Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.
Damals, als ich noch CDs gekauft habe, da war ich immer unsicher, was ich wohl von Doppelalben halten sollte mit dem Titel „The Best of Classic Music“. Einerseits: Dieses Potpourri für 9 Mark 99 war nicht sehr stilvoll. Andererseits machte das Ganze mir Lust auf mehr, weil die Ohrwürmer wie das Dadada-Daaaaaa aus der Fünften von Beethoven - ja, einfach ins Ohr gingen.
Und so möchte ich es hier jetzt auch versuchen. Mit einem der Ohrwürmer des Persönlichkeits-Coachings.
Es gibt ja Ohrwurm-Lebensweisheiten, die einem zwischendurch einen kleinen Stups verpassen können. Sagt etwa der eine Kumpel: „Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich mitkommen soll nach Malle“, dann könnte der andere entgegnen: „Ey, komm, Alter, man lebt nur einmal, Dicker.“ Soll heißen: Die Zeit mit uns in der Clique macht dein Leben für dich schöner. Dicker.
Aber ich möchte hier einen anderen Leitspruch vertiefen: „Love it, change it or leave it.“ Dieser Spruch hat es wirklich in sich. Mit ihm können Sie eigenhändig Ihr Leben umkrempeln. So dass es Sie wieder zufrieden macht.
Wenn Sie das Gefühl haben: „Das Leben hat mich irgendwie im Griff und ich laufe nur noch so mit“ - dann können Sie mit „Love it, change it or leave it“ aus eigener Kraft eine motivierende neue Sicht auf die Dinge einnehmen. Klingt sehr simpel, aber die Auswirkungen können dramatisch sein. Im guten Sinne.
Was Experten raten, wie Sie das Wohlbefinden im Arbeitsalltag steigern und den Stress reduzieren
Oliver Haas, Gründer von corporate happiness hat bei der Beratung einer deutschen Hotelkette folgendes erlebt: „Ein Koch war mit seiner Arbeit immer unzufriedener. Er nahm sich Zeit für eine Selbstreflektion und kam zu dem Schluss, dass der Beruf eher Wunsch seines Vaters war und er sich viel lieber mit Zahlen und Tabellen befasst. Nun ist solche eine Erkenntnis Risiko und Chance zugleich. Er fasste sich ein Herz und sprach seinen Geschäftsführer an. Dieser verstand sofort, dass er den Koch, nicht aber den Mitarbeiter verlor. Beide wagten auch ohne Berufserfahrung den Versuch, eine Position im Controlling zu besetzen. Heute ist er Chef-Controller und er und sein Unternehmen haben profitiert."
Gina Schöler ist die Gründerin des Ministeriums für Glück und Wohlbefinden. Sie rät: „Alles auf einmal ist einfach keine gute Strategie. Was hilft? Atmen. Innehalten. Pausen-Taste drücken und sich überlegen, was Priorität hat. Und dann: Eins nach dem anderen. Dann wird das E-Mail-Fach abgeschaltet, bis der Artikel geschrieben ist. Das Telefon stumm gestellt, bis der Workshop fertig ist und das Interview so gelegt, dass der Hund (und man selbst!) an die frischen Luft kommt. So einfach und so effektiv! Und doch muss man sich regelmäßig immer wieder selbst daran erinnern“.
Kai Ludwigs, Direktor der Happiness Research Organisation, einem unabhängigen Forschungsinstitut zur Messung von subjektivem Wohlbefinden und Glück, rät: „Viele Menschen haben in beruflichen Stresssituationen den Eindruck, dass sie noch häufiger ihre E-Mails checken müssen, noch erreichbarer sein müssen. Dies führt zu zusätzlichem Stress und somit häufig zu schlechteren Entscheidungen. Derzeit machen wir ein Experiment mit Arbeitnehmern in dem eine Gruppe ihre E-Mails nur am Arbeitsplatz lesen darf und nicht zu Hause oder auf dem Weg zur Arbeit. Wir gehen davon aus, dass sich hierdurch das allgemeine Wohlbefinden 0,3 bis 0,5 Punkte auf einer 0-10er Glücksskala steigern lässt und das Stresslevel sinken wird.“
Dorette Segschneider ist Führungskräftecoach und berichtet aus ihrer Praxis: „Die täglichen - scheinbar endlosen - Fahrten haben Anna als Vorstand eines Unternehmerverbandes in den Burnout getrieben. Zu ihrem Business gehörten zwischen 200 bis 500 Kilometer Fahrtstrecke täglich. Vor allem die Sinnlosigkeit der Zeit, die sie im Auto verbrachte, nagte an ihrem Innenleben. Die Lösung war einfach und effektiv: Das Erlernen einer neuen Sprache während der Fahrten - in ihrem Fall Spanisch. Am Anfang hörte sie ausschließlich Grammatik-Einheiten und inzwischen auch leichte Hörbücher. Zur Entspannung dann spanische Lieder. Die Erfolgserlebnisse, die sie beim Sprachen lernen hatte, brachten ihr zusätzliche Motivation für den ganzen Tag.“
Pia Michel und Justine Lagiewka von Good Work Good Life berichten von einer Erfahrung als Führungskräfte-Coaches: „Matthias ist Einkaufsleiter eines großen Lebensmittelkonzerns und kam zu uns, da er mit seinem Job sehr unzufrieden war. Erschwert wurde seine Situation dadurch, dass seine Chefin ihn „auf dem Kieker“ hatte.
