
Es ist ein sonniger Nachmittag im August 1982, als die schwarzhaarige Frau auf dem John-F.-Kennedy-Flughafen in New York ankommt. Sie ist noch etwas benommen nach der 24-Stunden-Reise von Neu Delhi über Abu Dhabi, Rom und London in die USA. Immerhin ist es die erste internationale Reise der 22-jährigen Inderin.
Viel hat Padmasree Warrior, die alle nur Padma nennen, nicht dabei: einen Koffer mit ein paar Kleidungsstücken und einigen Familienfotos; außerdem ihren Pass mit Studentenvisum und Dokumenten der Elite-Universität Cornell in Ithaca bei New York, die bescheinigen, dass sie für ein Studium der Werkstofftechnik angenommen ist. Finanziert wird ihr Aufenthalt von einer Stiftung des US-Ölkonzerns Exxon.
Ein Rückflugticket hat sie nicht. Für sie ist klar, dass sie bleiben wird. Aber selbst wenn es anders wäre – ihre Familie könnte sich den Rückflug ohnehin nicht leisten: Nur 100 Dollar für den Start hat sie dabei. Ein Vermögen für ihre Eltern, den Rechtsanwalt und die Mathelehrerin aus dem indischen Bundesstaat Andhra Pradesh.





Die Technik-Visionärin
Drei Jahrzehnte später ist Padma Warrior eine der einflussreichsten Managerinnen der USA. Als Strategie- und Technikchefin des US-Netzwerkgiganten Cisco aus San Jose im Silicon Valley prägt sie entscheidend mit, wie sich das Internet in den nächsten Jahren entwickeln wird. „Padma ist eine Technik-Visionärin, geschätzt in ihrer Branche und eine starke Führungskraft mit geschäftlichem Gespür“, lobt Cisco-Vorstandschef John Chambers.
Doch ihr Weg ist noch lange nicht zu Ende. Warrior werden mittlerweile sogar gute Chancen zugesprochen, den CEO Chambers an der Konzernspitze zu beerben. Sie wäre dann neben HP-Chefin Meg Whitman und Yahoo-Lenkerin Marissa Mayer eine weitere weibliche Führungskraft im Olymp der High-Tech-Industrie.
Aber auch ohne CEO-Titel ist die besonnen und zurückhaltend auftretende Strategin schon präsent: Das US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ zählt sie zu den 100 einflussreichsten Frauen der Welt.
Ihre Karriere zeigt, wie intakt der amerikanische Traum vom Aufstieg aus einfachsten Verhältnissen an die Spitze immer noch ist. Dabei wurde das zuletzt oft angezweifelt; vor allem die zu hohen Studiengebühren, so hieß es, würden den Aufstieg verhindern. Warrior ist das Gegenbeispiel.
Bildung ist das Fundament ihres Aufstiegs. Ihr Studium an der indischen Elite-Universität Indian Institute of Technology in Delhi schloss sie als eine der Jahrgangsbesten ab. Dabei gilt es schon als Erfolg, an der prestigeträchtigen Hochschule überhaupt genommen zu werden.
In ihrem Jahrgang war sie unter 250 Mitstudenten eine von fünf Frauen. Zu drei ihrer Kommilitoninnen hat sie noch immer Kontakt, zwei davon haben ebenfalls in den USA Karriere gemacht. „Wir haben schnell verstanden, wie wichtig ein persönliches Netzwerk ist“, erinnert sich Warrior. Damals ahnte sie aber noch nicht, wie beherrschend das Thema Netzwerke für ihr Leben einmal sein würde – nicht nur die informellen, sondern vor allem die physikalischen: Denn Netzwerke sind das Kerngeschäft von Cisco.