Karriereleiter

So kontern Sie miese Unterstellungen

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Das Problem mit der Glaubwürdigkeit

Schwierig wird es, wenn die unterstellten Beweggründe kaum wegzudiskutieren sind. Denken wir an den Vorschlag der Grünen einst, einen Tag pro Woche kein Fleisch in den Kantinen Deutschlands anzubieten: der Veggie-Day. Bekanntlich war diese Idee in Wahlkampfzeiten ein Schuss in den Ofen. Prompt kam denn auch FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle mit dem rhetorischen „Wo kommen wir denn da hin?“-Trick an: „Was kommt als nächstes? Jute-Day, Bike-Day?“

Der Vorwurf: Öko-Polizei. Die Grünen wollen uns am liebsten ihr Weltbild aufstülpen.

Umweltschutz und gesunde Ernährung war in eine einzige Zumutung umgemünzt geworden.


Dabei waren die Beweggründe der Grünen ja eigentlich sympathisch. Wie haben die Grünen versucht, dieses Kommunikations-Desaster einzufangen? „Man muss nicht jeden Tag zwei Burger essen“, sagte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt anfangs noch. Mit anderen Worten: Wir sagen euch, was sein muss und was nicht. Diese Aussage unterstrich die Weltbild-Aufstülp-Befürchtung nur noch zusätzlich.

Dann schnell Renate Künast: „Es wird ja niemandem etwas verboten.“ Das war nicht sonderlich glaubwürdig. Denn für freiwillige Initiativen der Kantinen-Betreiber braucht es nicht die Einmischung der Bundespolitik.

Was hätten die Grünen gegen die politische Panne tun sollen?

Gemäß dem ersten Punkt unserer Unterstellungs-Konter-Formel hätten alle Warnlampen angehen müssen. Ja, die Vorwürfe der Konkurrenz drängten sich förmlich auf: Bevormundung! Man sah förmlich vor seinem geistigen Auge, wie in der Kantine das Schild mit der Aufschrift Schnitzel mit roter Kreide dick durchgestrichen worden war.

Gemäß dem zweiten Punkt hätte die Partei ihren Ansatz beherzt rumreißen können. Weg von einem eingeschränkten Kantinen-Angebot hin zu einem sogar attraktiveren Angebot dank fleischloser Gerichte. Damit die Vorteile der Idee die Mittel überragen.

„Wenn das vegetarische Angebot so attraktiv wird, dass es die Fleischgerichte überflügelt, dann verzichtet doch jeder gerne freiwillig auf Fleisch. Verbote nicht nötig.“ Zack! Die Öko-Polizei als nette Freunde und Helfer mit Lust auf Neues.

Eine Medienlawine mit nachgelieferten Standpunkten wieder abzubremsen, ist natürlich weitaus vertrackter, als in einer Diskussionsrunde umzusteuern. Wäre die Veggie-Day-Debatte auf eine Fernsehrunde beschränkt gewesen, hätte der in die Enge getriebene Grünen-Vertreter aber gut kontern können: „Wenn wir uns denn zumindest einig sind, dass weniger Fleisch besser wäre, was schlagen Sie denn vor, um umzusteuern?“

Hier auf Gleis 1 hätten die Chancen nicht schlecht gestanden, die Konkurrenz spontan mit leeren Händen zu erwischen.

Mit der Anti-Unterstellungs-Formel kommen wir auch im Alltag gut weiter. Denken wir an die Beispiele von eben:

„Dir geht es doch nur um deine Karriere.“

Ihre mögliche Antwort: „Ich gebe zu: Würde das Fortkommen der Firma immer nur meiner Karriere schaden, wäre ich nicht mit dieser Leidenschaft dabei. Aber wenn Firmeninteressen und meine persönlichen Interessen zusammengehen, ist das doch für alle perfekt.“

„Du lädst uns doch nur zum Essen ein, damit noch vorm Urlaub der Kühlschrank leer wird.“

Antwort: „Ich könnte mir nichts besseres vorstellen, als zu Beginn meines Urlaubs mit meinen lieben Freunden den Kühlschrank leer zu fressen.“

Und am einfachsten sind natürlich die Fälle, in denen an den Unterstellungen ganz offensichtlich nichts dran ist. Im Fall des verweigerten Hundes zum Geburtstag wäre es nach dem Abendessen in einer ruhigen Minute vorm Zähneputzen bestimmt so weitergegangen: „Glaubst du wirklich, dass wir dich weniger lieb haben als Nikos Eltern ihren Sohn?“

„Nö, aber trotzdem: Ich will einen Hund!“

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