Er hatte schon oft überlegt, was er selbst ändern könnte, doch keine zündende Idee. Unser Impuls war, gemeinsam mit anderen Personen ein Brainstorming zu machen. Das erweiterte sofort seine Perspektive und er entwickelte daraufhin ein innovatives Konzept zur Zusammenarbeit mit Lieferanten, das sich zugleich noch werbewirksam für das Unternehmen einsetzen lässt. Und aus dem unmotivierten Problemmitarbeiter wurde ein glücklicher Vorzeigemitarbeiter mit Gehaltserhöhung.“
Nachdem ich diesen Spruch in einem mehrtägigen Seminar gelernt und später immer wieder auf mein Leben angelegt hatte, entschied ich mich zum Beispiel einige Zeit später, meinen Job als festangestellter Redakteur zu kündigen, alles auf eine Karte zu setzen und meinen ersten Roman zu schreiben. Dieses befreiende Gefühl war - erst ziemlich seltsam, dann unglaublich beflügelnd. Love it, change it or leave it. Oder für unsere Ohren: Liebe es, ändere es oder verlasse es.
Spielen wir es mal durch an einem Fall, der ganz ähnlich ist zu dem eines Angestellten in der Medienbranche, den ich einst beraten habe. Nennen wir ihn Fabian; er berichtete mir von seinem Dilemma:
„Mein Leben kotzt mich sowas von an.“
„Klare Ansage, was ist?“
„Davon abgesehen, dass ich meinen Bürokollegen am liebsten durchs geschlossene Fenster auf die vierspurige Straße werfen würde: Ich komme in meiner dämlichen Firma nicht weiter. Meinen Job könnte auch ein dressierter Orang-Utan erledigen. Wenn ich nur daran denke, schnürt sich mir der Hals zu vor Frust.“
Nachdem er mir geschildert hatte, um was für Aufgaben es ging, tat mir sogar der imaginäre Orang-Utan leid. Was ihm, also Fabian, nun schlaflose Nächte bereitete: Er hatte ein Jobangebot in Hamburg. Lebte aber in Köln. Wie seine Lebensgefährtin. Nachwuchs war unterwegs und sie hatten sich dort gerade eine Wohnung gekauft. „Jetzt kann ich doch unmöglich nach Hamburg!“
Das war also die Ausgangslage. Und nun ging es los! Hier die Kurzfassung davon, wie er mit „Love it, change it or leave it“ den inneren Knoten zum Platzen brachte:
Stufe 1: Liebe es.
Manchmal reicht es aus, einfach seine Haltung zu ändern, um den Frust zu besiegen. Man arrangiert sich mit den Nachteilen und genießt die Vorteile.
„Also, deinen aktuellen Job in Köln scheinst du nicht sonderlich zu lieben.“
„Blitzmerker!“
„Danke. Gibt es denn gute Dinge an deinem Job, die die Nachteile aufwiegen? Die gute Bezahlung, der sichere Arbeitsplatz, die Nähe zur Familie?“
„Das ist alles nett. Aber der ganze Horror lässt sich nicht aufwiegen.“
Stufe 2: Ändere es.
