Konferenzwahn Endlich Schluss mit öden Meetings

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Zu Besprechungen einladen, wer unbedingt nötig ist

Auch muss vorher schon geklärt werden, wer welche Befugnisse und Kompetenzen hat, damit Entscheidungen sofort getroffen werden können. „Ansonsten entwickelt sich eine regelrechte Spirale“, sagt Annegret Bolte, Arbeits- und Organisationssoziologin am Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung München. „Am Ende verlassen die Beteiligten den Besprechungsraum mit alten Problemen statt mit neuen Lösungen.“

Effizienter können Meetings auch werden, indem Mitarbeiter nur dann anwesend sein müssen, wenn wirklich Themen ihres Bereichs diskutiert werden – und sie die Besprechung anschließend wieder verlassen. Doch dieses vermeintlich simple Umdenken fällt Unternehmen schwer, weiß Wirtschaftspsychologe Florian Becker, Professor für Kommunikation und Organisationspsychologie an der Hochschule Rosenheim: „Dabei gibt es nichts Langweiligeres und Ineffizienteres als in Besprechungen zu sitzen, die einen nicht mal betreffen.“

So sieht ein inspirierendes Arbeitsumfeld aus
Erlebnisspielplatz bei Google Quelle: Presse
Das Adidas Headquarter in Herzogenaurach Quelle: Presse
Amsterdamer Büro von Booking.com Quelle: Presse
Spielbereich bei Lego Quelle: Presse
VW-Bus-Zelt bei Facebook Quelle: Presse
Blick in das Goodgame Studios Büro Quelle: Presse
Gewächshaus im Büro von Travelbird Quelle: Presse

2. Schwänz doch mal

In vielen deutschen Unternehmen gehört es zur Kultur, lieber alle als einen zu wenig zur Sitzung einzuladen. Die Folge: Häufig sitzen darin mehrere Mitarbeiter mit dem gleichen fachlichen Hintergrund statt eines Abgesandten.

Die Lösung: Sagen Sie Besprechungstermine rigoros ab, wenn Sie nicht zwingend anwesend sein müssen. Auch deshalb, weil homogene Gruppen oft jedes kleinste Detail ausdiskutieren – häufig auf Kosten der anderen Teilnehmer, die das Thema gar nicht betrifft. „Das hemmt die Produktivität bei einer Entscheidungsfindung enorm“, sagt Becker. „Hier bräuchte man eigentlich eine möglichst heterogene Gruppe.“

Landet eine Einladung im Postfach, fragen Sie sich vorher ehrlich: Wenn ich nicht da bin, findet das Meeting trotzdem statt? Wie groß ist mein Nutzen? Und was kann ich beitragen? „Man muss sich von dem blinden Gehorsam befreien, immer überall dabei sein zu müssen“, sagt Becker. „Und auch die Chefs sollten sich klarmachen: Ein Mitarbeiter, der kein Meeting verpasst, ist nicht automatisch fleißiger als einer, der auch mal absagt.“

3. Strammstehen statt sitzen

Der Managementprofessor Allen Bluedorn von der Universität von Missouri fand bereits im Jahr 1999 heraus, wie Vorgesetzte Besprechungen verkürzen können. Das Geheimnis ist denkbar einfach: stehen statt sitzen. Klingt ungemütlich? Soll es auch sein.

An Bluedorns Experiment nahmen 555 Studenten teil. In Fünfergruppen sollten sie entscheiden, welche 15 Gegenstände nach einer Landung auf dem Mond für das Überleben essenziell sind. Zuvor hatten Astronauten die Gegenstände nach ihrer Notwendigkeit bewertet. So konnte Bluedorn die Qualität der Gruppenentscheidungen miteinander vergleichen. Ein Teil der Probanden sollte sich während der Diskussion hinsetzen, der andere Teil musste sich im Stehen beraten.

Kurios: Die sitzenden Teilnehmer gingen fest davon aus, die zur Verfügung stehenden Informationen und Argumente besser ausgetauscht zu haben. Allerdings brauchten sie auch deutlich länger. Die Steh-Meetings waren um 34 Prozent kürzer. Aber nicht nur das: Die stehenden Gruppen kamen sogar zu besseren Ergebnissen.

Diese Erkenntnis sollten sich Unternehmen zunutze machen, rät Sozialpsychologe Rolf van Dick von der Goethe Universität Frankfurt. Er vergleicht das Meeting im Stehen mit einer kurzen Lagebesprechung beim Militär. „Natürlich ist es im Sitzen gemütlicher“, sagt van Dick. „Doch dadurch beißt man sich gerne an einzelnen Punkten fest.“ Die Besprechung im Stehen eignet sich vor allem für ein Abteilungsmeeting mit nicht mehr als zwölf Leuten – und sollte nicht länger als eine halbe Stunde dauern.

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