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4 Rhetorik-Tipps für Schüchterne: Überzeugen in aller Bescheidenheit

Wer eher zur schüchternen Fraktion gehört, muss Rhetorik-Rampensäue nicht imitieren. So spielen Sie Ihre Überzeugungskraft gekonnt auf die dezente Art aus. Eine Kolumne.

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Wollen Sie es so gut können wie andere, schaffen es aber nicht? Die gute Nachricht lautet: Imitieren haben Sie nicht nötig. Natürlich kann es sehr hilfreich sein, sich versierte Rednerinnen und Redner zum Vorbild zu nehmen, um sich inspirieren zu lassen. Wie machen die das beim Thema Lampenfieber? Wie gelingt es, trotz ihrer inhaltlichen Überlegenheit nicht arrogant zu wirken? Wie kriegen die das mit der Schlagfertigkeit auf der Bühne hin?

In meinen Trainings und Coachings höre ich dabei immer mal wieder (und das gerade auch von Führungskräften): „Ich bin halt vor allem gut auf meinem Fachgebiet, aber ich bin einfach kein mitreißender Redner.“ Selbst Vorstände von Weltmarktführern berichten mir: „Am Tag vor dem Auftritt würde ich am liebsten krank machen.“

Diese Angst vor dem Auftritt rührt meiner Erfahrung nach oft daher, dass die Betroffenen sich mit rhetorischen Vorbildern ihrer Branchen vergleichen - nicht, um von Ihnen zu lernen, sondern um in der Folge daran zu verzweifeln: Das schaffe ich nie. Imitieren Sie nicht. Übernehmen Sie Kniffe, Tricks und Methoden, die genau zu Ihnen ganz persönlich passen.

Und was ist, wenn man nun einmal so überhaupt kein Bühnenmensch ist? Keiner, der sich auf einem Panel-Talk wohl fühlt? Niemand, der gerne vor der Belegschaft präsentiert? Dann gilt: Machen Sie Ihr Ding. Dann eben schüchtern, zurückhaltend und gerade deshalb überzeugend. Weil in der Sache stark.

Tipp 1: Sagen Sie, wie Sie wirklich ticken

Angenommen, Sie halten einen Vortrag, um junge Leute für Ihr Unternehmen zu begeistern. Besonders überzeugend sind Sie, wenn die Leute Sie mögen. Dafür müssen Sie keine begnadete Witzeerzählerin und kein Bühneneroberer sein. Es kann allerdings passieren, dass das Publikum Menschen, die leise und ernst auftreten, nicht richtig einschätzen kann. Im blödesten Fall hält man Sie irrtümlich für desinteressiert an denen, die Ihnen zuhören. Das kostet Sie Überzeugungskraft.

Deshalb: Erklären Sie, wie es wirklich ist. Wenn Sie merken, dass Ihnen Blickkontakt mit anderen, ein Lächeln oder die Erzählung kleiner bunter Anekdoten zum Warmwerden schwer fallen, dann bekennen Sie sich dazu. Sagen Sie etwa: „Auch wenn man mir das nicht anmerkt: Ich freue mich, Ihnen jetzt erklären zu können, worauf es mir ankommt. Ich bin eher so jemand, der/die sich nach innen hinein freut.“

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von Nina Jerzy

Oder: „Ich bin keine begnadete Jongleurin großer Worte. Aber jedes meiner Worte stimmt. Darauf können Sie sich verlassen.“

Oder: „Ich bin froh, wenn ich gleich wieder aus dem Rampenlicht treten kann. Aber ich gehe nicht, bevor ich Sie nicht überzeugt habe.“ Das MUSS man sympathisch finden. Damit wischen Sie den Eindruck weg, Ihre Zurückhaltung sei Ablehnung.

Tipp 2: Nehmen Sie eine innere Bühnen-Haltung ein, die zu Ihnen passt

„Rampensäuen“ geht es auf der Bühne, wie den Fischen im Wasser. Wer insgeheim denkt: Das Publikum liegt mir zu Füßen, genießt den eigenen Auftritt.
Wenn Sie nicht in diese Kategorie von Bühnenmenschen gehören, dann begehen Sie nicht den Fehler, sich vorzunehmen, diametral gegensätzlich zu wirken zu dem, wie Sie sich im Moment des Auftritts wirklich fühlen. Zumindest nicht, wenn Ihnen die Schauspielerei zusätzlichen Leistungs-Stress verursacht. Das führt dann schnell zu den berühmten Momenten, in denen auf der Bühne jemand krampfhaft lacht und alle voller Fremdscham denken: Der würde am Liebsten im Boden versinken.

Nehmen Sie sich deshalb stattdessen vor, eine Haltung auf der Bühne einzunehmen, die Sie sich selber abkaufen und die Sie gleichzeitig charmant wirken lässt. Also etwa so: Wenn auf der Bühne die Technik streikt, dann ärgere ich mich nicht vor allen Leuten, sondern belächele es als tragisch-komisch: „Ausgerechnet jetzt“.