„Okay, was würde passieren, wenn du deinen Chef darauf ansprechen würdest, dass du dich gerne weiter entwickeln möchtest?“
„Aaach, hab ich doch schon. Ganz konkret. Der hat Angst, dass ich an seinem Stuhl säge. Und der Typ mir gegenüber: Den kannst du vergessen. Schlimm!“
Seine Ausführungen ließen keinen Zweifel: Fabian hatte den Job innerlich abgeschrieben.
Stufe 3: Verlasse es.
„Ist Hamburg denn eine Alternative oder eher nicht?“
„Hä?“
„Ob Hamburg eine Alternative ist!“
„Ach so, ja, im Grunde ja. Die Bezahlung ist etwa gleich, aber ich hab da meine eigenen Projekte und würde Teamleiter von zwei Kollegen. Genau das, was ich will.“
„Na also. Und was spricht dagegen?“
„Mein Schatz, mein Kind, unsere gerade gekaufte Wohnung. Toll, ne? Das mit Hamburg kann ich nicht bringen! Kathi in Köln während der Woche alleine lassen? Nä!“
Und jetzt wird es spannend und das Gehirn der Betroffenen fängt an zu rattern. Denn wer sein Leben selber zum Besseren wenden will, muss nach dem hier besprochenen Prinzip nunmal eine der drei Karten ziehen: lieben, verändern oder verlassen. Wer wie hier Fabian alles ablehnt, kommt nicht weiter und liefert sich den Gegebenheiten aus. Und bleibt unglücklich.
Also zurück zu Stufe 1: „Wirst du dich dann deiner Familie zuliebe so mit dem alten Job arrangieren können, dass du morgens mit einem Lächeln aufstehen kannst?“
„Never! Bei aller Liebe.“
„Dann wird dein Frust also bleiben. Wie wird sich das auf dein Privatleben auswirken?“
„Wahrscheinlich geh ich meiner Familie dann ganz schön auf den Keks.“
Auf Stufe 1 war also nichts zu holen.
Auf Stufe 2 auch nicht. Denn es ließ sich ja nach Fabians fester Überzeugung nichts verbessern.
Stufe 3: Ich fragte nach Alternativen zu Hamburg. Fabian kaute versonnen auf dem Kulli und grübelte: „Erstens: Einfach kündigen. Aber wir brauchen die Kohle. Zweitens: Bewerbungsmarathon starten. Aber die Chance, dass ich sowas wie in Hamburg auch in Köln finde, ist sehr, sehr unwahrscheinlich, sag ich dir, Freundchen.“
Fabian kaute in den Tagen und Wochen und Monaten danach wohl noch mehrere Kullis flach. (Und Kathi sicher auch.) Am Ende stand für ihn das Ergebnis: Karte 3 musste gezogen werden. Verlassen! Den Job in Hamburg sagte er zwar ab. Doch die Rettung war die Elternzeit einige Monate später. In dieser Zeit suchte er sich in Ruhe und mit Abstand zum alten Job einen neuen in Köln. Und fand ihn auch. Etwas schlechter bezahlt in einer kleinen Firma, aber mit Projekt-Verantwortung und Aufstiegsperspektive. Er war glücklich. Er hatte die quälende Hamburg-Zwickmühle als Initialzündung genutzt, sein Leben in die Hand zu nehmen und das Ruder selber rumzureißen.
Und wenn Sie sich sagen: Der hat´s gut - Sie können das auch! Nehmen Sie das Heft wieder in die Hand und machen Sie sich klar, dass es bei Ihren Problemen immer drei Möglichkeiten gibt, sie anzugehen:
1. Ändern Sie Ihre Einstellung und arrangieren Sie sich mit dem, wie es ist.
2. Wenn Ihnen das nicht akzeptabel erscheint, dann ändern Sie selbst die Situation. Stoßen Sie neue Prozesse an, besprechen Sie Konflikte mit Ihren Mitmenschen. Und wenn das nichts bringt, dann:
3. Hauen Sie ab und planen Sie einen neuen Start irgendwo anders.
Dieser dreistufige Entscheidungsprozess passt im Job, in der Beziehung (wo sich viel auf Stufe 2 verbessern lässt), in der Familie, in der Freizeit, Ernährung und so weiter. Wir sind nicht die Opfer der Umstände, sondern die Umstände sind Teil unseres Lebens, dessen Weichen wir selber stellen können. Wenn wir das wollen.
Spielen Sie es mal durch. Wie gesagt: Wir leben nur einmal. Und es macht Spaß, Chef im eigenen Leben zu sein.