Beim Suchmaschinenkonzern Google verhinderten die Mitarbeiter kürzlich, dass ein Algorithmus über ihre Karriere entscheidet – dabei ging es bei dem Programm ausschließlich um Beförderungen. In Testläufen hatte das System außerdem bewiesen, dass es in 90 Prozent der Fälle richtig entscheidet. Trotzdem lehnten die Programmierer ab: Sie wollten von einem Menschen befördert werden, nicht von einer Maschine.
„Der Aberglaube, der Mensch treffe stets die besseren Entscheidungen als die Maschine, ist tief verwurzelt“, sagt Stefan Strohmeier, BWL-Professor und Experte für Management-Informationssysteme an der Universität des Saarlandes. „Dabei ist empirisch gut nachgewiesen, wie viele Fehlentscheidungen Personaler treffen. Bewerbungen etwa begutachten sie im Schnitt nur sechs Sekunden. Da sind Fehlurteile programmiert.“
Doch viele Mitarbeiter akzeptieren die Entscheidung eines Menschen leichter – und misstrauen dem Computer. Strohmeier fordert deshalb, die rechtliche Debatte um den Datenschutz um eine ethische zu ergänzen: Was dürfen Unternehmen künftig über ihre Mitarbeiter wissen? Wie viel Privatheit muss am Arbeitsplatz herrschen, damit Angestellte sich dort wohlfühlen? Droht ein Vertrauensverlust zwischen Personalern und Personal?
Auf welche Bereiche wirkt sich die Digitalisierung im Arbeitsalltag aus?
47 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, dass sich die Digitalisierung positiv auf das eigenständige Arbeiten auswirkt. 37 Prozent spüren keine Auswirkung, zehn Prozent beklagen negative Einflüsse.
Quelle: Edenred-Ipsos-Barometer 2015, "Wohlbefinden & Motivation der Arbeitnehmer"
45 Prozent sagen, dass die Digitalisierung die Zusammenarbeit verbessert, 13 Prozent sehen eine Verschlechterung.
43 Prozent spüren einen positiven Einfluss der Digitalisierung auf ihre Lebensqualität im Job, 36 Prozent merken gar keine Veränderung und 15 Prozent spüren negative Einflüsse auf die Teamarbeit.
Die Zusammenarbeit mit Kunden verbessert sich laut 42 Prozent der Befragten. Neun Prozent sehen hier eine Verschlechterung.
Eine Verbesserung durch die Digitalisierung erleben 41 Prozent, elf Prozent beklagen negative Einflüsse.
43 Prozent sagen, dass die Digitalisierung an den Kompetenzen nichts verändert hat. 40 Prozent sehen einen positiven Einfluss und acht Prozent einen negativen.
40 Prozent fühlen sich durch die Digitalisierung bei der Arbeit motivierter, bei elf Prozent sehe es durch die Digitalisierung schlechter aus mit ihrer Motivation. Für 43 Prozent hat sich durch die Digitalisierung nichts an ihrer Motivation verändert.
Dank der Digitalisierung können 34 Prozent der Befragten berufliches und privates leichter vereinen. Bei 16 Prozent ist es dagegen schwieriger geworden, beides unter einen Hut zu bekommen. 42 Prozent spüren keine Veränderung.
Bessere Chefs dank Digitalisierung? Keine Veränderung bemerkten 42 Prozent. Einen positiven Einfluss glauben 28 Prozent bei ihren Vorgesetzten bemerkt zu haben, eine Verschlechterung beklagten 28 Prozent.
Schon macht das Schlagwort der Work-Privacy-Balance die Runde, denn die Entwicklung beginnt gerade erst. Wenn erst das Internet der Dinge Gestalt annimmt, funken die Arbeitsgeräte beständig Informationen ins Unternehmensnetz.
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Big Brother schlägt zu
Ob Mikroskop oder Schlagbohrer – die Geräte dokumentieren künftig sekundengenau, wann wir arbeiten, welche Fehler uns unterlaufen, wann wir vom üblichen Prozedere abweichen oder die Pause überziehen. „Dann haben wir tatsächlich ein Orwell-Szenario“, sagt Strohmeier. „Jetzt aber haben wir noch die Zeit, die Spielregeln festzulegen: nüchtern und ohne dabei in Hysterie zu verfallen.“
Denn die Vorteile der datengetriebenen Anwendungen sind offensichtlich – die menschliche Fähigkeit, das Gegenüber auch emotional zu erleben, können sie nicht ersetzen. Strohmeier hält daher wenig davon, die Analysestärke der Computer gegen menschliche Empathie auszuspielen. Programme sind unfähig, die zwischenmenschliche Chemie zwischen Bewerbern und Unternehmen zu erfassen. Auch geniale Chaoten würden sie im Zweifelsfall wohl eher aussortieren, als zu erkennen, dass genau sie einem Haus den vielleicht fehlenden kreativen Impuls geben könnten.
Umgekehrt aber bieten die Programme auch Außenseitern eine Chance – wenn sie Personen auswählen, die vielleicht aufgrund ihres Auftretens oder ihrer Ausstrahlung immer wieder vorschnell aussortiert werden, obwohl sie fachlich ideal passen. Das menschliche Bauchgefühl ist nun mal zweischneidig – unersetzlich, aber auch fehlbar.
Jeder dritte Manager weltweit lässt sich bei seinen Entscheidungen dennoch lieber von seiner Intuition leiten als von Fakten, ergab gerade erst eine Studie der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers. Allerdings: Die befragten Führungskräfte gaben auch an, warum sie die validen Daten nicht berücksichtigten. Mehr als die Hälfte hatte sie einfach nicht verstanden.