Menge herauszustechen: „Ich bin kein normaler Teenager und werde es auch nie sein“, sagt der Dortmunder. Mit seinem Engagement in der Gesellschaft hat der Jungunternehmer eine Gemeinsamkeit mit dem Trigema-Chef. Grupp ist für seine besonderen Leistungen bekannt. Dafür hat er sogar im vergangenen Jahr ein Bundesverdienstkreuz von Ministerpräsident Winfried Kretschmann erhalten.

Jeden Tag nach der Schule fängt Gdsamis Arbeitsalltag an. Ab 15 Uhr macht sich der Jungunternehmer auf den Weg zu diversen Geschäftsterminen. Seine Kunden hat er allesamt durch direkte Ansprache gewonnen – indem er von Geschäft zu Geschäft ging und seine Marketingstrategie vorstellte. So war es auch bei seinem wichtigsten Stammkunden Walid Saloma, dem Inhaber des Autohauses B54 in Dortmund. „Zuerst habe ich ihn nicht ernst genommen, schließlich bin ich 30 Jahre älter“, sagt Saloma. Doch dann überzeugte der Vortrag. Und später auch seine Arbeit: Allein in den letzten sechs Wochen sei der Umsatz in dem Autohaus um etwa 20 Prozent gestiegen. Das führt er auch auf die Online-Kampagne zurück, die Gdamsi für ihn organisiert. Wöchentlich besuchen inzwischen im Durchschnitt 14.000 Leute seine Website.

Auf Instagram und Facebook bereitet der Jungunternehmer dreimal in der Woche einen Post vor. Dass Gdamsi sich auf den Einsatz von Social Media konzentriert, ist laut Klaus Derfuß eine konsequente und für erfolgreiche Unternehmer typische Entscheidung. „In technologiegetriebenen Branchen haben Jüngere eindeutig Vorteile – sie kennen die Spielregeln“, erklärt Derfuß, Lehrbeauftragter für Unternehmensführung an der Technischen Universität Dortmund. Um ein guter Unternehmer zu sein, müssen laut dem Experten drei Kriterien erfüllt sein: Idee, Marktkenntnis und Risikobereitschaft. Dinge, die man an der Universität mühsam lernen kann. Oder die einem einfach in die Wiege gelegt sind, so wie es bei den meisten wirklich passionierten Unternehmern vom Schlage Gdsami und Grupp ist. Wer die beiden ein wenig studiert, lernt dabei nebenbei auch, einen echten Unternehmer von einem talentierten Manager zu unterscheiden.

Wolfgang Grupp besetzt seit mehr als 50 Jahren die Chefetage

Grupp sieht inzwischen bei aller genetischen Veranlagung auch sein Alter als Vorteil an: „Keiner wird Rennfahrer, der gerade erst seinen Führerschein gemacht hat“. Aber angefangen hat auch Grupp in einem eher jugendlichen Alter. Mit 27 musste er die Nachfolge seines Vaters übernehmen, da es Probleme im Unternehmen gab. Und brach dafür seine Doktorarbeit ab. Die Frage ob er sich für die Führungsspitze bereit gefühlt hat, gab es nicht. „Trigema brauchte mich“, sagt er, der seine Grundprinzipien seither kaum verändert hat. Vom ersten Tag an machte Trigema unter seiner Führung keine Verluste. Zudem begann er, die Schulden zurückzuzahlen, die sein Vater angehäuft hatte. Nach fünf Jahren bezahlte er die letzte D-Mark zurück.

Seit nun mehr als 50 Jahren besetzt Wolfgang Grupp die Chefetage. In der Zeit hat sich viel verändert: Seine einstigen Großkunden – die Kaufhaus- und Versandketten – gibt es nicht mehr. Hertie, Quelle oder Neckermann sind längst vom Markt verschwunden. Auch in der Kooperation mit Discountern wurde Grupp nicht glücklich. So machte Trigema zwischenzeitlich mit Aldi 37 Millionen Euro Umsatz. Ein gutes Geschäft, bis Aldi eine Hausmarke zum halben Preis produzieren wollte. Grupp schlug die Anfrage aus und lernte aus der gescheiterten Partnerschaft. Seine Erkenntnis: Um nicht in eine totale Abhängigkeit der wenigen mächtigen Händler zu geraten, sollte man sich in einer bedarfsgedeckten Wirtschaft selbst bedienen. Deshalb hat der Trigema-Chef eigene Geschäfte eröffnet. Der Jungunternehmer Gdamsi möchte auch nicht immer ein Ein-Mann-Unternehmen bleiben. Sein Ziel ist es, sich zu vergrößern und mehrere Standorte zu vertreten.


Wie Gdamsi hat auch Grupp inzwischen die Digitalisierung für sich entdeckt. Und belegt damit, dass Klischees über junge Menschen ebenso wie die über alte Menschen argwöhnisch betrachtet werden sollten. Bereits 2004 hat Grupp einen Onlineshop errichtet. Heute verkauft der Unternehmer nach eigenen Angaben 40 Prozent seiner Textilien online.

Doch dem 78-Jährigen ist es wichtig, nicht nur auf seine Erfolge zu verweisen, sondern auch auf das, was er aus Fehlern gelernt hat – eine Erfahrung, die Gdsami erst noch machen muss. So lies Grupp sich einst überzeugen, seine so alte wie legendäre Fernsehwerbung mit einem Schimpansen als Hauptdarsteller zu ersetzen. Danach hätten sich die Anfragen getürmt, warum er bloß auf den Affen verzichte, berichtet Grupp. Der tauschte die Werbung wieder aus – und hatte 100.000 Euro in den Sand gesetzt. „Sowas kann vorkommen, man muss aber bereit sein, sich dann schnell wieder zu korrigieren“, sagt Grupp. Um die Aufgaben eines Unternehmers zu übernehmen, sei keine Hochintelligenz erforderlich. Klassenbester war er nach eigenen Angaben selbst nie. Bei Gdamsi ist es anders und so ist das Entscheidende wohl tatsächlich eher das, was beide verbindet: Sie haben das Unternehmertum im Blut.


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Ob 15 oder 78 – Amir Gdamsi und Wolfgang Grupp zeigen, dass es im Unternehmertum kein ideales Alter gibt. Jedes hat seine Vor- und Nachteile. Das bestätigt der Führungsexperte Klaus Derfuß: Die älteren Unternehmer kennen das Geschäft und die Konkurrenz in- und auswendig. Dafür sind Jungunternehmer besser mit den technologischen Möglichkeiten vertraut. Und: Jüngere hätten einen längeren Planungshorizont. Mit dem zunehmenden Alter steigt die Gefahr von gesundheitlichen Schwächen. Aber auch ein Scheitern schlägt laut Derfuß bei einem älteren Unternehmer stärker zu Buche, da bei vielen jüngeren noch nicht die Finanzierung des Lebens vom Umsatz des Unternehmens abhängt.

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