Langfristig im Geschäft Die fünf Erfolgs-Prinzipien dauerhaft erfolgreicher Unternehmen

Quelle: imago images

Kaum ein anderer Ökonom hat sich so tief mit dem langfristigen Erfolg von Unternehmen befasst wie Warwick-Professor Christian Stadler. Konsequent aus Fehlern zu lernen, ist ein Teil des Rezepts für dauerhaften Erfolg.

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An den Blick in fremde Wohn- und Arbeitszimmer hat sich die Welt in den vergangenen anderthalb Jahren dank Videokonferenzen zur Genüge gewöhnt. Wer jedoch bei Christian Stadler anruft, der stutzt im ersten Moment.

Es sieht anders aus als gewohnt. Kein Wunder - der Ökonom, der an der renommierten englischen Warwick Business School lehrt, meldet sich aus Nairobi. Hier verbringt der gebürtige Österreicher mit Familie gerade ein Sabbatical.

Vor einigen Jahren hatte Stadler für Aufmerksamkeit gesorgt mit einer groß angelegten Arbeit über Jahrhundertunternehmen. Die Corona-Pandemie, die seit anderthalb Jahren die Welt im Griff hat und Gesellschaft und Unternehmen viel abverlangt, konnte darin zwar noch kein Thema sein. Doch der Ökonom ist sicher, dass die Erfahrungen aus vergangenen Krisen „seinen“ Champions auch in Zeiten von Covid 19 geholfen haben dürften, mit der Pandemie zurande zukommen. In ihrer langen Geschichte haben sie schließlich Kriege, Katastrophen, Wirtschaftskrisen und auch Krankheitsausbrüche überstanden.

Unter der Lupe

Wenn sich einer mit den Gründen dafür auskennt, warum das eine Unternehmen eine Ära prägt, 100 Jahre oder gar älter wird und dabei erfolgreicher ist als seine Wettbewerber, dann ist das Stadler.

Der Wissenschaftler ist schließlich so tief wie kaum ein anderer eingetaucht in die Frage, was es braucht, um als Unternehmen langfristig Erfolg zu haben.

Sehr langfristig – gemeinsam mit dem Berater Philip Wältermann hat er in einer viel beachteten, aufwändigen Studie sogenannte „Jahrhundert-Unternehmen“ identifiziert und genau unter die Lupe genommen.

Die beiden Ökonomen nahmen sich dazu im ersten Schritt alle Unternehmen in Europa vor, die mindestens 100 Jahre alt und seit 1953 an der Börse gelistet sind. Das reichte ihnen jedoch noch nicht.

Fünf Erfolgs-Prinzipien

In einem weiteren Schritt siebten sie all jene Konzerne heraus, die deutlich höhere Renditen erwirtschafteten als die Aktienindizes Dax, Dow Jones und der britische FTSE. Daneben wühlten sich die Wissenschaftler durch Archive, sie prüften und analysierten Bilanzen, verglichen Aktienkurse. Sie sprachen mit aktuellen und ehemaligen Top-Managern. Und schließlich verglichen Stadler und Wältermann die nach diesen Kriterien erfolgreichen Unternehmen mit jenen, die weniger gut dastanden.

Das Ergebnis ihrer Fleißarbeit – gerade neun Unternehmen in Europa erfüllten ihre harten Kriterien. Stadler und Wältermann ernannten sie daher in einem vielbeachteten Buch zu „Jahrhundert-Champions“. Dazu gehören der französische Baustoffkonzern Lafarge, der englische Pharmariese Glaxo, die Bank HSBC, der Versicherer Legal & General, der Ölkonzern Shell und Finnlands Nokia. Drei der Champions kamen aus Deutschland: der Versicherungskonzern Allianz, Industrieriese Siemens und der Rückversicherer Munich Re.

So unterschiedlich die Unternehmen und ihre Branche auch sein mögen - Stadler und Wältermann destillierten fünf Prinzipien heraus, die nach ihren Erkenntnissen allen neun Ausnahmekonzernen gemeinsam sind:

  • Prinzip 1: Effizienz vor Innovation - Champions nutzen ihre Vorteile. Sie bewerben primär Produkte, die bereits erfolgreich sind. Sie ziehen es vor, ihr Portfolio durch passende Zukäufe zu erweitern, statt das Risiko einzugehen, ständig Neues zu erfinden.
  • Prinzip 2: Diversifikation in verwandte Geschäftsbereiche - Stadlers und Wältermanns Jahrhundert-Champions erweitern ihr Kerngeschäft in verwandte Bereiche. Ein Grund: Ihre Kunden trauen ihnen auch hier die nötige Expertise zu. Ein zweiter: Durch die Streuung reduziert das Unternehmen das Risiko, falls das Stammgeschäft schwächelt.
  • Prinzip 3: Aus Fehlern lernen - Wer etwas unternimmt, kann auch daneben liegen. Das ist so lange kein Problem, wie das Unternehmen aus den Fehlern die richtigen Lehren für die Zukunft zieht.
  • Prinzip 4: Finanzen konservativ managen und Risiken streuen - Dazu zählen sie etwa, auf mehrere Lieferanten zu setzen, auf eine diversifizierte Geldanlage und auch die Zahl der Abnehmer zu erweitern, um keine Klumpenrisiken entstehen zu lassen.
  • Prinzip 5: Wandel kultursensibel gestalten – Steht eine Veränderung an, lässt sich diese nur dann erfolgreich gestalten, wenn der Wandel schrittweise umgesetzt wird und möglichst alle Mitarbeiter auf den verschiedenen Hierarchiestufen verstehen, warum ein Umbau oder ein neues Geschäftsmodell nötig sind und diesen mit tragen.

