KPMG-Studie Corona hat die Sicht von CEOs radikal verändert

Talente finden und halten - durch die Coronakrise hat das für viele CEOs höchste Priorität. Quelle: imago images

Und plötzlich denkt keiner mehr ans Klima: Eine CEO-Befragung der Beratung KPMG zeigt, wie grundlegend die Pandemie die Prioritäten in Deutschlands Chefetagen verschoben hat – und warum das für die Mitarbeiter gar nicht mal so schlecht sein dürfte.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Vor einigen Monaten sorgten sich die Chefs der größten Unternehmen der Welt noch um die Folgen des Klimawandels für ihre Geschäfte, um erstarkende Territorialität mit Zollschranken und Einfuhrbeschränkungen und um Cyberterrorismus. So gaben es die 1300 Befragten Anfang des Jahres in der jährlichen Umfrage „CEO Outlook“ von KMPG zu Protokoll. Mehr als jeder Fünfte (22 Prozent) erachtete den Klimawandel als größtes Risiko, 19 Prozent Abschottungstendenzen und 15 Prozent die Gefahr durch Hacker.

Gut sechs Monate und eine Pandemie später haben sich die Parameter nun grundsätzlich verschoben. In einer zusätzlichen Befragung von Anfang Juli bis Anfang August holten die Macher des CEO Outlook 2020 erneut ein Stimmungsbild bei 315 Befragten ein, um Verschiebungen in Folge der Coronakrise feststellen zu können. Vom Klimawandel ist plötzlich kaum noch die Rede. Stattdessen die größte Sorge der CEOs: Qualifizierte Mitarbeiter werben und halten zu können. Noch zu Beginn des Jahres war dieser Faktor nur von einem Prozent aller Befragten als Problem gesehen worden, nun beschäftigt es 21 Prozent der Manager. Damit steht die Sorge um ausreichend qualifizierte Mitarbeiter jetzt vor der um sichere Lieferketten (18 Prozent) und dem Klimawandel (12 Prozent).

Ein beispielloser Schwenk, meint Angelika Huber-Straßer, Bereichsvorständin von KPMG Deutschland. „Auf dem CEO-Level hat eine Veränderung im Denken stattgefunden. Die weicheren Themen wie Führung ohne Hierarchie, Purpose und die Beschleunigung der Digitalisierung haben eine größere Bedeutung gewonnen. Und dafür braucht es auch eine neue Art von Mitarbeitern, Leute mit hoher Resilienz und hoher Agilität“, sagt sie. Auch wenn diese Trends nicht neu seien, so hätte die Coronapandemie wie ein „Brandbeschleuniger“ gewirkt.



Beim Personal perfekt aufgestellt zu sein, erachten die Unternehmenslenker jetzt als den entscheidenden Faktor, um gut durch diese und mögliche zukünftige Krisen zu kommen. „Echte Talente gibt es nicht zu Tausenden am Markt, deshalb wollen sich Unternehmen diese sichern, auch weil davon das wirtschaftliche Überleben abhängt“, sagt Huber-Straßer. Gleichzeitig sei durch die Erkenntnis, dass Mitarbeiter auch aus der Ferne tätig sein können, der Konkurrenzkampf neu entfacht – Wettbewerber in anderen Weltregionen könnten so auf einmal auch Konkurrenten werden bei der Frage, wo die gefragten Talente anheuern.

Der Kontakt zu diesen ist ausgerechnet durch die coronabedingten Homeoffice-Phasen enger geworden. 68 Prozent der Chefs fühlen sich seither enger mit ihren Mitarbeitern verbunden. 77 Prozent wollen weiterhin digital zusammenarbeiten und kommunizieren. „Man kann sagen, dass es mehr menschelt als früher“, sagt Angelika Huber-Straßer. „Das Denken in Hierarchien ist abgebaut worden, weil die Hürden für Kontakt niedriger geworden sind. Mitarbeiter sprechen ihren CEO eher über ein Chattool an, als dass sie leibhaftig lange Flure entlanggehen und ein Büro in der Chefetage betreten.“ Auch für die Arbeitsorganisation wird das neue Miteinander nicht ohne Folgen bleiben. 69 Prozent der befragten CEOs kündigen an, die Büroflächen ihres Unternehmens zurückzufahren.

Das neue Menscheln könnte auch etwas mit dem persönlichen Erleben der Coronapandemie zu tun haben. So gaben 39 Prozent an, sie selbst oder jemand in ihrer Familie sei von Covid-19 betroffen gewesen. 55 Prozent änderten deshalb ihre Strategie in der Krise. Unter anderem verzichteten 63 Prozent auf einen Teil ihres Gehalts, 46 Prozent auf einen Teil ihrer künftigen Boni. 31 Prozent beschlossen, einen Teil ihres Gehalts zu wohltätigen Zwecken zu spenden.

Klimawandel keine Priorität mehr?


Das interessiert WiWo-Leser heute besonders


Douglas ist kein Einzelfall

So schummels sich Ikea, Karstadt & Co. am Lockdown vorbei


„Doppelt so lang schwätzen, halb so viel verdienen“

Warum VW-Händler keine E-Autos verkaufen wollen


Curevac-Gründer Ingmar Hoerr

„Ich dachte, der KGB hätte mich entführt“


Was heute wichtig ist, lesen Sie hier



Verlierer der Pandemie ist bei den CEOs hingegen der Klimaschutz. Anfang des Jahres noch für 22 Prozent größtes Geschäftsrisiko, fällt das Thema auf den vierten Platz zurück mit 12 Prozent. „Anfang 2020 war das Thema zum ersten Mal auf Platz eins gerückt“, erläutert Huber-Straßer, die den Abstieg nicht allzu negativ bewerten will: „Deshalb kann man sagen, dass Klimaschutz endgültig bei den CEOs angekommen ist – auch wenn das Thema gerade wieder durch die aktuellen Ereignisse überlagert wird.“ Treiber müsse dabei nicht einmal persönliche Überzeugung von der Notwendigkeit des Klimaschutzes an sich sein. „CEOs erkennen, dass ihr Unternehmen sich hier positionieren muss, weil nur dann ihr Geschäftsmodell langfristig funktionieren kann. Kunden schauen darauf, es gibt neue regulatorische Vorgaben etwa in der Automobilbranche und der gesellschaftliche Druck insgesamt steigt.“

Interessant ist auch die völlig zwiespältige Wahrnehmung der CEOs auf die Krise als ganzes und ihr eigenes Unternehmen. So viele Sorgen sie sich um Gesellschaft und Volkswirtschaft machen, so optimistisch sind die meisten, was den eigenen Konzern angeht. Anfang 2020 waren davon 84 Prozent überzeugt, dass ihr Unternehmen wachsen werden, im Juli und August noch 67 Prozent. Gleichzeitig glauben mit heutigem Wissen aber nur noch 45 statt zuvor 74 Prozent (minus 29 Prozentpunkte) an eine positive Entwicklung in ihrem Land, 32 statt zuvor 64 Prozent (minus 32 Prozentpunkte) der Weltwirtschaft. Und selbst für die eigene Branche sind die CEOs noch pessimistischer als für ihr Unternehmen: 55 Prozent halten die Aussichten für gut, zuvor waren es 78 Prozent.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%