Karriereleiter
Zwei Männer gehen Arm in Arm und schütteln sich die Hand. Quelle: imago images

Überzeugen: So setzen Profis Sympathie als Werkzeug ein

Dass wir lieber mit Menschen Geschäfte machen, die uns sympathisch sind, ist nicht überraschend. Aber wo uns Profis überall mit dem Mittel der Sympathie ködern, ist erstaunlich. Seien Sie gewarnt und inspiriert zugleich.

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Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.

Zwei Situationen. In der einen war ich Opfer der Sympathie. In der anderen Täter.

Das erste Erlebnis spielte sich vor einigen Jahren in der Wohnung eines Kollegen ab. Nennen wir ihn Stefan. Er hatte sich in Bangkok von einem aus Indien stammenden Schneider ein paar Hemden auf den Leib schneidern lassen. Obendrein ließ er sich von ihm überzeugen, dass es eine gute Idee sei, in Köln einen gemütlichen Abend mit Freunden zu veranstalten, an dem es zum einen Kölsch zu trinken und zum anderen maßgeschneiderte Hemden zu bestellen geben würde. Denn: Der Schneider war in jenen Wochen auf Europatournee.

Ich war einer der Gäste in seiner Wohnung. Und da saßen wir auf der Couch: Vier oder fünf Kollegen und Freunde um den Couchtisch herum, auf dem ein paar Käsewürfel, Salzstangen, Minisalamis und einige Biere standen. Uns gegenüber saßen auf Küchenstühlen unser Gastgeber Stefan und zwei Schneider mit Turban.

Ich hatte meinen Kollegen noch vorgewarnt: „Ich brauche zwar keine neuen Hemden. Aber ich komme gerne und gucke mir das mal an.“ Am Ende des Abends hatte ich doch tatsächlich einen weißen Maßanzug aus sommerlicher Seide bestellt. Und dabei hatte ich kaum Kölsch.

Ich habe den Anzug später nicht auch nur ein einziges Mal getragen. Ich habe ja schließlich keine Segeljacht. Was war nur in mich gefahren?

Wer diese Kolumne regelmäßig liest, ahnt vielleicht schon: An diesem Abend lief aus Sicht eines Verkäufers vieles genau richtig.

1. Es gab vorab etwas geschenkt, nämlich das Essen und das Bier. Da zeigt man sich als Beschenkter im Gegenzug auch gerne großzügig und kauft.

2. Die anderen Gäste haben auch Hemden und Anzüge bestellt. Und wenn andere die Gunst der Stunde nutzen, kann es doch kein Fehler sein, auch zuzuschlagen. Außerdem, so hieß es an dem Abend, sei die nächste Station der Schneider angeblich ein großer Autohersteller aus Schweden. Und wer sichere Autos von Weltrang baut, wird doch bei Hemden und Sakkos nicht komplett daneben liegen.

3. Meine Anwesenheit war (trotz aller Vorwarnung unter vier Augen) wie ein Bekenntnis in der Gruppe, an einem Kauf interessiert zu sein. Konsistent war mein Verhalten deshalb nur, wenn ich auf einer Verkaufsveranstaltung auch etwas erwerben würde. Nichts zu kaufen, hätte meine Anwesenheit ad absurdum geführt. Und solch inkonsistentes Verhalten versuchen wir sogar intuitiv zu vermeiden.

4. Mein Kollege war mir einfach sympathisch. Er war ein zuverlässiger Medienanalyst mit einem cleveren Humor, mit dem ich schon so manche Fahrt zur Arbeit gemeinsam im Bus verbracht hatte. Und schließlich war er es, der die Verkaufsparty schmiss. Dass er schon in Thailand gute Erfahrungen mit den Schneidern gemacht hatte, ließ meine Zurückhaltung vollends zerschmelzen.

Letztendlich war es mein Vertrauen zu Stefan, das mich weich und die Schneider reich gemacht hat. Naja, zumindest ein bisschen reicher.

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