„Was sind die Werte des Unternehmens?“

„Gerade wenn große Krisen auftreten und auf Unternehmen zukommen“, sagt Stadler, „gibt es die Notwendigkeit, sich anzupassen und zu verändern.“ Die Frage sei – wie macht man das? Erfolgreiche Unternehmen, sagt Stadler, hätten gelernt, diesen Prozess auf eine „kultursensible Art und Weise“ zu vollziehen -  sie versuchten zwar, sich auf die neue Situation einzustellen, „aber nicht gleich das Kind mit dem Bade auszuschütten – sie haben sich sehr genau angeschaut: wo kommt das Unternehmen her, was sind seine Werte, und sie haben auf der Grundlage versucht, die Mitarbeiter mitzunehmen“. Ein gelungenes Beispiel ist für Stadler der Umbau der Barclays Bank.

Inzwischen hat Stadler diesen Ansatz erweitert. Neuerdings forscht er zusammen mit Kollegen am neuen Thema „Open Strategy“ – neue Prozesse, wie Unternehmen ihre Strategie überarbeiten. Nicht länger nur in der Chefetage hinter verschlossenen Türen, sondern „offener als in der Vergangenheit – indem sie Mitarbeiter einbeziehen, vielleicht auch Kunden, Leute aus ganz anderen Branchen und Industrien beteiligen, mitunter gar Konkurrenten.“

Höhere Loyalität

Das, so der umtriebige Business-Professor, der auch über Zahlsysteme in Afrika oder japanische Mangas forscht, führe zu einem größeren Überblick über die vorhandenen Ideen. Noch wichtiger jedoch sei, alle Beteiligten mitzunehmen, die ihre jeweils eigenen Interessen hätten:  „Gerade in Zeiten, in denen sich sehr viel verändert, ist es für alle Beteiligten besser, wenn sie sich aktiv beteiligen und mitreden können.“

In Krisensituationen wie zuletzt in der Corona-Pandemie, sagt Stadler, führe das nicht zuletzt auch dazu, dass Unternehmen, die ihre Mitarbeiter nach dem „Open Strategy“-Ansatz einbeziehen und mit Respekt behandeln, auch auf eine höhere Loyalität bauen könnten: „Das gilt auch für unsere Business School“, sagt Stadler, „wir sind ja selbst beinahe ein mittelständisches Unternehmen.“

„Amazon wird bankrott gehen“

Immer wichtiger werde es zudem für Unternehmen, für den Geschäftserfolg auch die Kundensicht einzuholen. Da habe sich gerade in den vergangenen zehn, 15 Jahren vieles massiv verändert. „Selbst Unternehmen, die früher nicht direkt mit Endkunden in Kontakt kamen, sind heute in einer neuen Situation“, sagt Stadler, „durch das Internet of Things stehen auch sie nun in ständigem Austausch mit den Kunden, die Daten sorgen für permanente Rückmeldungen.“ Vorausschauende Unternehmen nutzten diese etwa, um neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln.

Paradebeispiel und Vorbild in der Disziplin, den Kundenwillen ins Zentrum zu rücken, ist für viele der Onlineriese Amazon. Dennoch gefiel sich Gründer Jeff Bezos als ständiger Mahner. Bei einer Mitarbeiterversammlung sagte Bezos gar, er prophezeie, Amazon werde eines Tages scheitern: „Amazon wird bankrott gehen. Wenn ihr euch große Unternehmen anschaut, so haben sie Lebensspannen von 30 Jahren, nicht von 100 Jahren.“

Wie altern die GAFAs?

Stadler sieht das nicht ganz so. Die sogenannten GAFAS, die verglichen mit den Jahrhundert-Champions noch blutjungen Tech-Konzerne wie Google, Amazon, Facebook, Apple oder auch Netflix, hätten in ihrer noch kurzen Geschichte schließlich auch bereits bewiesen, sich anpassen und auf neue Gegebenheiten einstellen zu können. Ablesen lasse sich diese Fähigkeit gut etwa am Softwareriesen Microsoft.

Welchem dieser Hightech-Konzerne er es nun zutraut, womöglich ebenfalls ein Jahrhundert-Champion zu werden, da hält sich Stadler mit österreichisch- britischem Understatement zurück. Immerhin: „Dass zumindest einer von ihnen das schaffen kann, ist nicht auszuschließen – aber wir wissen ja nicht einmal: Gibt es in 100 Jahren überhaupt noch das Internet? Oder funktioniert das dann komplett anders?“

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