Die Forderung nach Demokratisierung und Partizipation in Unternehmen könnte sich zum medialen Lieblingskind entwickeln. Egal, ob auf Konferenzen oder in Interviews: Alles spricht – wie schon der amerikanische Managementtheoretiker Tom Peters vor mehr als 20 Jahren in seiner Publikation „Liberation Management“ – von dieser schönen neuen Welt, in die sich auch die jungen Menschen einbringen dürfen und die ein Stück besser wird.
Einem derartigen Hype kann man schwer widersprechen. Trotzdem: Was aber steckt eigentlich genau hinter dieser Forderung?
Zur Person
Scholz, 62, leitet den Lehrstuhl für BWL mit Schwerpunkt Organisation, Personal- und Informationsmanagement an der Universität des Saarlandes und ist Autor diverser Fachbücher, zuletzt "Generation Z" (Wiley).
Zunächst ist bemerkenswert, wer da so lautstark nach Demokratisierung ruft: Es sind primär Vertreter der Generation Babyboomer. Aktuelles Beispiel: Thomas Sattelberger. Der Ex-Personalvorstand bei der Deutschen Telekom und beim Technologiekonzern Continental, zuvor in Diensten der Deutschen Lufthansa und beim Autobauer Daimler, hatte mehr als 30 Berufsjahre bei vier Unternehmen Zeit, Demokratisierungsprozesse einzuführen. Aber erst jetzt, wo es ihn nicht mehr betrifft, kommen seine publikumswirksamen Forderungen. Wenn er, wie jüngst in einem Gespräch mit der WirtschaftsWoche etwa davon spricht, „wir müssen unsere Innovationsfähigkeit dringend stimulieren“. Damit aber meint: Die anderen müssen es tun.
Auf der anderen Seite stehen diejenigen, für die der ganze Zauber entwickelt wird, nämlich die Generation der ab Anfang der Neunzigerjahre geborenen Jugendlichen. Sie kommen teilweise gerade aus der (Hoch-)Schule und fangen an, sich im Berufsleben einzuleben – die viel zitierte Generation Z.
Sicherlich möchte diese Generation Z Mitsprache. Sie will aber – und da sind sich die meisten Studien einig – definitiv keine Mitverantwortung: Es lohnt aus ihrer Sicht nicht, sich für Unternehmen einzusetzen, die im Zweifelsfall relativ schnell Mitarbeiter auf die Straße setzen – egal, wie loyal sich diese Mitarbeiter fühlen und verhalten. Aber: Demokratie und Partizipation bedeuten mehr als gemütlich bei einer Tasse Tee ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie man sich die Leistung anderer vorstellt. Ohne echte und auch mit finanziellen Konsequenzen belegte Übernahme von Verantwortung macht Mitsprache keinen Sinn.
Die Liquid Democracy bleibt auch bei der Generation Z ein Märchen
Mitsprache bedeutet letztlich auch Kommunikation. Nur möchte die Generation Z in ihrer extremen Orientierung an Gleichaltrigen am liebsten völlig unter sich bleiben. Sie sieht weder die Generation der Babyboomer noch Vertreter der Generation Y als relevante Gesprächspartner an. Kaum eine andere Generation ist so fokussiert auf sich und so wenig bereit, sich mit anderen Generationen einzulassen.
Der Grund: Aus Sicht der Generation Z entwickelt sich über ihnen eine Schicht mit ganz eigenen (Versorgungs-)Regeln, die – wiederum zum Schutz dieser Privilegien – Jugendliche öffentlichkeitswirksam gern als „Barbies und Kens“ verurteilt, wenn diese etwas vom Versorgungskuchen bekommen möchte.
Neue Managementmethoden mit flachen Hierarchien
Motivierender als klassische Seminare sind Veranstaltungen, die flache Hierarchien, Selbstorganisation und Ideenaustausch fördern.
Zu Beginn befragen sich jeweils zwei Teilnehmer gegenseitig zu einem Thema und veröffentlichen die Erkenntnisse auf einer Pinnwand. Anschließend bilden die Teilnehmer einen großen Kreis mit Pinnwänden, auf denen jeder Teilnehmer ein Thema vorschlagen kann. Dann verteilen sich die Anwesenden gemäß ihren Interessen. So entstehen Arbeitsgruppen, die anschließend die Themen vertiefen. Es gilt das „Gesetz der zwei Füße“: Wer sich langweilt, der schließt sich einer anderen Diskussion an. Am Ende stellen die Gruppen ihre Ergebnisse vor, die Zuhörer geben Feedback. Das Ziel: Aus der Diskussion soll ein konkretes Projekt entstehen.
Bei diesem Format werden nur Ort und Teilnehmer vorgegeben – Themen und Referenten ergeben sich spontan aus dem Teilnehmerkreis. Wer mag, kann einen Beitrag vorbereiten, andere referieren frei über ihr Fachgebiet, wobei sie aber nur eine Einführung geben und die anschließende Diskussion strukturieren. Da sich die vor Ort entstehende Agenda konsequent an den Interessen der Teilnehmer orientiert, wird keine Zeit verschwendet und nicht am Thema vorbei diskutiert. Es entsteht ein kritischer Dialog auf Augenhöhe, ohne starre Hierarchien.
In diesem Format, dessen Name sich vom gleichnamigen US-Paketdienst ableitet, beschäftigen sich Fachleute aus verschiedenen Bereichen einen Tag lang mit einem Thema, das außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs liegt. Die Idee: mit frischer Perspektive unbelastet von Fachexpertise über Problemstellungen nachdenken. Die Ergebnisse müssen am Ende des Tages präsentiert werden, so entstehen schnell neue Konzepte bis hin zu Prototypen.
Schließlich zur Rolle der Informationstechnologie: Ja, alles ist vernetzt und die Generation Z als eine Gruppe von Digital Natives mit Social Media auf Du und Du. Trotzdem gehört die These von demokratisierenden Prozessen, die durch das Internet ausgelöst werden, in die Welt der Märchen. Das Scheitern der Liquid Democracy bei der Piratenpartei ist vielleicht kein typisches, wohl aber ein markantes Beispiel: Technologie alleine reicht eben doch nicht.
Zudem – und das ist ebenfalls wichtig – nutzt die Generation Z die Informationstechnologie hoch selektiv: Rund um die Uhr mit privaten Kontakten, maximal acht Stunden an fünf Werktagen im beruflichen Kontext. Und das alles auf ganz klar getrennten Kanälen.
Damit scheint die Rechnung nicht nur ohne den Wirt gemacht worden zu sein, sondern auch noch ohne den zu beglückenden Gast.
Gerade deshalb – also angesichts der anstehenden Herausforderungen, die viel mit den unterschiedlichen Wertesystemen und Altersgruppen zu tun haben – brauchen wir in unserer Gesellschaft, aber genauso in jedem einzelnen Unternehmen, sehr rasch einen sehr offenen Diskurs der Generationen. Er sollte bei wechselseitigem Verstehen beginnen und könnte über stark konfliktbesetzte Verhandlungspositionen zu einem hart auszuhandelnden Kompromiss über Generationen führen.
Notwendig, ja unabdingbar – und letztlich viel steiniger als huldvolle Forderungen nach Demokratie und Partizipation bei anderen.