Wenn mir während meines Vortrags zu heiß wird, tue ich nicht so, als sei alles normal, sondern bitte jemanden, die Fenster zu öffnen. Wenn mich in einer Diskussionsrunde jemand unterbricht, fahre ich nicht eingeschnappt hoch („Jetzt lassen Sie mich gefälligst ausreden, ich habe Sie auch ausreden lassen!“), sondern wähle subtile Kritik („Lassen Sie mich eins noch sagen. Das dürfte Sie auch interessieren“). Innere Haltung: Spaß an der bescheidenen Eleganz.

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Ihre vorab festgelegte innere Haltung (etwa für Angstmomente wie Pannen) ist dann vorbereitet, verinnerlicht und deshalb echt. Also kein unechtes Theater, das Ihnen zusätzlich Energie raubt. Sie können dann so sein, wie Sie dank Ihrer Überlegungen im Vorfeld jetzt wirklich drauf sind.

Tipp 3: Entzaubern Sie den rhetorischen Dampfhammer auf der Metaebene

Starke Mitdiskutanten etwa auf Panel-Talks sind sich ihrer rhetorischen Fertigkeiten bewusst und spielen sie nach Lust und Laune aus. Da erläutern Sie, warum eine Reduzierung von Zucker in Softdrinks Kinder vor Fettleibigkeit schützen würde, da schlägt Ihr Kontrahent mit einem starken Claim zurück: „Entmündigte Eltern sind schlechtere Eltern“.

Alle zwei, drei Minuten schlagen rhetorische Wellenbrecher Ihre Argumente in den Wind. Aber Ihnen selber fallen solche knackigen Thesen nicht ein. Aber jetzt kommen Sie: Gehen Sie auf die Metaebene und reden Sie über das Reden. Sagen Sie: „Ihre Sprüche sind eingängig. Dass muss ich Ihnen lassen. Sie sind ein starker Rhetoriker. Aber wir müssen uns eben die Zeit nehmen, die Fakten anzuhören und zu bewerten. Und die Fakten habe ich parat.“ Denken Sie es nicht nur, sondern sagen Sie: „Sie sind sehr schlagfertig, aber ich würde mich freuen, wenn Sie auf meinen Standpunkt eingehen würden.

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Also: Nehmen Sie die Rolle des ruhigen Fakten-Nerds an. Und positionieren Sie den anderen im Bereich Rhetorik. Denn wenn man über Rhetorik spricht und es in den Gegensatz zu den trockenen Fakten setzt, würden wohl alle (selbst die, die sich von Schlagworten gerne mitreißen lassen) bei bewusstem Überlegen wohl dem Fakten-Nerd die größere Kompetenz zusprechen. Also keine Hemmungen, Sie Fakten-Nerd! Das ist ein Kompliment.

Und deshalb dürfen Sie sich auch das Folgende leisten:

Tipp 4: Gönnen Sie den rhetorischen Assen die Show

Seien Sie nicht von der Sprechkunst derer genervt, denen Sie in Wirklichkeit gerne nacheifern würden. Wenn Sie klar gemacht haben, wie Sie eigentlich drauf sind (Tipp 1), wenn Sie eine standsichere eigene Haltung für Ihren Auftritt erdacht haben (Tipp 2), wenn Sie den rhetorisch Starken neben Ihnen als solchen ausgezeichnet haben (Tipp 3), dann dürfen Sie sich auch erlauben, den Rampensäuen ihren Auftritt genießen zu lassen. Jeder Mensch ist anders.

In Talkrunden wie etwa der von Maybrit Illner donnerstags im ZDF sitzen oft Berufspolitiker mit langer Berufserfahrung neben „Einordnern“, also Gästen, die mit ihrer speziellen Sachkompetenz das komplizierte Thema sachlich auf den Punkt bringen sollen. Motto: Wie ist denn nun wirklich die aktuelle Lage (mit den Viren, mit der Inflation, mit den Gas-Heizungen)?

Dort treffen Wählerstimmenwerber (meine ich anerkennend) auf Faktenschleudern (meine ich ebenfalls anerkennend). Und beide Gruppen haben ihre eigene Rhetorik. Auffallend ist: Wer die Fakten für sich qua Amt oder Auszeichnungen im betroffenen Forschungsgebiet gepachtet zu haben scheint, tritt oft trocken, ohne (sichtbare) Allüren, kurz und knackig auf. Wer hier schüchtern, introvertiert oder kontaktscheu ist, wäre in dieser Rolle genau in seinem/ihrem Element.

Wenn Ihnen also das Nacheifern in rhetorischen Fertigkeiten im Moment des Auftritts zu viel Kopfzerbrechen bereiten könnte, dann arbeiten Sie im Vorfeld wieder an Ihrer Haltung: Meine Stärken machen mich stark. Sagen, wie Sie ticken. Ihre Bühnenhaltung vorab überdenken. Die Rhetorik der anderen auf der Metaebene ansprechen. Und den „Rampensäuen“ den Moment gönnen. So treten Sie als echtes, entspanntes Ich vor Ihr Publikum. Ob im Konferenzraum, auf dem Podium der Stadthalle oder in der Fernsehshow.

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Und wenn Sie als schüchterner Mensch erst einmal diese Ihre eigene Linie verinnerlicht, geprobt und als gut empfunden haben, dann können Sie sich dran machen, in aller Ruhe rhetorischen Feinschliff zu lernen.

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